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Ärzte vom Klinikum Fulda entfernen Gehirntumor bei vollem Bewusstsein der Patientin

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Von: Redaktion Fuldaer Zeitung

Robert Behr (von links), Ali Reza Hedjrat, Margarita Sherlock, Heike Eickeler, Carolin Auth, Andreas Warkentin, Anja Scheller und Kerstin Kleschin. / Foto: Sebastian Kircher
Robert Behr (von links), Ali Reza Hedjrat, Margarita Sherlock, Heike Eickeler, Carolin Auth, Andreas Warkentin, Anja Scheller und Kerstin Kleschin. / Foto: Sebastian Kircher

Fulda - Im Klinikum Fulda wurde erstmals eine Gehirnoperation bei vollem Bewusstsein des Patienten erfolgreich durchgeführt. Bei dieser sogenannten Wach-OP ist einer Patientin ein Hirntumor entfernt worden.

Von unserem Redaktionsmitglied Sebastian Kircher

Tumor-Operationen sind für das Klinikum Fulda etwas Alltägliches. „Wir haben sehr viele Patienten, sind hessenweit und auch darüber hinaus für unsere neuro-onkologische Behandlung bekannt. Wir haben eine gute Ausstattung und tolles Personal“, sagte Professor Dr. Robert Behr, Direktor der Klinik für Neurochirurgie bei einem Pressegespräch gestern. Und dennoch war die Behandlung von Margarita Sherlock etwas ganz Besonderes.

Millimeter entscheiden

Bei der 59-Jährigen aus Züntersbach war ein Gehirntumor diagnostiziert worden. „Im Gehirn befinden sich sensible Bereiche, die für Motorik, Sehen, Hören und Sprache verantwortlich sind“, erklärte Behr. Liegt der Tumor nahe an diesen Zentren, lägen Millimeter zwischen einer erfolgreichen OP und bleibenden Schäden. „Und da beginnt die Herausforderung: Wie will man das Sprachvermögen eines Patienten testen, der unter Vollnarkose steht?“

Eine Unterhaltung während der OP

Margarita Sherlock war das Risiko zu hoch, zwar vom Tumor befreit zu sein, danach aber nicht mehr sprechen zu können. Als das Klinikum ihr eine Wach-OP vorschlug, stimmte sie zu. Der Patient ist dabei während der Operation wach und kann sich unterhalten. „Dadurch merkt man sofort, wenn man zu nahe am Sprachzentrum ist, und kann direkt reagieren“, erklärte Professor Behr.

„Die Methode ist uralt“

Das war für das Klinikum eine Premiere, sagte er: „Vor 15, 20 Jahren hatten wir das mal probiert. Aber die Technik war damals noch nicht so weit.“ Vor allem fehlte ein Narkosemittel, mit dem der Patient beim Öffnen der Schädeldecke „schlafen“ gelegt und danach zur eigentlichen OP am offenen Gehirn schnell wieder „geweckt“ werden kann. Mittlerweile gibt es so etwas, sagte Anästhesistin Dr. Kerstin Kleschin: „Die Methode ist uralt, das wurde schon im Alten Ägypten gemacht. Damals gab es gegen die Schmerzen Coca-Blätter, Marihuana und ein Holz zum Beißen. Da sind wir zum Glück weiter.“ Nach Entfernung des Tumors wurde die Patientin zum Schließen der Schädeldecke wieder narkotisiert.

„Nette Plauderrunde“

Durchgeführt wurde die OP vor gut fünf Wochen von Dr. Ali Reza Hedjrat: „So etwas hatte ich vorher nie selbst gemacht. Aber in Frankfurt hatte ich bereits an solchen OPs teilgenommen.“ Auch Assistenzarzt Andreas Wartenkin hatte sich intensiv mit dem Thema beschäftigt und OPs in Düsseldorf begleitet.

Mit an Bord waren die Logopädinnen Heike Eickeler und Carolin Auth, die mit Margarita Sherlock während des Eingriffs sprachen. „Das hatte den Charakter einer netten Plauderrunde, aber mit unserem Gespräch haben wir getestet, welche Bereiche des Sprachzentrums gerade betroffen sind“, sagte Eickeler. So musste die Patientin unter anderem Bilder erkennen oder die Monate rückwärts aufzählen. Vier Tage lang hatten die Logopädinnen das mit ihr trainiert, um sie auf die OP vorzubereiten.

Training vor der Operation

Und auch die „Lagerung“ von Margarita Sherlock wurde von dem Team der OP-Pflege um Anja Scheller trainiert. „Die Patientin sitzt fest fixiert in einem Stuhl, kann auch den Kopf nicht bewegen. Das ist eine große Belastung“, sagte Scheller. „So schlimm war es gar nicht“, fügte Sherlock an. Alle Beteiligten – zehn Leute waren im OP-Saal – loben ihren Mut: „Man kann so etwas nur machen, wenn man Vertrauen zu der Patientin aufgebaut hat“, so Hedjrat.

Knapp zwei Stunden dauerte die OP, der Tumor wurde komplett entfernt. „Angst hatte ich nicht“, sagte Sherlock. Ihr gehe es gut, Beschwerden wegen der OP habe sie keine. Bald geht die Nachbehandlung mit Chemotherapie los. Nach der erfolgreichen Premiere sollen weiter Wach-OPs im Klinikum durchgeführt werden. Auch Vorstand Dr. Thomas Menzel ist davon überzeugt: „Es ist unglaublich, was heutzutage alles möglich ist.“

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