Nicht ganz so optimistisch äußert sich Andreas Herbst, der in zweiter Generation eine Apfelwein- und Fruchtsaft-Kelterei und einen Getränkegroßhandel in Hofbieber-Schwarzbach betreibt. Er befürchtet, dass in diesem Jahr „ein bisschen weniger“ Äpfel angeliefert werden und rechnet wegen der anhaltenden Trockenheit mit 10 bis 15 Prozent weniger Ertrag. (Lesen Sie hier: Hessen erlebt Rekord-Sommer - mehr als 850 Sonnenstunden)
„Aber die Qualität wird ganz gut“, prognostiziert der 56-jährige Rhöner. Denn die Sonne werde für Süße sorgen. Wegen der extremen Witterung, die die Früchte eher vom Baum fallen lasse, habe er 14 Tage früher mit der Apfelannahme begonnen. Zu ihm bringen Streuobstwiesenbesitzer und Hobbygärtner in einem Umkreis bis zu 30 Kilometern aus Hessen und Thüringen ihre Äpfel und erhalten für einen Obolus verschiedene Apfel- und Mischsäfte.
Äpfel bleiben das mit Abstand am meisten geerntete Baumobst in Deutschland. Die Obstbaubetriebe erwarten im Jahr 2022 eine gute Apfelernte von rund 1.051.000 Tonnen. Wie das Statistische Bundesamt nach einer ersten Schätzung vom Juli 2022 mitteilt, wird die Apfelernte gegenüber dem Vorjahr voraussichtlich um knapp 46.000 Tonnen und damit 4,6 Prozent höher ausfallen.
Gegenüber dem zehnjährigen Durchschnitt werden in diesem Jahr voraussichtlich 80.000 Tonnen und damit etwa 8,2 Prozent mehr Äpfel geerntet. Da die Apfelbäume in diesem Jahr viele Früchte tragen und witterungsbedingt bislang wenig Krankheits- und Schädlingsbefall festgestellt wurde, hoffen die Obstbaubetriebe auf eine überdurchschnittlich gute Apfelernte.
Äpfel werden bundesweit auf einer Fläche von knapp 34.000 Hektar erzeugt. Die wichtigsten Anbaugebiete liegen in Baden-Württemberg, Niedersachsen und in Sachsen. Dort werden voraussichtlich mehr als zwei Drittel (70 Prozent) aller Äpfel geerntet. Dabei ist Baden-Württemberg sowohl bezogen auf die Anbaufläche als auch auf die Erntemenge mit Anteilen von gut einem Drittel (36 Prozent) das bedeutendste Bundesland für den Apfelanbau in Deutschland. / dpa
Sorgen bereiten dem Industriemeister nicht nur die gestiegenen Energiekosten und die Inflation. Der Markt für leere Flaschen sei leergefegt und teils seien die Preise für Etiketten und Verschlüsse explodiert. „Die haben sich teils verdoppelt und es gibt mehrere Monate Lieferzeit.“ Er versuche jedoch, in dieser Saison die Preise stabil zu halten.
Noch verhaltener blickt Antje Schwanke auf das Apfeljahr 2022. Zwar sei das Frühjahr schön warm und der Fruchtansatz sehr reich gewesen. „Die Trockenheit fordert aber ihren Tribut“, sagt die Geschäftsführerin der Rhöner Apfelinitiative (RAI). In einigen Regionen, in denen der Verein aktiv ist, sehe es insgesamt noch ganz gut aus, in anderen wegen ausbleibenden Regens eher nicht. Insgesamt rechne die RAI mit einer schlechteren Ernte als 2021. Deren Äpfel werden zumeist an Saftproduzenten geliefert, die daraus unter anderem fruchtig-süße Produkte namens Wiesenkiez und Ostmost herstellen.
Dass die Erträge bei Streuobstäpfeln in der Rhön zurückgehen, hat aber auch andere Gründe abseits des Wetters, erklärt Schwanke. Zwar sei in der bisherigen Coronavirus-Pandemie das Interesse an Streuobstwiesen und an regionalen Lebensmitteln gewachsen, was Schwanke an vermehrten Anfragen festmacht. „Man merkt den Enthusiasmus“, sagt die 56-Jährige. (Lesen Sie hier: „Rasen kann sich rasch erholen“ - Gärtnermeisterin Martina Büchsel erklärt, wie das möglich ist)
Mit Förderprogrammen der Länder und mit der Ausbildung sogenannter Baumwarte würden Streuobstbauern unterstützt. Doch auf der anderen Seite seien Förderprogramme oft ungenügend. In Hessen beispielsweise gebe es nur Zuschüsse, wenn die Fläche professionell landwirtschaftlich genutzt werde, was gerade bei Streuobstwiesen, die in der Rhön vielfach in der Freizeit bewirtschaftet würden, nicht der Fall sei.
Zudem schreibe eine neue EU-Verordnung vor, dass die RAI ihre rund 560 Streuobstbauern in Hessen, Bayern und Thüringen durch externe Fachleute jährlich kontrolliert. „Wir bräuchten 140 Kontrolleure. Da stößt ein Verein wie unserer schnell an Grenzen“, so Schwanke. Wie die RAI dies lösen wird, sei bislang offen.