1. Fuldaer Zeitung
  2. Fulda

Long-Covid-Symptome nach der Corona-Impfung: Ein Betroffener berichtet

Erstellt:

Von: Daniela Petersen

Zu den häufigsten Symptomen von Long Covid zählen Müdigkeit und Erschöpfung.
Zu den häufigsten Symptomen von Long Covid zählen Müdigkeit und Erschöpfung. (Symbolbild) © Christin Klose/dpa

Der Bundestag soll kommende Woche über eine allgemeine Corona-Impfpflicht entscheiden. 75,8 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland sind inzwischen vollständig geimpft. Für die meisten lief das ohne Probleme. Manche aber leiden unter den Folgen.

Fulda - Wenn Oliver B. aus Fulda erzählt, welche Krankheitssymptome bei ihm in den vergangenen neun Monaten auftraten, dann hört sich das fast nach Long-Covid an: Schwindel, Schwächegefühl, Atembeschwerden, Herz-Rhythmus-Störungen. Aber: Der 31-Jährige hatte nachweisbar nie eine Corona-Infektion.

Die Probleme begannen bei ihm drei Wochen nach der zweiten Corona-Impfung, wie er sagt. Er schickt voraus: „Ich bin kein Impfgegner. Ich hatte mich auf die Impfung gefreut, da ich mich, meine Familie und meine Mitmenschen schützen wollte.“ Seinen vollen Namen will Oliver B. nicht publik machen, weil er als Lehrer arbeitet und das Thema sensibel sei. (Lesen Sie hier: Nach Omikron-Infektion: Welche Long-Covid-Folgen könnten auftreten?)

Corona in Fulda: Long-Covid nach der Impfung? Das sagen Experten

Die Debatte ist aufgeladen, die Definition eines Impfschadens schwierig. Und bei jedem Symptom steht die Frage im Raum: Kommt es von der Impfung –oder wäre das Problem auch ohne Immunisierung aufgetreten? Seine Geschichte will Oliver B. dennoch erzählen, um anderen Betroffenen zu helfen. Er selbst hat einen langen Leidensweg hinter sich.

Der Fuldaer wurde im April und Mai 2021 mit Biontech geimpft. Außer Schmerzen im Arm hat er kurz danach nichts gespürt. „Es fing etwa dreieinhalb Wochen später mit Atembeschwerden und so einem ganz seltsamen Schwindelgefühl an. Da ich Asthmatiker bin, dachte ich zunächst an diese Art der Probleme. Aber es kamen viele Symptome hinzu: Herzbeschwerden, Muskelschwäche, öfter geplatzte Äderchen in den Augen“, sagt er.

Immer wieder ging er zu Ärzten. „So häufig ich mich in den letzten neun Monaten habe untersuchen lassen, so oft war ich in meinem ganzen Leben vorher nicht beim Arzt.“ Wenn er dann als Auslöser seiner Beschwerden die Impfung angeführt habe, sei er damit nicht ernst genommen worden. (Mit unserem Corona-Ticker für Fulda bleiben Sie immer auf dem Laufenden)

„Ich habe meinen Hausarzt gebeten, das beim Paul-Ehrlich-Institut als Impfschaden zu melden, weil ich finde, dass wenn es keine Meldungen von Ärzten gibt, sie die Nebenwirkungen auch nicht richtig einschätzen können.“ Sein Arzt habe aber abgewiegelt. „Er fragte nur: Was soll das bringen?“, erinnert sich der 31-Jährige. Immer wieder seien stattdessen Stress und psychosomatische Ursachen diagnostiziert worden. „Man wird als psychisch krank abgestempelt. Das stört mich.“

Das sagen Experten

Die Uniklinik Erlangen untersucht in Studien die Spätfolgen von Corona-Erkrankungen – und welchen Einfluss Autoantikörper haben können. Christian Mardin, Leitender Oberarzt an der Universitätsaugenklinik Erlangen, erklärt, dass die Beschwerden, die Oliver B. beschreibt, mit „Long-Covid nach einer Corona-Impfung vereinbar“ sein könnten. „So etwas scheint es zu geben, wenn auch selten. Wir kennen in unserer Studie drei Patienten, die auch objektiv nachweisbare Biomarker zeigen“, sagt er.

