Es gibt wahrscheinlich nur wenige, die so viele Titer-Tests gemacht haben wie Leimbach. Sie war viele Jahre Facharzthelferin und arbeitet jetzt freiberuflich als Heilpraktikerin. Die Tests, die jedes Mal um die 25 Euro kosten, schickt sie zu dem Labor Bio-Diagnostik nach Iserlohn. „Den ersten Test habe ich noch vor der Corona-Infektion im April 2020 gemacht, weil ich eine starke Erkältung durchgemacht und mich in Italien aufgehalten hatte. Es war kein Corona und ich hatte keine Antikörper“, erklärt sie.
Im November 2020 infizierte sie sich mit Covid-19 und machte zwei Monate später erneut einen Titer-Test: Der Wert lag bei 184,3 U/ml. Am 14. April stieg er an auf 221,5 U/ml, und im Juni 2021 wurde ein Wert von größer als 250 U/ml festgestellt. „Bei diesem Labor ist der Referenzwert bei 0,8 U/ml. Wer mehr als 0,8 hat, der hat Antikörper im Blut“, betont Leimbach. Dass sie zukünftig ohne Impfung womöglich nicht mehr an Veranstaltungen, bei denen die 2G-Regel gilt, teilnehmen kann, findet sie fatal. Und auch wenn die 3G-Regel gilt – und sie ab dem 11. Oktober für die Tests selbst bezahlen muss – könne sie ihre Freizeit nicht mehr gestalten. „Wenn ich für jede Chorprobe einen Test zahlen muss, dann kann ich mir das nicht leisten.“
Wilhelm Christian Koch aus Petersberg hat ein ähnliches Problem: Auch er gilt trotz Antikörpern im Blut nicht als Genesener. „Ich bin beim Gesundheitsamt nicht registriert, weil ich die Infektion gar nicht groß bemerkt habe“, erklärt der 78-Jährige. Anfang 2021 hätten er und seine Frau eine Art Erkältung gehabt. Beim Arzt seien sie deswegen nicht gewesen. Als sie sich im April impfen lassen wollten, machten sie vorher einen Antikörper-Test. Das Ergebnis: Beide hatten Antikörper im Blut. „Nach Rücksprache mit dem Gesundheitsamt konnte mir aber kein Genesenen-Ausweis ausgestellt werden, da bei mir kein PCR-Test gemacht wurde und ein solcher Fall in der Bundesverordnung nicht vorgesehen ist“, erklärt der 78-Jährige.
Er ärgert sich, dass das eigene Immunsystem bei der Fragestellung, ob jemand als genesen gilt oder nicht, nicht berücksichtigt werde. „Ich halte die AHA-Regeln ein und lasse mich auch regelmäßig testen. Diese Tests brauchen nach neuer Bundesverordnung bei geimpften Personen nicht mehr durchgeführt zu werden, da sie angeblich keine Viren mehr verbreiten können. Das ist jedoch nach neuesten Studien nicht der Fall, sondern ein Trugschluss“, betont Koch. (Lesen Sie auch: Kein Zutritt für Ungeimpfte? Das sagen Gastronomen zum 2G-Modell)
Auch Geimpfte, die sich nicht testen lassen müssen, könnten das Virus verbreiten. Bei steigenen Corona-Fallzahlen wären aber vor allem die Nichtgeimpften der „Sündenbock“. „So entsteht eine Gesellschaft mit verschiedenen Bürgerrechten, eine Zweiklassengesellschaft“, sagt Koch.
Auch der Landkreis Fulda spricht sich dafür aus, dass das Robert Koch-Institut die Sechs-Monats-Regelung noch einmal überdenkt: „Aus meiner Sicht ist es dringend notwendig, dass das RKI eine Regelung trifft, um den Genesenenstatus für Personen zu verlängern, die vor mehr als sechs Monaten eine gesicherte Sars-CoV-2-Infektion durchgemacht haben und gleichzeitig noch immer einen hohen Antikörperwert haben“, erklärt Gesundheitsdezernent Frederik Schmitt (CDU) auf Nachfrage unserer Zeitung.