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„Weder effektiv noch zielführend“ - Virologe Streeck kritisiert Testpflicht für Reisende aus China scharf

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Von: Bernd Loskant

Hendrik Streeck, Direktor des Institut für Virologie an der Uniklinik in Bonn
Hendrik Streeck, Direktor des Institut für Virologie an der Uniklinik in Bonn. (Archivfoto) © Federico Gambarini/dpa

Top-Virologe Hendrik Streeck von der Universität Bonn übt heftige Kritik an der von Gesundheitsminister Karl Lauterbach angekündigten Corona-Testpflicht für Reisende aus China.

Fulda - Im Interview mit der Fuldaer Zeitung äußert sich Virologe Hendrik Streeck zur Corona-Lage in China. Er sagt: „Die Null-Covid-Strategie ist nicht aufgegangen.“

Herr Prof. Streeck, Deutschland will nun, wie einige andere europäische Länder, negative Covid-Tests von Einreisenden aus China verlangen. Können wir damit Schlimmeres verhindern?

Wir sollten uns vor Augen führen, was wir eigentlich erreichen wollen. Hohe Fallzahlen in China bedeuten noch lange nicht, dass wir auch hier hohe Fallzahlen bekommen. Wir haben eine gute Grundimmunität in der Bevölkerung, und die wird nicht durch reisende Infizierte aus China ausgehebelt werden. Die Sorge ist natürlich, dass in China eine neue Variante entsteht, die über Reisende hier nach Deutschland getragen wird. Für uns ist es daher wichtig zu wissen, ob eine neue Variante nach Deutschland eingetragen wird – ganz egal, aus welchem Land. Die neuen Varianten wird man aber nicht durch Antigen-Tests im Ursprungsland erkennen, sondern nur mittels PCR und Sequenzierung. Auch können wir fast alle aus Eigenerfahrung sagen, dass Antigen-Tests frisch Infizierte nur schlecht erkennen. Die Bestimmungen sind dadurch weder effektiv noch zielführend und führen eher zu internationalen Verstimmungen.

Was muss Ihrer Meinung nach getan werden?

Viel geschickter ist es, an Flughäfen und vielleicht auch in den Flugzeugen ein Virusmonitoring im Abwasser zu machen. Denn auch in den Abwässern können wir feststellen, welche Virusvariante gerade kursiert. Und so bekommen wir relativ schnell mit, ob wir eine neue Variante im Land haben. Man muss ganz klar festhalten: Durch Reiserestriktionen werden wir es nicht schaffen, irgendeine Variante weltweit aufzuhalten. Für Deutschland ist es aber wichtig zu wissen, welche Varianten es gibt und ob man sich darauf vorbereiten muss.

Corona: Virologe Streeck kritisiert Testpflicht für Reisende aus China scharf

Ist die Virusvariante, die aktuell in China grassiert, gefährlicher als die, die wir gerade in Europa haben?

Nein. In China grassiert nach allem, was wir wissen, die BF.7-Variante, das ist ein Abkömmling der BA.5-Omikron-Variante. Diese Variante gibt es auch bei uns und weitere, die sich aus der BF.7-Variante entwickelt haben. Insofern würde eine vermehrte Eintragung von BF.7 wahrscheinlich nicht die Lage bei uns verändern.

Sie schließen also aus, dass die China-Welle zu uns rüberschwappt?

Nochmal: Die derzeit hohen Fallzahlen in China bedeuten nicht, dass auch wir hohe Fallzahlen bekommen werden. Zu bedenken ist allerdings, dass in China eine neue Variante entstehen kann. Wenn sich viele Menschen gleichzeitig infizieren, das haben wir auch in anderen Ländern gesehen, ist die Chance höher, dass sich dann neue Varianten ausbilden. Einfach gesagt: Je mehr Viren es gibt, desto wahrscheinlicher ist es, dass eine Mutation entsteht. Ob das dann eine gefährlichere Variante ist, kann man nicht voraussagen. In den USA zum Beispiel sehen wir, dass sich die XBB1.5-Variante durchsetzt. Diese zeigt eine verstärkte Immunflucht und einen Übertragungsvorteil. Einiges spricht dafür, dass sich eher diese Variante in Deutschland durchsetzen wird. Aber auch die XBB.1.5-Variante ist nicht krankmachender als die aktuellen. Allerdings heißt das auch, dass man sich nach überstandener Infektion wieder leichter infizieren kann.

Haben Sie eine Erklärung für die explosionsartige Ausbreitung in China?

Die Chinesen sind mit 1,5 Milliarden Menschen ein sehr großes Volk mit riesigen Ballungszentren. Wenn die Strategie im Umgang mit dem Virus von „Keine einzige Infektion zulassen“ auf „Null Restriktionen mehr“ geändert wird, sind solche enorm hohen Infektionszahlen überhaupt nicht ungewöhnlich. Das hat es in anderen Ländern auch gegeben – zum Beispiel in Indien. Dort, wo sehr viele Menschen auf engem Raum zusammenleben, ist es wahrscheinlich, dass sich dort auch so ein Virus ausbreitet. Was jetzt dort passiert zeigt eben auch, dass die Null-Covid-Strategie nicht aufgegangen ist.

Video: Amtsärzte fordern Corona-Testpflicht für Reisende aus China

Liegt es vielleicht auch daran, dass die chinesischen Impfstoffe nicht so gut sind wie unsere?

Das am häufigsten verwendete Vakzin in China ist ein Totimpfstoff. Dieser hat nach der ersten und zweiten Impfung im Vergleich zu Biontech oder Moderna eine schlechtere Wirksamkeit. Wenn er dreimal gegeben wird, gibt es allerdings nur marginale Unterschiede.

In der Printausgabe (Donnerstag, 5. Januar) und im E-Paper lesen Sie eine ausführliche Berichterstattung zur Corona-Explosion in China und den Forderungen nach einer Testpflicht für Reisende.

Virologe Hendrik Streeck hatte unlängst bereits im Interview mit unserem Partner-Portal merkur.de erklärt, er halte den Anstieg der Fallzahlen in China für nicht ungewöhnlich. Wenn das Virus nach dem Fallen der Schutzmaßnahmen auf eine „relativ naive Bevölkerung“ treffe, dann komme es zu verstärkten Infektionen.

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