Der Mechanismus sei ähnlich wie bei einer Corona-Erkrankung mit Langzeitfolgen: „Auto-G-Protein-Antikörper entstehen im Rahmen der körpereigenen Abwehr mit Antikörperbildung als quasi überschießende Antwort des Immunsystems. Diese Autoantikörper können an Rezeptoren wie Beta2 zum Beispiel binden und ungewollte Reaktionen in den Zellverbänden auslösen.“ Das Immunsystem richte sich quasi gegen den eigenen Körper. „Wir sehen auch viele andere Impfreaktionen, die einen Teil der Covid-19-Infektion nachahmen“, sagt Mardin. Seine Patienten würden beispielsweise Konzentrationsverlust, Kreislaufstörungen, Schmerzen oder Müdigkeit beschreiben.

Auch wenn es keine konkreten Zahlen gibt, wie viele davon betroffen sind: Gemessen an den vielen Impfungen sind es die Ausnahmen. Mardin sagt: „Ein normaler Impfling bleibt mit seiner Immunantwort im Gleichgewicht. Selten können vielleicht vorbestehende Infektkontakte oder bestimmte Konstellation des Immunsystems diese Reaktion nach Impfung triggern.“

Vielen Patienten würde es nach einer Zeit langsam wieder besser gehen. „Einige bekommen Steroide und Immunglobuline“, sagt Mardin. Bei Long-Covid-Symptomen könne auch das Herzmedikament BC007 helfen, das sich allerdings noch im Zulassungsverfahren befindet.

Bei seinen Recherchen stieß er schließlich auf eine Plattform zur Selbsthilfe im Internet, wo sich Betroffene mit ähnlichen Problemen austauschen. Dort wurde erwähnt, dass Autoantikörper die Beschwerden auslösen könnten. Oliver B. ließ sich daraufhin testen – für fast 1000 Euro, die er aus eigener Tasche gezahlt hat. „Ich war verzweifelt und wusste nicht mehr weiter. Aber der Test brachte auch die Erkenntnis, dass bei mir Autoantikörper nachgewiesen wurden.“

Ob Autoantikörper – das sind Antikörper, die sich gegen körpereigenes Gewebe richten – wirklich Auslöser der Beschwerden sind, ist wissenschaftlich nicht belegt. Aber ein Team an der Augenklinik in Erlangen forscht dazu und machte eine Entdeckung: Im Blut eines Long-Covid-Patienten, der über einen erhöhten Augeninnendruck klagte, fand man Autoantikörper. Nachdem er im Rahmen eines Heilversuches mit dem Herzmedikament BC007 behandelt wurde, das noch nicht final zugelassen ist, verschwanden die Long-Covid-Symptome.

Video: Studie: Impfungen schützen wohl vor Long Covid

Der Leitende Oberarzt Christian Mardin aus Erlangen geht davon aus, dass der Körper nach der Impfung in seltenen Einzelfällen Autoantikörper produziert und somit auch Long-Covid-Symptome aufgrund der Impfung auftreten können. Dass es einen Zusammenhang zwischen der Impfung und Long-Covid-ähnlichen Symptomen geben könnte, werde von vielen Ärzten nur mit großer Zurückhaltung anerkannt.

Das hat auch Oliver B. so erlebt. Er sagt: „Die Impfung hat bei Millionen Menschen funktioniert. Bei wenigen leider nicht. Die Menschen wurden von der Politik aufgefordert, sich impfen zu lassen. Jetzt erwarte ich im Gegenzug Hilfe und Anerkennung für diejenigen, denen die Impfung nicht nur Schutz, sondern auch negative Folgen in Form von Einschränkungen brachte.“

Auch interessant