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Fulda: Betroffene zweifeln an Corona-Testpraxis - Gesundheitsamt und Klinikum reagieren

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Von: Bernd Loskant

Ein Wattestäbchen mit einem Abstrich wird im Labor für einen Corona-Test verarbeitet.
Drei Fuldaer haben Zweifel an der hiesigen Corona-Testpraxis. (Symbolbild) © Oliver Berg/dpa/Symbolbild

Der im bundesweiten Vergleich massiv hohe Inzidenzwert im Landkreis Fulda wirft Fragen auf: Wo liegt der Grund für die exorbitant hohen Fallzahlen? Liegt es vielleicht an der hiesigen Testpraxis, wie drei Betroffene aus dem Landkreis Fulda vermuten?

Fulda - Ingo Hartmann, Markus Oestreich und Konstantin Zimmermann haben den Glauben an die Infektionsschutz-Verordnungen verloren. „Um das klar zu sagen: Ich weiß, dass Corona eine schwere Krankheit ist und bin der Meinung, dass Verstöße gegen die Corona-Regeln noch härter bestraft werden müssten“, sagt Hartmann. Doch was der 45-Jährige und seine Kollegen erlebt haben, lässt sie an den hohen Fallzahlen und dem daraus resultierenden Lockdown zweifeln.

Betroffene zweifeln an Corona-Testpraxis in Fulda - Gesundheitsamt und Klinikum reagieren

Was ist passiert? Markus Oestreich (57), einer der erfolgreichsten Rennfahrer der Region, ist mit einem Team aus Ingenieuren und Mechanikern weltweit bei Automobilsport-Veranstaltungen tätig. Als die drei Fuldaer Anfang Januar beruflich nach Dubai reisen wollen, benötigen sie für die Einreise einen negativen Corona-Test. Der Abstrich wird am 11. Januar im DRK-Testcenter in Fulda genommen – drei von mehr als 2000 Tests, die die Rot-Kreuz-Mitarbeiter seit Ende Oktober durchgeführt haben. Die Analyse erfolgt im Medizinischen Versorgungszentrum Osthessen (MVZ), einer Tochter des Klinikums.

Für die drei Fuldaer ist der Test durch ihre vielen Reisen schon Routine. Symptome hat keiner von ihnen, und in den Tagen zuvor hatten sie auch keinerlei Kontakte außerhalb ihrer Familien – und sich untereinander auch nicht gesehen. Doch dann der Schock: Hartmann und Oestreich werden per E-Mail darüber informiert, dass ihr PCR-Test positiv war. Beide müssen sich auf Anordnung des Gesundheitsamts sofort in Quarantäne begeben. „Ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes Petersberg stand bereits bei mir vor der Tür und hat mich eingenordet“, sagt Oestreich. Zimmermanns Ergebnis lässt dagegen auf sich warten – und als er telefonisch im Labor nachfragt, heißt es, seine Probe müsse nochmal in die „Re-Diagnostik“.

Sie verstehen die (Corona-)Welt nicht mehr (von links): Ingo Hartmann, Konstantin Zimmermann und Markus Oestreich.
Sie verstehen die (Corona-)Welt nicht mehr (von links): Ingo Hartmann, Konstantin Zimmermann und Markus Oestreich. © privat

Also fährt der 20-Jährige zum Flughafen – den Test kann er schließlich auch bei der Einreise machen. In Dubai angekommen, begibt er sich noch am Airport in ein Testcenter. Auch hier lässt er keinen Schnelltest, sondern den als sicherer geltenden PCR-Test durchführen. Ergebnis: Negativ! Als er sein Laptop öffnet, sieht er das Ergebnis aus Fulda: Positiv! Was also stimmt? Er bleibt in Dubai im Hotel und leidet enorm unter der Situation. Für die Wiedereinreise nach Deutschland benötigt er zwei Tage später erneut einen PCR-Test. Auch hier das Ergebnis: Negativ! Von seiner Mutter in Deutschland hört er, dass er bereits vom Ordnungsamt gesucht wird. Auch er muss, in Fulda angekommen, sofort in Quarantäne, obwohl er sich nicht krank fühlt.

Corona-Tests in Fulda eher positiv? Gesundheitsamt und Klinkum reagieren

Zuhause haben die drei jetzt Zeit. Viel Zeit, um sich mit ihren Testergebnissen zu beschäftigen. Und sie machen eine Entdeckung: Der CT-Wert, der angibt, wie viel Zyklen notwendig waren, um das Virus in ihrer Probe sichtbar zu machen, liegt bei allen drei über dem Wert 34, bei Hartmann sogar über 38. Dabei ist die Virenmenge in diesem Bereich so gering, dass Fachleute davon ausgehen, dass die Person in diesem Fall nicht infektiös ist, also andere nicht anstecken kann. Und es gibt Labore, die einen Test bereits als negativ werten, wenn im Bereich von bis zu 35 Zyklen das Virus nicht sichtbar geworden ist – im MVZ dagegen gilt ein Test bis zu einem CT-Wert von 45 noch positiv.

