Von ihrer Mittagspause in einem anderen Café berichtet eine Kollegin. Dort wurde sie gefragt, ob sie denn geimpft sei. Als sie dies bejahte und fragte, ob sie denn auch ihren Nachweis zeigen soll, antwortete der Kellner: „Ich vertraue Ihnen da schon – ich bin nicht so der Kontrolleur.“
Bei einem Besuch im Museum wird die Situation absurd. Beim Zahlen des Eintritts fragt man gleich, wie alt ich bin – wieder mache ich mich 13 Jahre älter, was zu so viel Verwirrung führt, dass nach meinem Impfnachweis gar nicht mehr gefragt wird. Ich darf das Museum betreten. Wiederum frage ich bei der Museumsleitung nach. Auf die Situation angesprochen, lautet die Erklärung: „Die Kassenkraft lässt sich eigentlich immer den Nachweis zeigen, auch wenn es schwer zu kontrollieren ist.“ Die Leitung möchte die Mitarbeitenden darauf hinweisen, dass von nun an die Ausweise kontrolliert werden müssen. (Diese Corona-Regeln gelten in Hessen.)
Dann geht es in einen Friseursalon. Zwar setze ich schon reflexartig meine Maske auf, bevor ich den Salon betrete, doch als ich unter dem Waschbecken liege, kommt die Anweisung: „Nimm doch mal die Maske ab.“ Gesagt, getan. Während ich vor dem Spiegel sitze, tropft das Wasser aus meinen nassen Haaren auf den Umhang, der mir von einer Mitarbeiterin ohne Maske umgelegt wurde. An den anderen Plätzen unterhalten sich alle, wie man das beim Friseur eben so tut – allerdings tragen weder Gäste noch Mitarbeitende einen Mund- und Nasenschutz.
Als der Friseur kommt, frage ich, ob ich die Maske nicht wieder aufsetzen soll. „Nee, brauchst du nicht“, sagt er und fragt: „Du bist doch geimpft?“ „Jaja“, antworte ich möglichst provokant, um ihn dazu zu bringen, doch meinen Nachweis zu kontrollieren. Nichts. „Wir sind alle geimpft hier“, sagt er und redet schnell wieder davon, dass meine Spitzen dringend häufiger eine Schere sehen sollten. Also sitze ich gut 20 Minuten ohne Maske im Salon.
Nach dem Schnitt frage ich, warum niemand meinen Impfstatus kontrolliert hat. „Das machen wir eigentlich immer, sogar mit Ausweis... Wir sind alle geimpft, auch alle Mitarbeiter“, erklärt der Friseur erneut. Ich glaube ihm sogar. Aber tatsächlich kann sich niemand von uns beiden über den Impfstatus des anderen sicher sein – denn Kontrollen gab es keine. Ihm ist es reichlich unangenehm, dass ich ihn darauf anspreche. Dass er aber weiß, dass ein Ausweis zur Kontrolle gehört, überrascht mich. Hier hätte ich heute noch nicht einmal einen fremden Impfnachweis gebraucht, um mir die Haare schneiden zu lassen.
Zu körpernahen Dienstleistungen zählen auch kosmetische Angebote. Deshalb habe ich mir eine Pediküre vorgenommen. Als ich herein komme, bittet sie mich sogleich nach hinten durch. Die Kosmetikerin trägt die Maske unter der Nase. Dort soll ich Schuhe und Socken ausziehen und die Füße in das blaugefärbte Wasser tauchen. Für etwa eine halbe Stunde nimmt sich die Frau meiner geschundenen Füße an, knipst und schnipst und massiert – während ihre Maske immer tiefer rutscht.
Als meine Füße endlich vorzeigbar sind, geht es an die Bezahlung. Bis hierhin hat niemand nach einem der drei Gs gefragt. Also frage ich: „Wissen Sie, dass Sie nach dem Nachweis fragen müssen?“ „Ja, normalerweise immer“, sagt sie und holt ein Formular aus einer Schublade. „Aber Sie haben ja nicht gefragt“, hake ich nach. „Ja, ich mache das eigentlich immer.“ Eigentlich.
Später reserviere ich einen Tisch in einem Restaurant. „Sind Sie denn auch“, fragt der Wirt und macht eine dramatische Pause und schaut mich intensiv an, „geimpft?“ „Natürlich“, erwidere ich und gebe für die Reservierung den Namen der Person an, deren Nachweis ich mir über die App gesichert hatte. Als ich am Abend ankomme, möchte die Bedienung meinen Nachweis sehen. Ich öffne die App, sie schaut auf den Namen und das Muster des QR-Codes. In diesem Fall hätte sogar ein Screenshot gereicht, denn über das Display wischt sie nicht. Ich esse Pasta und trinke zum Abschluss. Nach dem Zahlen verabschiedet mich die Bedienung – wieder mit dem Vornamen der Person, die mir für die Geschichte ihren Nachweis zur Verfügung gestellt hat.
Erneut rufe ich im Restaurant an, um mich zu erkundigen, ob die Bedienung überhaupt wusste, dass sie auch den Ausweis kontrollieren muss. Anstelle einer Antwort werde ich beschimpft – bekomme aber vorher noch die Ansage vom Geschäftsführer: „Ich bin kein Polizist.“
Die Fuldaer Zeitung hat bei Steffen Ackermann, dem Vorsitzenden des Dehoga-Kreisverbandes Fulda, nachgefragt, wie Gastronomen mit der Kontrolle von Corona-Impfnachweisen zurechtkommen:
Wie wird in der Gastronomie und in der Hotellerie die Aufforderung zur Nachweis- und Ausweiskontrolle aufgenommen?
Nach wie vor ist es für Wirte ein befremdliches Gefühl, nach Nachweis und Ausweis zu fragen. Wir sind ja Gastgeber und keine Ordnungshüter. Die meisten Wirte fragen aber trotzdem. Und wir stehen als Verband dahinter.
Ist es überhaupt umsetzbar, zusätzlich zum Impf- oder Genesenenstatus auch noch ein Ausweisdokument zu kontrollieren?
In der Hotellerie kontrolliert man ja sowieso die Identität der Gäste. Es ist in der Gastronomie zwar immer ein Arbeitsschritt mehr, aber es ist umsetzbar. Große Betriebe haben dafür schon Personal abgestellt, in kleinen Betrieben wird entweder am Tisch oder bereits vorne am Eingang kontrolliert. Schließlich hilft das Kontrollieren ja auch, möglichst schnell aus der Pandemie herauszukommen.
Was ist aus Ihrer Sicht möglich, um möglichen Missbrauch des QR-Codes zu verhindern?
Um wirklich zu 100 Prozent sicher zu sein, muss halt ein Ausweisdokument gezeigt werden.