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Schwimmkurs-Stau hält an - Kinder haben regelrecht Angst vor dem Wasser

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Von: Andreas Ungermann

Eltern, die während der Corona-Jahre ihren Kindern das Schwimmen beibringen lassen wollten, sind leidgeprüft. Die Nachfrage nach Kursen ist ungebrochen hoch und staut sich. Die Gründe dafür, dass Kinder nicht schwimmen können, sind vielfältig.

Fulda - Lange Wartelisten, unzählige Telefonversuche und intensive Online-Recherchen – oft ernüchternd. Eltern, die wollten, dass ihre Kinder schwimmen lernen, hatten es während Corona ob geschlossener Schwimmbäder schwer. Auch im Landkreis und in der Region Fulda.

Wartezeiten zogen sich in die Länge, angefangene Kurse mussten während Lockdown-Phasen unterbrochen werden, das in den ersten Kursstunden erworbene Können geriet in Vergessenheit (lesen Sie auch hier: Dieses Jahr öffnen alle Freibäder im Kreis Fulda - außer Bad Salzschlirf).

Corona in Fulda: Schwimmkurs-Stau hält an - Kinder haben Angst vor Wasser

Noch immer hält der Stau bei den Schwimmkursen an. „Um Weihnachten rum gingen die Anfragen zurück, und ich dachte, das Interesse lässt nach. Aber das war gar nicht der Fall; die Nachfrage hat wieder angezogen“, sagt Julian Leitsch, Leiter Ausbildung im Bezirksverband Osthessen der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG).

Wegen steigender Infektionszahlen seien die Eltern wohl einfach vorsichtiger gewesen, mutmaßt er. Jetzt aber seien die Kurse wieder stark in den Fokus gerückt und schnell ausgebucht – wie schon im Sommer 2021 (lesen Sie auch hier: Viel zu wenig Schwimmkurse in Fulda - Eltern und Kinder müssen sich gedulden).

Die ungebrochene Nachfrage zeigt: Der Stau bei den Schwimmkursen ist längst nicht abgebaut. Zwar hätten DLRG und RhönEnergie mit der Initiative Swim4You im Vorjahr rund 350 Kindern das Schwimmen beigebracht, allerdings sei bereits ein neues Ziel gesteckt: 1000 Kursteilnehmer sollen es Ende des Sommers sein.

„Wir heißen Bezirk Osthessen und sind für ganz Osthessen zuständig. Deshalb wollen wir mit unserem Angebot in die Fläche gehen“, konstatiert Leitsch. Will heißen: Fanden die Kurse 2021 noch in Fulda statt, so planen die Lebensretter nun auch Unterricht in den Bädern im Umland.

Schwimmabzeichen: Seepferdchen

Das Seepferdchen wird auch als Frühschwimmerabzeichen bezeichnet. Abgeprüft werden die Baderegeln (wie bei den anderen Schwimmabzeichen), ein Sprung vom Beckenrand und das Schwimmen über 25 Meter in Bauch- oder Rückenlage sowie das Heraufholen eines Gegenstandes aus schultertiefem Wasser. (Quelle: DLRG)

Und das in Kooperation mit privaten Schwimmschulen und Vereinen. Als Beispiel nennt Leitsch etwa die Bäder in Gersfeld, Flieden und Petersberg. Während die DLRG also ihr Angebot ausweiten will, berichtet Erik Bott, Vorsitzender der Wasserfreunde Fulda, hingegen von einem Wehrmutstropfen.

„Die Situation hat sich zwar etwas gebessert, aber trotzdem fehlt uns nach wie vor die Wasserfläche, um die Kurse in dem Maße anbieten zu können, wie wir sie anbieten müssten.“ Bestimmt 200 Anfragen seien offen, schätzt Bott grob, ohne in seine Unterlagen zu schauen.

Schwimmabzeichen: Bronze

Mit dem Deutschen Schwimmabzeichen in Bronze (Freischwimmer) ist die Rede von sicheren Schwimmern. Notwendig ist ein Kopfsprung vom Beckenrand und 15 Minuten Schwimmen. Zurückzulegen sind mindestens 200 Meter, davon 150 Meter in Bauch- oder Rückenlage, die anderen 50 Meter in der anderen Körperlage. Aus zwei Metern Tiefe ist ein Gegenstand heraufzuholen. Zudem muss ein Paketsprung vom Startblock oder Ein-Meter-Brett gezeigt werden. (Quelle: DLRG)

Größter Faktor in diesem Dilemma: Weiterhin ist das Caritas-Bad bei antonius geschlossen. „Ich kann das gut nachvollziehen. Weil es in erster Linie ein Bad für Menschen mit Behinderung ist, sind die Zugangsbeschränkungen schärfer.

