Handel mit gefälschten Corona-Impfpässen floriert: Polizei ermittelt sogar wegen Totschlags

Der illegale Handel mit gefälschten Corona-Impfausweisen floriert. Bundesweit beobachten Polizeibehörden rege Nachfrage von Impfgegnern. Auch in Hessen nimmt das Phänomen Fahrt auf.
Wiesbaden - Was haben Ex-Dschungelcamp-Kandidatin Christin Okpara und Ex-Werder-Bremen-Trainer Markus Anfang gemeinsam? Beide verloren ihren Job, weil sie gefälschte Corona-Impfausweise vorgelegt haben sollen. Die Polizei geht solchen Verdachtsfällen bundesweit inzwischen mit weit mehr als 12.000 Verfahren nach. Die Zahl sei vor allem im vergangenen Dezember in die Höhe geschnellt, berichteten Polizeibehörden der Bundesländer bei einer bundesweiten Umfrage der Deutschen Presse-Agentur.
Spitzenreiter ist demnach Bayern mit mehr als 4000 Verfahren und 5500 sichergestellten Impfpässen und -zertifikaten, gefolgt von Nordrhein-Westfalen mit mehr als 3500 Verfahren. Auch in Hessen häufen sich die Fälle: Dem Hessischen Landeskriminalamt (LKA) sind aktuell Verfahren in niedriger vierstelliger Anzahl bekannt. (Mit unserem Corona-Ticker für Hessen bleiben Sie immer auf dem Laufenden)
Corona in Hessen: Immer mehr gefälschte Impfpässe - 3G als Auslöser?
Wie das Innenministerium in Wiesbaden auf dpa-Anfrage mitteilte, ist eine Zunahme der Fälle seit der erstmaligen Einführung der 3G-Regel im Herbst 2021 erkennbar. Die Zahl der registrierten Sachverhalte spiegele jedoch nicht den Stand der bislang sichergestellten Impfpässe und Impfausweise wider, erläuterte das Ministerium. Diese liege deutlich höher.
Ende November hatte der Gesetzgeber die Strafbarkeit noch einmal klargestellt. Abschreckende Wirkung hatte dies anscheinend nicht: Die 3G-Pflicht in vielen Bereichen hat das Geschäft der Fälscher wohl erst richtig angekurbelt.
Im LKA wurde eine „Arbeitsgruppe Impfpässe“ eingerichtet, die alle in Hessen bekanntgewordenen Fälle erfasst, wie ein Ministeriumssprecher erklärte. „Dort werden die unterschiedlichen Vorgehensweisen der Fälscher zentral analysiert, um alle Polizeidienststellen aktuell über neue Entwicklungen bei diesem vergleichsweise neuen Phänomen zu informieren.“
Gefälschte Impfpässe fielen den Beamten häufig bei Kontrollen, als Zufallsfund bei anderen Ermittlungen oder nach einer Anzeige in die Hände, teilte das Ministerium mit. „Die Vertriebswege von gefälschten Impfpässen und Impfausweisen gestalten sich vielfältig, darunter fallen Messenger-Dienste sowie Internetforen.“ Dort fänden sich Impfskeptiker, Impfgegner und Menschen, die der Querdenkerszene zugeordnet werden können, in Echokammern wieder und informierten sich gegenseitig über gefälschte Impfnachweise und QR-Codes.
Falsche Corona-Impfpässe: Bundesweit über 12.000 Verfahren
Nutzern falscher Impfausweise droht dabei im Extremfall noch mehr als Jobverlust und eine Geld- oder Bewährungsstrafe wegen „Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse“: Nach einem Corona-Ausbruch mit drei Todesfällen in einem Pflegeheim im niedersächsischen Hildesheim ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen eine fristlos entlassene Mitarbeiterin der Einrichtung sogar wegen Totschlags. Die Frau soll mit einem gefälschten Impfpass im Heim gearbeitet haben, obwohl bei ihr zu Hause Familienmitglieder an Covid-19 erkrankt waren.
Anfang Dezember 2021 wurden bei einer Durchsuchung in Kassel insgesamt 800 Blanko-Impfausweise, Impfstoffaufkleber, verschiedene Stempel und weitere Fälscherutensilien sichergestellt. Einen Monat zuvor wurden bei einer Wohnungsdurchsuchung in Frankfurt/Main insgesamt 146 Blanko-Impfausweise gefunden.
Auch wurden Fälle von Ärzten bekannt, die ihren Patienten auf Wunsch nur den Aufkleber der Impfdosen in den Impfpass klebten, ohne den Impfstoff zu spritzen. Ihnen drohen inzwischen sogar bis zu fünf Jahre Haft. (Lesen Sie hier: 300 falsche Masken-Atteste: Verfahren gegen Ärzte aus Gersfeld ist komplexer als erwartet)
Der gelbe Impfpass nach den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation ist leicht zu manipulieren. Das Heftchen kann im Internet für wenige Euro bestellt werden. Die Stempel von Arztpraxen können ebenfalls leicht besorgt werden. Die Impfdosenaufkleber mit der Chargennummer sind inzwischen immerhin mit einem Wasserzeichen versehen - vor kurzem war das noch nicht der Fall.
Video: Immer mehr Ermittlungen aufgrund von gefälschten Impfpässen
Impfpass-Fälscher bieten bei Telegram inzwischen ein Komplett-Paket an: Das ausgefüllte Impfbuch kostet inklusive QR-Code 200 bis 300 Euro. Die betrügerischen Impf-Unwilligen, die sich eine Fälschung im Netz bestellen, haben aber keine Garantie, dass tatsächlich ein falscher Impfpass geliefert wird.
In den Apotheken, die den QR-Code für den digitalen Impfnachweis erstellen, kann inzwischen überprüft werden, ob Ort und Zeitpunkt der Impfung zu der Chargennummer im Impfpass passen. Das ist vielen Besitzern von Impfpässen offenbar noch nicht klar: Im Ruhrgebiet türmte eine 30-Jährige am Montag, als ihr vorgelegter Impfpass als gefälscht entlarvt wurde, aus der Apotheke - und ließ dabei ihren Personalausweis liegen. Gleiches Spiel wenige Kilometer entfernt in Unna: Der Mann mit falschem Impfpass verschwand eilig, ließ aber Kopien seiner Krankenkassenkarte und seines Personalausweises zurück. (dpa)