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Nachfrage nach Haustieren boomt in Corona-Krise: Tierschützer befürchten nach der Pandemie eine Rückgabewelle

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Von: Michel Ickler

Viele Menschen wünschen sich während der Pandemie einen tierischen Gefährten.
Viele Menschen wünschen sich während der Pandemie einen tierischen Gefährten. © Silke Heyer/dpa

Viele Menschen wünschen sich während der Pandemie einen tierischen Gefährten. Die Nachfrage nach Haustieren boomt, doch einige Interessenten handeln vorschnell. Tierschützer befürchten nach Corona eine Rückgabewelle. 

Fulda/Gelnhausen - „Wir sind so gut wie leergefegt“, berichtet Silke Gramatzki-Wieczorek vom Verein Verantwortung Leben. Eine zu vermittelnde Katze wurde binnen weniger Tage 7500 Mal im Internet angeklickt. Vor Bewerbungen können sich Vereine und Tierheime kaum retten. „Wir bekommen täglich bis zu 100 Anfragen mit langen Texten“, sagt Corina Wink, Vorsitzende des Tierheims Gelnhausen. Der Grund: Corona.

Corona-Krise: Nachfrage nach Haustieren boomt - Tierschützer befürchten eine Rückgabewelle

Die Menschen sehnen sich in Zeiten der Pandemie nach einer Beschäftigung. Schnell fällt der Blick auf einen vierbeinigen Weggefährten. Eine Entscheidung, die in vielen Fällen nicht durchdacht ist. „Bei uns steht das Tierwohl an oberster Stelle. Wir sind nicht heiß darauf, ein Tier auf Teufel komm raus zu vermitteln“, erklärt die 45-jährige Wink. Wie auch bei Verantwortung Leben müssen sich Interessenten einer gewissen Prüfung unterziehen. Mit gezielten Fragen wird schnell klar, ob die jeweilige Person für das Tier geeignet ist oder nicht. „Eine Person wollte einen Labrador, war für uns aber nicht geeignet. Trotzdem wollte sie uns 3000 Euro für das Tier zahlen. Ums Geld geht es uns aber nicht“, sagt Gramatzki-Wieczorek.

Wie verzweifelt Menschen nach einem Haustier suchen, zeigt eine Studie der Tierschutzorganisation Tasso. Wurden im Juni 2019 etwa 31.400 Hunde bei Tasso neu registriert, waren es im Juni 2020 mehr als 39.000. Das ist ein Zuwachs von rund 25 Prozent. „Neuste Zahlen liegen mir noch nicht vor, einen ähnlichen Zuwachs haben wir aber auch im Herbst im Verband für das Deutsche Hundewesen wahrgenommen“, sagt Geschäftsführer Jörg Bartscherer auf Nachfrage und ergänzt. „Unsere Züchter können die Vielzahl der Anfragen nicht mehr bewältigen.“

Video: Hype um Haustiere: Überlegte Anschaffung in Corona-Zeiten?

Damit einher geht ein geringes Angebot für Vierbeiner. Das illegale Welpengeschäft boomt, die Preise schnellen in die Höhe. Dies zeigt ein Blick auf Internetseiten wie eBay-Kleinanzeigen. Genau diese Entwicklung bereitet Tierschützern Kopfzerbrechen. „Wenn wir Interessierten kein Tier vermitteln, weil sie unserer Meinung nach für ein Haustier nicht geeignet sind, erhalten sie oft auf einfachste Weise ein Lebewesen über diverse Internetseiten“, ärgert sich Wink. Vielen dieser Menschen werde erst nach dem Lockdown klar, dass sie gar keine Zeit für das Tier haben - und geben es zurück.

Silke Gramatzki-Wieczorek: Die erhöhte Rückgabe nach der Pandemie wird kommen

„Die erhöhte Rückgabe nach der Pandemie wird kommen. Da sind sich alle Tierschützer sicher“, sagt Gramatzki-Wieczorek und wird durch Wink, Bartscherer und den Tierschutzverein Fulda bestätigt. „Menschen, die bereits lange mit dem Gedanken gespielt haben und sich jetzt einen Hund zulegen wollen, können wir ohne Bedenken das Tier vermitteln“, erklärt die Geschäftsführerin des Tierheims Gelnhausen. Anders sehe es bei spontanen Entscheidungen aus. Was dabei oft zu kurz kommt: „Die Vierbeiner sind kein Spielzeug auf Zeit - es sind Lebewesen“, bekräftigt Wink.

3 Fragen an Luca Remmert, Mitglied des Tierschutzvereins Fulda

Was bedeutet es, sich ein Haustier zuzulegen?

Ein Haustier zu haben, bedeutet eine große Verantwortung - ein Tierleben lang. Sie haben nur ihre Besitzer und möchten am Familienleben teilhaben. Es liegt an den Haltern, sich im Vorfeld über die Bedürfnisse der Tiere zu informieren und sich zu überlegen, welchen Ansprüchen man gerecht werden kann. So gilt zum Beispiel, dass die allermeisten Heimtierarten sehr soziale Tiere sind und Kontakt zu Artgenossen brauchen. Gerade in der aktuellen Lage merken auch viele Menschen, wie sehr ihnen der soziale Kontakt fehlt. Vielen Heimtieren wurde oder wird jedoch auf Lebenszeit soziale Isolation aufgebürdet. Dass dies nicht im Sinne der Tiere sein kann, ist nachvollziehbar. Daher ist eine der wichtigsten Aufgaben von Tierschützern die Aufklärung. 

Hilft ein Tier gegen Einsamkeit?

Definitiv ja! Aber auch ein Tier kann einsam sein. Ein Tier zu haben, bedeutet eine Verantwortung bis zum Lebensende des Familienmitgliedes. Auch nach der Corona-Pandemie möchten die Tiere weiterhin Zeit mit uns verbringen und nicht stundenlang alleine Zuhause sein. Ein Tier aus rein egoistischen Bedürfnissen aufzunehmen, ist nicht im Interesse des Tieres. Ist die Aufnahme von Tieren langfristig durchdacht, ist es jedoch egal, ob gerade Pandemie ist oder nicht. Dann werden Mensch und Tier lange Freude am Zusammenleben haben.

Haben Sie eine erhöhte Nachfrage während der Pandemie registriert? 

In der Zeit der Corona-Pandemie erreichte uns eine erhöhte Anfrage nach Katzen. Einige der Interessenten hatten sich im Vorfeld sehr gut informiert und wussten, was auf sie zukommt, wenn ein neues Familienmitglied einziehen wird. Diese Interessenten verstehen zum Beispiel auch, dass wir unser Bestes geben, das passende Tier für die individuelle Situation zu finden. Denn Katze ist nicht gleich Katze. Jede hat ihre eigenen Bedürfnisse. Andere wiederum schienen sich nicht informiert zu haben, sondern handelten aus der aktuellen Situation heraus. Was nach dem Homeoffice mit dem Tier passieren sollte oder welche Gedanken sich bezüglich der Bedürfnisse des Tieres gemacht wurden, blieb oft unbeantwortet.

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