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Corona-Singers treffen sich zum 500. Mal - Pandemie macht aus Nachbarinnen Gesangs-Freundinnen

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Bereits zum 500. Mal sangen Marianne Bott (von links), Verena Gass, Martin Eberhardt, Erika Kirchner, und Maude von Bauer (vorne) am Mittwochabend gemeinsam in Hilders.
Bereits zum 500. Mal sangen Marianne Bott (von links), Verena Gass, Martin Eberhardt, Erika Kirchner und Maude von Bauer (vorne) am Mittwochabend gemeinsam in Hilders. © Albert Kirchner

Zwei Nachbarinnen sind durch Corona zu Gesangs-Freundinnen geworden. Seit Beginn der Pandemie singen Verena Gass (50) und Erika Kirchner (69) fast täglich um 18 Uhr zusammen - nun bereits zum 500. Mal.

Hilders - Angefangen hat alles im März 2020 mit dem Aufruf der evangelischen Kirche, jeden Tag das Lied „Der Mond ist aufgegangen“ zu singen - ganz nach dem Vorbild eines Balkon-Singens in Italien. Erika Kirchner aus Hilders (Kreis Fulda) kam dem nach und sang das Lied draußen vor ihrem Haus. Dort stieg ihre Ihre Nachbarin Verena Gass kurzerhand mit ein.

„Irgendwo in der Straße hat dann auch noch dazu jemand Trompete gespielt“, erinnert sich Kirchner. „Wir wollten aber nicht immer das gleiche Lied singen, weswegen wir uns nach dem zweiten Mal dafür entschieden haben, andere Stücke auszuprobieren“, sagt Gass. Und das tun die beiden Hilderserinnen bis heute: Am Mittwochabend sangen sie zum 500. Mal gemeinsam.

Corona-Pandemie macht aus Nachbarinnen Gesangs-Freundinnen

Seit dem ersten Mal hat sich allerdings ein bisschen was verändert: Anfangs waren es nur Gass und Kirchner. Doch ihr tägliches Singen abends um 18 Uhr sprach sich herum und zog weite Kreise. Auch die Fuldaer Zeitung berichtete bereits im Januar 2021 über die „Corona-Singers“.

„Im Frühjahr 2021 kamen Marianne Bott (65) und Martin Eberhardt (58) auf mich zu und fragten, ob sie mitsingen dürften. Ich kannte die beiden vorher gar nicht“, erinnert sich Gass. Im Sommer 2021 sei noch eine weitere Sängerin dazugekommen: die 99-jährige Nachbarin Maude von Bauer, die gerne mitsingen wollte. „Seitdem singen wir zu dritt, viert oder fünf“, so Kirchner. Der „harte Kern“ seien aber sie, Gass und ihre 99-jährige Nachbarin. „Marianne hatte in den Sommermonaten nicht immer Zeit, Martin kommt aber fast jeden Tag extra aus Lahrbach mit seinem Motorrad, um die fünf Minuten mit uns zu singen“, fügt Gass hinzu.

Seit dem Spätsommer 2021 singt die Gruppe nicht mehr auf dem Bürgersteig in Hilders, sondern auf der Terrasse von von Bauer. „Wir wollten nicht, dass sie bei schlechtem Wetter hierher kommen muss. Für sie ist es auf ihrer Terrasse angenehmer, wo sie gemütlich und warm im Rollstuhl sitzen kann“, erklärt Kirchner. Und so singen sie dort jeden Tag, sofern es passt, gemeinsam um 18 Uhr ein Lied. „Wir schaffen es natürlich nicht jeden Tag, aber wir versuchen es“, erläutert Kirchner.

Pandemie-Ritual

Auch in Petersberg hatte eine Gruppe von Nachbarn in der Brüder-Grimm-Straße in der Corona-Zeit ein Ritual entwickelt. Sie trafen sich regelmäßig um 18 Uhr auf der Straße, um gemeinsam zu musizieren.

„Für Maude ist das ein Highlight. Sie ist immer ganz traurig, wenn wir es mal nicht schaffen. Im Sommer, als wir uns aufgrund von Urlauben zwei Wochen nicht getroffen haben, hat sie in der Zeit alleine aus ihrem Liederbuch weitergesungen“, berichtet Gass. Für alle fünf Corona-Singers ist das 18-Uhr-Lied eine liebgewonnene Gewohnheit geworden.

Es sind Freundschaften zwischen den Sängerinnen und dem Sänger entstanden: Geburtstage werden zusammen gefeiert und nach dem Singen wird gerne noch ein kurzes Schwätzchen gehalten. Außerdem sind weitere gemeinsame Projekte aus dem Corona-Singen hervorgegangen. „Wir haben Konzerte in der Kirche in Habel gegeben“, berichtet Gass.

Video: Mutmacher in der Corona-Krise - Petersberger musizieren zusammen (Archiv)

Obwohl sie nun bereits zum 500. Mal gesungen haben - Kirchner führt darüber Buch - gehen der Gruppe die Lieder nicht aus. „Wir singen alles Mögliche: Mal sind es Lieder aus den Gesangsbüchern - das katholische Gotteslob und das Evangelische Gesangbuch EGplus - und mal sind es Volkslieder“, sagt Kirchner. Auch Schlagerlieder wie „Schuld war nur der Bossa Nova“ umfasst ihr Repertoire. „Das ist dann etwas zackigeres“, sagt sie schmunzelnd. Für ihre Darbietungen hätten die Sängerinnen schon mehrfach Applaus aus der Straße bekommen.

„Einmal, als wir Schlager anstimmten, haben zwei Männer einfach spontan mit uns gesungen“, berichtet Gass. Kirchner ergänzt: „Eine Nachbarin hat sogar Geld in meinen Briefkasten geworfen und uns dafür gelobt, dass wir schon so lange durchhalten und weitersingen. Davon kauften wir eine Runde Eis für uns alle und aßen es gemeinsam vor dem Haus.“

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