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Was motiviert Randalierer? Soziologin Monika Alisch über beschädigte „Alltagsmenschen“

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Von: Anne Burkard

Diese Kunstfigur am Fuldaer Buttermarkt war Anfang April von Unbekannten „geköpft“ worden.
Diese Kunstfigur am Fuldaer Buttermarkt war Anfang April von Unbekannten „geköpft“ worden. © Torsten Goßmann/Verfremdung: Fuldaer Zeitung

Mehrmals haben Unbekannte in den vergangenen Wochen „Alltagsmenschen“ in der Fuldaer Innenstadt beschädigt. Die Soziologin Professorin Dr. Monika Alisch von der Hochschule Fulda äußert sich nun über den Vandalismus an den Kunstfiguren.

Fulda - Am 5. April wurde ein 18-jähriger Tatverdächtiger auf frischer Tat ertappt: Der junge Mann soll nachts versucht haben, die „Alltagsmenschen“ in der Löherstraße mit Hand- und Faustschlägen zu beschädigen, erklärte die Polizei. Ob er auch für die Beschädigungen an weiteren Kunstfiguren verantwortlich ist, war damals noch Teil der Ermittlungen. Auf Nachfrage unserer Zeitung erklärt die Polizei jetzt: „Derzeit liegen keine Erkenntnisse vor, dass der Mann für weitere Taten in Betracht kommt.“

„Alltagsmenschen“ in Fulda: Soziologin über Motive der Randalierer

Die Soziologin Monika Alisch von der Hochschule Fulda nennt mögliche Gründe, warum Menschen öffentlich randalieren und Kunst wie die „Alltagsmenschen“ zerstören - obwohl derzeit noch unklar sei, ob es mehrere Täter gibt und ob sie Nachahmer sind. „Es ist immer schwierig zu spekulieren.“

Und die Lust am Zerstören könne verschiedene Gründe haben: „Alkoholisierte oder wütende Menschen können Kunst zerstören. Ich vermute hinter diesen Taten Menschen, die in der Gesellschaft keinen hohen Stellenwert haben.“ Die Randalierer würden sich bewusst für öffentliche Kunst als Zielscheibe entscheiden. „Sie wollen gesehen werden, weil sie sonst nicht gehört werden. Sie möchten das Gefühl haben, etwas mit ihrer eigenen Handschrift zu versehen.“

Monika Alisch, Soziologin an der Hochschule Fulda.
Monika Alisch, Soziologin an der Hochschule Fulda. © privat

Mit dem brutalen Köpfen der „Alltagsmenschen“ könnten die Täter das Gefühl bekommen, in der Gesellschaft nun eindeutig sichtbar zu sein. Unter anderem könne Politik für die Unzufriedenheit von Tätern eine Rolle spielen. „Sie sagen: ,Die da oben‘ haben entschieden, dass wir aus schwierigen Verhältnissen nicht so leicht den Schulabschluss machen oder studieren können. Die gleiche Politik hat entschieden, dass die Alltagsmenschen in der Stadt aufgestellt werden.“ Die Studienlage in der Corona-Zeit zeige schon jetzt, dass die Interessen von Jugendlichen in der Pandemie oft an letzter Stelle standen.

Laut Alisch geht es den Tätern nicht um Kunst, die ihnen nicht gefällt. Sie wollen ihren Raum in der Gesellschaft finden. Für die „Alltagsmenschen“ würden sich größtenteils sozial gut gestellte Menschen interessieren. „Sie könnten denken: ,Mit meiner Lebenswelt und dem, was mich umtreibt, hat das nichts zu tun.‘ “

Vandalismus-Fälle in Fulda ein Klassenproblem?

Nicht nur Jugendliche, auch ältere Menschen, die keinen hohen Bildungsabschluss und kein gesichertes Familien- und Arbeitsverhältnis haben, könnten als Täter in Frage kommen, glaubt die Soziologin. „Meiner Meinung nach macht der Vandalismus an öffentlicher Kunst eine massiv sichtbar gewordene Ausgrenzung von Menschen sichtbar“, betont die Professorin. Andere Gründe wie einfache Wut oder Alkoholeinfluss könne man nicht ausschließen. Und Nachahmer könnten denken: „Jemand anderes hat damit angefangen, es ist irgendwie lustig, und wenn ich weitermache, ist das ein Stück weit legitimiert.“

Alisch erklärt - rein hypothetisch: „Würde es ein Kunstprojekt geben, bei dem Menschen aus schwierigeren Verhältnissen ihre eigenen Interessen präsentieren, bei dem sie Verantwortung übernehmen und zeigen, was sie können - und die gleiche Aufmerksamkeit wie die „Alltagsmenschen“ bekommen - dann würde vermutlich nichts zerstört.“ Sie betont, dass sie lediglich vermuten kann, was in den unbekannten Randalierern vorgeht. Wichtig ist auch: Die Polizei ermittelt noch. Um wie viele unterschiedliche Täter es sich handelt und wie alt diese sind, steht noch nicht fest.

Die Polizei geht weiterhin vorliegenden und eingehenden Hinweisen nach. „Bisher hat dies noch nicht zur Ermittlung der Täter geführt“, äußert sich die Polizei. Zeugenhinweise nimmt sie weiterhin unter Telefon (0661) 1050 entgegen. Die Stadt Fulda hat sogar eine Belohnung ausgesetzt.

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