1. Fuldaer Zeitung
  2. Fulda

Wölfe in der Region: Jagd-Experten fordern bessere Regulierung

Erstellt:

Von: Hartmut Zimmermann

Wolf
Immer häufiger kommt es zu Wolfsichtungen in der Region. (Symbolbild) © Ingo Wagner/dpa/Archivbild

Bei Motten lief im Januar ein Wolf in die Fotofalle eines Jägers. Bei Poppenhausen wurde im Januar ein Reh von einem Wolf gerissen – von einem Wolf? Die Rückkehr des Tiers ist wieder Thema.

Kothen/ Wildflecken - Jagdpächter Werner Paltian aus Motten hat das Auftauchen des Wolfes nicht sehr überrascht. Bei Motten waren schon vorher Fährten im Schnee gesehen worden. Auffällig sei, dass er näher an die Siedlungen komme. Bei Motten schätzt Paltian den Abstand zum Dorf auf zwei Kilometer, die Wildkamera bei Kothen in Unterfranken steht weniger als einen Kilometer vom Ort entfernt.

Unterfranken: Wölfe immer häufiger in der Region gesichtet

Paltian vermutet, dass das fotografierte Tier aus dem nahen Truppenübungsplatz Wildflecken kommt – und dass der Hunger ihn umtrieb. Godfried Schwartz, Betriebsleiter des Bundesforstbetrieb Reußenberg in Hammelburg, welcher den Übungsplatz betreut, sieht das differenzierter: Er geht davon aus, dass auf dem Übungsplatz derzeit sieben Wölfe leben, zu deren Aktionsradius auch Motten gehört.

Ein Wolf, der nahe Kothen gesichtet wurde
Bei Kothen zeichnete eine Wildkamera einen Wolf auf. © privat

„Wir hatten 2022 den Nachweis eines Paares mit sechs Welpen. Nachdem die Spezialisten im Hessischen Landesamt für Naturschutz, Geologie und Umwelt (HLNUG) gerade offiziell bestätigt hatten, dass die junge Wölfin, die am 28. Dezember bei Eichenzell auf der Rhönautobahn überfahren wurde, aus Wildflecken stammte, gehe Paltian aktuell von sieben Wölfen dort aus.

Jagdpächter Paltian bezweifelt, dass Nahrungsmangel die Ursache für die Präsenz bei Motten ist: „Die Tiere finden in den weiten Bereichen des Übungsplatzes im Zweifelsfall genügend an Rehen, aber auch an Schwarz- und Rotwild“, ist er sicher. Damit seien die Wölfe durchaus nicht genötigt, um der Jagd willen auf Wanderschaft zu gehen.

Es sei aber ganz normal, dass die Tiere in einer Nacht mal zehn oder mehr Kilometer zurücklegten, betont Schwartz – auch ohne knurrenden Magen. Das bedeutet auch, dass es durchaus möglich sein kann, dass das Reh, das am 24. Januar in der Gemarkung von Poppenhausen/Wasserkuppe von einem Beutegreifer gerissen wurde, von einem Wolf gejagt wurde. Die Untersuchung der Spuren an dem Reh-Riss sind nach Auskunft des HLNUG noch nicht abgeschlossen.

Schwartz bestätigt, dass in Folge der Wolfs-Präsenz der Muffelwild-Bestand im Bereich des Übungsplatzes weitgehend oder völlig erloschen ist.

Muffelwild & Wolf

Der Bestand an Mufflons im Truppenübungsplatz Wildflecken ist entweder extrem reduziert worden odder ganz erloschen. Die Ursache dürfte der Wolf sein. Godfried Schwartz vom Bundesforstamt in Hammelburg weiß warum.

„Man beobachtet überall, dass dort, wo der Wolf auftaucht, das Muffelwild verschwindet. Das hängt nicht zuletzt mit dessen Fluchtverhalten zusammen.“ Denn die Wildschafe, die im Truppenübungsplatz, aber auch in Osthessen ausgewildert wurden, sind eigentlich in Felsregionen, etwa in Anatolien, aber auch in Korsika zu Hause.

Dort könnten sie Verfolger wie den Wolf dank ihrer enormen Kletterfähigkeit abschütteln. „Sie fliehen über extreme Steilhänge immer auf die höchsten Punkte – und der Wolf kann nicht hinterher.“ Doch in der Rhön gebe es kaum Regionen, die solche Fluchtpunkte böten.

Daher seien die Mufflons, die sich irgendwo auf eine Anhöhe zurückzögen, oft „leichte Beute“. Dass die Mufflons nicht wirklich in die Region gehörten, zeige sich aber auch daran, dass sie immer wieder an Huf-Erkrankungen litten – auch weil sich das Horn auf den Waldböden zu wenig abnutze.

Wolf soll unter das Jagdgesetz gestellt werden, um enorme Vermehrung zu vermeiden

Experten vermuten, dass auch in allen anderen hessischen Wolfsterritorien mit einem Paar oder Rudel im Jahr 2023 voraussichtlich Welpen zur Welt kommen werden. Einer deutschlandweiten Studie zufolge biete Hessen weitere potenzielle Lebensräume für Wölfe.

Jäger Paltian warnt vor einer enormen Vermehrung des Wolfsbestands, der im kommenden Jahr auf 30 Tiere anwachsen könne. Daher, so wünscht er es sich, müsse der Wolf unter das Jagdgesetz gestellt werden. Damit würde der strikte Schutz aufgehoben und die Möglichkeit der Bejagung geschaffen.

Diese Annahme widerspricht der Forstamtsleiter: Die Jungtiere vermehrten sich nicht im ersten Jahr und müssten erst einmal Partner und Reviere finden.

Immer mehr Wölfe in Bayern: Mindestens 26 Tiere heimisch. Zuvor galten Wölfe über 200 Jahre lang als ausgerottet.

Die Forderung, den Wolf ins Jagdgesetz aufzunehmen, macht sich Godfried Schwartz nicht zu eigen. „Es gibt in der Wolfs-Frage auf beiden Seiten ideologisch verhärtete Fronten“, bedauert Schwartz. Für die Bundesrepublik werde der Wolfsbestand von den Naturschutzbehörden mit etwa 1200 Tieren beziffert.

Diese Zahl hält er für zu niedrig und geht von rund 2000 Individuen aus. „Das sind mehr Wölfe, als derzeit in ganz Skandinavien leben“, gibt er zu bedenken. Daher sei ein „Wolfsmanagement“, das auch die Option zum Abschuss einzelner Tiere aus seiner Sicht sinnvoll. „Ich kann gut versehen, wenn gerade in der Rhön, dem „Land der offenen Fernen“ die Weidetierhalter angesichts der Entwicklung besorgt sind“, sagt Schwartz. (Von Stephanie Elm und Hartmut Zimmermann)

Auch interessant