Fakt ist aber, dass es für unsere Kurse das wichtigste Bad ist“, betont Bott, der zudem die anstehende Sommerpause im Sportbad Ziehers bedauert.

Wegen der Corona-Krise mit weitgehend geschlossenen Schwimmbädern sind Tausende von Anfängerkursen ins Wasser gefallen.
Wegen der Corona-Krise mit weitgehend geschlossenen Schwimmbädern sind Tausende von Anfängerkursen ins Wasser gefallen. © Uwe Anspach/dpa

„Dann sieht es bis zu den Sommerferien schlecht aus, und die liegen in diesem Jahr leider noch spät“, schildert der Vorsitzende der Wasserfreunde deren Problem.

Deshalb habe der Verein nun Kinder im Alter von sechs bis acht Jahren bevorzugt unterrichtet, weil diese in der Schule mit Wasser in Berührung kämen – es pressierte.

Schwimmabzeichen: Silber

Das Deutsche Schwimmabzeichen in Silber erfordert in der Theorie Kenntnisse über das Verhalten zur Selbstrettung (etwa bei Erschöpfung oder einem Krampf). Binnen 20 Minuten sind mindestens 400 Meter zurückzulegen mit einem Wechsel der Schwimmlage nach 300 Metern. Aus 2 Metern Wassertiefe muss der Prüfling zweimal einen Gegenstand an die Oberfläche holen. Hinzu kommen 10 Meter Streckentauchen und ein Sprung aus 3 Metern Höhe oder 2 verschiedene Sprünge aus einem Meter Höhe. (Quelle: DLRG)

Zu bedenken geben sowohl Bott als auch Leitsch, dass die eklatant hohen Zahlen Schwimmunfähiger, darunter nicht nur Kinder, nicht allein der Pandemie geschuldet seien. Das ist auch ein gesellschaftliches Problem, sind sie sich einig. Viele Eltern, die bisweilen selbst nicht schwimmen könnten, gingen mit den Kindern nicht mehr in die Bäder.

Das habe freilich Folgen: Zu Beginn der Schwimmkurse sei der Nachwuchs mitunter nicht ans Wasser gewöhnt, habe regelrechte Berührungsängste. „Viele Kinder sind sich der Tragfähigkeit des Elements Wasser nicht bewusst und verkrampfen. Das ist eine schwierige Ausgangslage“, sagt Bott.

Schwimmabzeichen: Gold

Für das goldene Schwimmabzeichen werden Kenntnisse über die Selbst- und Fremdhilfe bei Bade-, Boots- und Eisunfällen abgefragt. Ferner stehen ein Sprung vom Beckenrand und 30 Minuten schwimmen an – Lagenwechsel nach 650 Metern. Zudem werden ein Startsprung mit 25 Metern Kraulschwimmen, ein Startsprung mit 50 Metern Brustschwimmen in 1:15 Minute, zehn Meter Streckentauchen aus der Schwimmlage, dreimaliges Heraufholen eines Gegenstandes aus 2 Metern Tiefe, ein Sprung aus drei Metern Höhe oder 2 Sprünge aus einem Meter Höhe sowie 50 Meter Transportschwimmen gefordert. Die Rettungsschwimmabzeichen unterliegen eigenen Prüfungsordnungen. (Quelle: DLRG)

Er hält das Vertrauen zum Element für wichtig. Dass die Zahl der Bäder – häufig ob der hohen Kosten – rückläufig sei – trage ebenfalls nicht zur Verbesserung der Lage bei. Leitsch beklagt unterdessen, dass nach dem Seepferdchen die Übung auf der Strecke bleibe.

„Wer das Seepferdchen hat, ist noch kein sicherer Schwimmer, der kann sich nur über Wasser halten“, unterstreicht er, und Bott bestätigt: „Da kann man nicht von Schwimmen reden – schon eher ab dem bronzenen Schwimmabzeichen.“

Etwas Positives haben allerdings sowohl DLRG als auch Wasserfreunde doch zu vermelden. „Das eine oder andere Kind bleibt nach dem Kurs dabei“, berichtet Leitsch und Bott sagt: „Auch wenn es wegen Corona Austritte gab: Seit ich im Vorstand bin, habe ich noch nicht so viele Vereinseintritte erlebt.“

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