Corona-Krise: Was macht „Social Distancing“ mit der Psyche?

Dr. Solveigh Hilliard von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Fulda klärt in unserer Kolumne „Aus ärztlicher Sicht“ auf: Welche psychologischen Folgen hat „Social Distancing“?
- Social-Distancing kann zu Isolation und Vereinsamung führen
- Coronavirus-Krise fordert zum Umdenken auf
- Macht Verunsicherung empfänglich für Verschwörungstheorien?
Fulda - „Menschen haben Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus, fühlen sich durch das ‚Social Distancing‘ zunehmend isoliert und vereinsamt. Sie erleben vermehrte Konflikte aufgrund von Stress und Anspannung in einer Situation, die besonders zu Beginn der Pandemie in ihrem Ausmaß und ihrer Bedrohlichkeit schwer einzuschätzen war und deshalb ein starkes Gefühl der Verunsicherung auslöst.

Diese Verunsicherung kann empfänglich machen für Verschwörungstheorien, die einen ‚Gegner‘ greifbar erscheinen lassen und vermeintlich Sicherheit und Gewissheit vermitteln. Dennoch ist derzeit glücklicherweise nicht festzustellen, dass es zu einer spürbaren Verschlechterung psychischer Erkrankungen und damit einhergehend mit Engpasssituationen in der Versorgung der Menschen mit psychischen Erkrankungen gekommen ist.
Coronavirus für psychisch stabile Menschen extreme Belastung
Wenn Angehörige am SARS-2-Virus schwer erkranken oder gar versterben, oder wenn die eigene wirtschaftliche Existenz in Frage gestellt ist, ist das auch für psychisch stabile Menschen eine extreme Belastung.
Menschen aus Selbsthilfegruppen berichten von Schwierigkeiten, ihre Stabilität ohne die persönliche Unterstützung der Gruppe aufrechterhalten zu können. Insbesondere das Gefühl von Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein können traurig machen oder wütend. Daher kann aktives Herangehen an die Krise helfen, diese besser zu überstehen. Und sei es nur, dass man Mund-Nasen-Schutz (MNS) trägt und die Abstandsregeln einhält; oder für einen Nachbarn einkaufen geht.
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In der Corona-Krise: Klinikum Fulda ist Hilfe für psychisch kranke Menschen
Die Corona-Krise fordert uns zum Umdenken, zum Heraustreten aus alten Gewohnheiten und Bequemlichkeiten. Dann zeigt sich aber auch, dass wir mit Umsicht, Rücksichtnahme und mit der bewussten Übernahme von Verantwortung Schlimmeres verhüten können und wie sehr wir Menschen auf gegenseitige Unterstützung angewiesen sind und wie gut diese tut.
So vielfältig wie die Menschen und ihre Probleme sind, so vielfältig sind die Reaktionen darauf. Eines ist jedoch für alle deutlich geworden: Es ist gut, dass wir verantwortungsvoll füreinander da sind und dass unsere Kliniken professionell weiter arbeiten und für psychisch kranke Menschen zur Verfügung stehen können, dies nicht zuletzt dank der umsichtigen Einhaltung der Hygieneregeln durch alle.“
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