Deshalb rät der Hausarzt allen Patienten, „genau zu überlegen, wie sie sich verhalten“. Denn viele Haus- und Facharztpraxen arbeiteten bereits über ihre Kapazitätsgrenze hinaus und können neue Patienten nur noch bedingt annehmen. „Die Versorgungslage wird sich erst einmal nicht verbessern, sondern in den nächsten fünf Jahren werden weitere Praxen schließen“, gibt Hönscher zu bedenken.
Die Fuldaer Krankenhäuser bestätigen, dass sich Auseinandersetzungen mit Patienten in letzter Zeit häufen. Barbara Froese, Pressesprecherin des Klinikums, erklärt auf Anfrage unserer Zeitung: „Es kommt häufiger als früher zu verbalen oder körperlich Übergriffen, vor allem in der Zentralen Notaufnahme und in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie.“
Die Klinik habe bereits verschiedene Techniken der Deeskalation in ihre Arbeit integriert, die Mitarbeitenden seien entsprechend geschult. „In den meisten Fällen lässt sich die Situation beruhigen. In Einzelfällen müssen wir aber die Polizei um Unterstützung bitten“, schildert Froese.
Auch das Herz-Jesu-Krankenhaus berichtet von verbalen Attacken und Übergrifflichkeiten von Patienten und Angehörigen auf das Personal. „Das Klima ist grundlegend impulsiver geworden, die Aggressivität nimmt zu, Respekt und Wertschätzung nehmen ab“, fasst Pressesprecherin Viktoria Schmitt zusammen.
Als möglichen Grund nennt auch Schmitt lange Wartezeiten, da das Patientenaufkommen gerade in der Notaufnahme „massiv zugenommen“ habe. Zudem sei der Krankenhausaufenthalt für Patienten mit gesundheitlichen Probleme meist eine Ausnahmesituation, und die Stimmung lade sich emotional auf. „Unverständnis und Unzufriedenheit wird an den Helfenden ausgelassen.“ Nachts kämen vermehrt alkoholisierte Patienten hinzu, die oft aggressives Verhalten aufweisen.
Die Aggressivität nimmt zu, Respekt und Wertschätzung nehmen ab.
Die Mitarbeitenden des Herz-Jesu-Krankenhauses können im Fall einer Auseinandersetzung laut Pressestelle eine Art Notrufknopf betätigen, um Hilfe durch ein Deeskalationsteam zu erhalten. Zudem werde das Personal in Deeskalationstraining und entschärfender Gesprächsführung geschult.
Beide Krankenhäuser mussten nach eigenen Angaben wegen verbalen oder körperlichen Angriffen auf Mitarbeitende sowie wegen Vandalismus bereits mehrere Hausverbote aussprechen. Sie betonen gleichzeitig, dass es viele höfliche und verständnisvolle Patienten gebe.
In der Helios St. Elisabeth Klinik Hünfeld hingegen seien aggressive Patienten kein wiederkehrendes Problem. Zwar komme es auch dort in der Notaufnahme vor, dass Patienten sich über Wartezeiten lautstark beschweren. „Glücklicherweise sind das aber Einzelfälle, die sich der Regel schnell und problemlos klären lassen“, sagt Pressesprecherin Gudrun Käsmann.
Vorfälle wie der Angriff auf eine Rettungssanitäterin im Main-Kinzig-Kreis vor Kurzem zeigen jedoch, dass sich aggressives Verhalten gegenüber medizinischem Personal nicht nur auf Wartezimmer und Notaufnahmen beschränkt. „Selbst Menschen wie Rettungssanitäter, Feuerwehrleute und Polizisten müssen erleben, dass sie beschimpft oder tätlich angegangen werden – und das, obwohl sie Menschen helfen wollen und sogar oft ihr eigenes Leben in Gefahr bringen“, kritisiert das Gesundheitsnetz Osthessen. Der Verbund hat deshalb ein Plakat für Praxen herausgegeben, dass Patienten darauf hinweisen soll, respektvoll mit dem Praxisteam umzugehen. „Wir möchten hiermit an alle Bürger appellieren:Benehmen Sie sich anderen Menschen gegenüber so, wie auch Sie behandelt werden wollen!“