Tests in Fulda

Bundesweit wurden seit Beginn der Erfassung bisher rund 37,4 Millionen PCR-Tests durchgeführt – davon waren rund 2,1 Millionen, also rund 5,5 Prozent positiv. Ist der Anteil der Positiven aufgrund der immensen Inzidenz-Werte in Fuldaer Testzentren spürbar höher?

In Fulda werden Tests vor allem im von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) betriebenen Testzentrum am Klinikum und beim Testcenter des DRK durchgeführt. Ausgewertet werden die Proben des KV-Zentrums beim großen überregionalen Laboranten Bioscientia, das DRK-Testcenter lässt im MVZ für Diagnostik, einer Tochter des Klinikums, analysieren. Insgesamt wurden im MVZ seit Mai 27 027 PCR-Untersuchungen durchgeführt. 1301, also knapp fünf Prozent der PCR-Untersuchungen, ergaben den Nachweis von Sars-CoV-2-RNA. Aus dem DRK-Testcenter wurden 2099 PCR-Tests untersucht, davon ergaben 119 oder rund 5,5 Prozent den Nachweis von Sars-CoV-2-RNA. Wenn man die bundesweite Entwicklung betrachtet, sind die Positiv-Zahlen aus der Region sogar geringer. In ganz Deutschland war in den vergangenen Wochen der Anteil der positiv Getesteten regelmäßig bei 10 bis 15 Prozent.

Der Leiter des DRK-Testzentrums, Philipp Adamietz, sagt: „Wir sind nicht daran interessiert, die Inzidenz nach oben zu treiben.“ Man habe ein zusätzliches regionales Angebot geschaffen – zum Beispiel für Menschen, die verreisen wollen. Das Angebot werde gut angenommen.

Der Leiter des Fuldaer Gesundheitsamts, Prof. Dr. Dirk Breitmeier, erklärt dazu: „Das Robert Koch-Institut (RKI) konnte unter Laborbedingungen zeigen, dass Coronaviren ab einem CT-Wert von 30 nicht mehr vermehrungsfähig sind, was auch gegen eine Ansteckungsgefahr durch diese Person, von der die Probe stammt, spricht. Allerdings wiesen Untersuchungen aus Großbritannien nach, dass Coronaviren selbst bei einem CT-Wert von 35 in acht Prozent der Fälle im Labor noch vermehrbar waren.“ Es gebe eben keinen standardisierten CT-Wert. Das Ergebnis sei auch immer im Zusammenhang mit möglichen Symptomen zu interpretieren. Es könne ja sein, dass der Betroffene ganz am Anfang einer Infektion stehe.

Video: Nach negativem Corona-Schnelltest nicht in Sicherheit wiegen

Für Hartmann und seine beiden Kollegen ist das ein schwacher Trost – zumal sich auch im Verlauf der Quarantäne keine Symptome zeigen und alle direkten Angehörigen, die getestet wurden, negativ waren. Was ihn besonders ärgert: Eine „Freitestung“ ist nicht möglich. Zwar hat er sofort beim Gesundheitsamt einen Antrag gestellt, einen zweiten Test durchführen zu lassen, doch die Erlaubnis, dafür seine Wohnung zu verlassen, hat er auch nach einer Woche Quarantäne noch nicht erhalten. Und unmissverständlich wurde ihm mitgeteilt: Selbst wenn dieser neue Test negativ sei, sei damit das Ergebnis des positiven Tests nicht aufgehoben.

„Da stimmt doch etwas im System nicht“, sagt Hartmann. Zumal durch den Verdienstausfall, der Leuten wie Hartmann erstattet wird, dem Staat immense Kosten entstehen. Hoffnung könnte nun eine diese Woche erschienene WHO-Leitlinie zu PCR-Tests bringen: Darin heißt es, dass eine sorgfältige Interpretation von schwach positiven Ergebnissen erforderlich ist und eine neue Probe entnommen werden sollte, wenn die Testergebnisse nicht mit dem klinischen Bild übereinstimmen. Das könnte zu einer Änderung der bisherigen Test-Praxis führen.

Die Frage, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen einer besonders sensiblen Test-Auswertung in Fulda und den hohen Fallzahlen, wird von offizieller Seite verneint. „Da wir nach den Standardvorgaben des RKI vorgehen, können wir keinen Zusammenhang erkennen“, sagt Gesundheitsamts-Chef Breitmeier. Gleiches gilt für das Klinikum, wo darauf verwiesen wird, dass der Großteil der Proben, die hier entnommen werden, gar nicht im MVZ ausgewertet werden, sondern beim Groß-Labor Bioscientia, das Tests aus der ganzen Republik analysiert.

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