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Hitzige Debatten nach Corona-„Spaziergang“ in Fulda: Ermittlungen gegen einen Demonstranten und einen Beamten

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Von: Volker Nies, Sarah Malkmus

Der jüngste „Spaziergang“ von Kritikern der Corona-Maßnahmen am Montagabend in Fulda sorgt für hitzige Debatten. Diskutiert wird über die hohe Zahlen der Teilnehmer - mit 1000 Menschen war es die größte Demo in Hessen - und über einen Polizeieinsatz in der Innenstadt.

Fulda - „Zurück oder Pfeffer!“, rufen Polizisten einer Gruppe von „Spaziergängern“ zu. Das ist in einem drei Minuten langen Video zu sehen, das Szenen von den Ausschreitungen beim Corona-„Spaziergang“ am Montagabend zeigt und das am Dienstag in Fulda die Runde machte. Etwa 20 Demonstranten und eine gleiche Zahl von Beamten stehen sich an der Ecke Bahnhofstraße/Heinrichstraße gegenüber. Die Teilnehmer haben einen Streifenwagen umringt.

Ein Beamter ruft weiter: „Zurück! Zurück jetzt!“ Doch die Demonstranten weichen nicht. Kurz darauf sieht man, wie ein Beamter etwas sprüht - vermutlich Pfefferspray -, und eine Person am Boden liegt. Beteiligte rufen nach Wasser - vermutlich, weil einer Pfefferspray in die Augen bekommen hat. Die Polizei fordert die Protestler weiter auf, zurückzugehen. Aber diese bleiben stehen.

Corona-„Spaziergang“ in Fulda: Hitzige Debatten um Pfefferspray-Einsatz

Am Tag danach werfen Kritiker - auch in E-Mails an unsere Zeitung - der Polizei vor, sie habe unnötig Gewalt eingesetzt. Klar ist: Die Bilder zeigen nur einen kleinen Ausschnitt der Konfrontation. Eine Kette aus Bereitschaftspolizisten hatte sich hier postiert, um die „Spaziergänger“ aufzuhalten und die Versammlung aufzulösen, da Corona-Auflagen nicht eingehalten worden waren.

Die Demonstranten waren vom Heinrich-von-Bibra-Platz gekommen und hatten die mehrfach über Lautsprecher gerufenen Aufforderung, Abstand zu halten und Masken zu tragen, ignoriert.

Polizei Fulda weist Kritik an Demo-Einsatz zurück

Polizeisprecher Dominik Möller weist die Kritik am Tag nach dem Einsatz zurück: „In der Situation griff einer der Teilnehmer einen Polizeibeamten an, sodass zur Abwehr des Angriffs Pfefferspray gegen die Person eingesetzt werden musste. Ein 35-jähriger Mann aus Neuhof war zuvor vorläufig festgenommen worden, da er die polizeilichen Maßnahmen störte und einen Beamten tätlich angriff.“ Zur Zahl der insgesamt eingesetzten Beamten sagt Möller nichts. Das ist bei solchen Einsatz durchaus üblich.

Die Polizei will die Umstände des Einsatzes jetzt genau aufklären. „Dabei werden wir auch Videos auswerten“, sagt Polizeisprecher Möller. „Eine Bewertung einzelner Maßnahmen ist erst möglich, wenn wir ein Gesamtbild der Situation gewonnen haben.“

Die Polizei hat in Fulda einen sogenannten Montagsspaziergang gestoppt.
Bei einem Corona-„Spaziergang“ in Fulda war es am Montag zu Ausschreitungen gekommen. © Fuldamedia

Ermittelt wird gegen den 35-Jährigen aus Neuhof, aber auch gegen den Polizeibeamten, der das Pfefferspray einsetzte: „Uns liegt mittlerweile eine Anzeige gegen eine Einsatzkraft vor wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt“, berichtet Möller.

Zimperlich waren die Demonstranten nicht, wie das Video zeigt. Sie rufen den Polizeibeamten zu: „Euch will ich mal sehen, wenn sich alle erheben“, „Ihr werdet alle fallen, alle“ und: „Ohne Knüppel seid ihr nichts.“

Anwalt Rudolf Karras: Pfefferspray wohl zulässig

Rudolf Karras, einer der erfahrensten Fuldaer Strafverteidiger, hat das Video gesehen. „Es ist immer schwer, einen Videoausschnitt zu beurteilen, der nie das ganze Geschehen erfasst. Es war wohl keine angemeldete Demonstration, und es bestand eine polizeiliche Sperrlinie. Nicht ganz klar ist, ob diese Linie durch die Demonstranten durchbrochen werden sollte.“

Wenn das der Fall gewesen wäre, so sei ein Angriff auf Vollstreckungsbeamte gegeben. „Wenn das nicht der Fall war, war kein Angriff gegeben. Davon hängt aber die Zulässigkeit des Einsatzes der Spraywaffe ab, die wohl einer der Polizisten einsetzte. Ob eine Ankündigung erfolgte oder diese im Geschrei unterging, ist unklar. Mangels unmittelbarer Lebensgefahr, die nicht zu erkennen ist, wäre wohl die Ankündigung nötig. Doch dass die Beamten davon ausgingen, dass die Personen mit Anlauf auf sie zustürmen, wird nicht zu widerlegen sein. Dann ist Pfefferspray wohl zulässig.“

Landkreis und Stadt Fulda sehen Corona-„Spaziergänge“ kritisch

Zu der Konfrontation war es auch deshalb gekommen, weil Stadt und die Polizei die „Spaziergänge“ seit kurzem anders bewerten. Johannes Heller, Sprecher der Stadt Fulda, erklärt: „In Abstimmung mit der Polizei werden die Zusammenkünfte an den Montagen aufgrund ihres Erscheinungsbildes seit vergangener Woche als unangemeldete Demonstration oder Versammlungen gewertet.“

Auch Landrat Bernd Woide (CDU) sieht die „Spaziergänge“ kritisch: Es sei absolut nicht zu tolerieren, die Polizei anzugreifen oder aggressiv aufzutreten. „Ich appelliere an alle Teilnehmer solcher Versammlungen, sich von aggressiven Personen zu distanzieren. Diese Menschen diskreditieren alle, die sich friedlich versammeln.“

Dem schließt sich Fuldas Bürgermeister Dag Wehner (CDU) an: „Was hier als ,Spaziergang‘ oder ,zufälliges Treffen‘ inszeniert wird, ist nichts anderes als der Versuch, das Versammlungsrecht, das auch mit entsprechenden Auflagen für eine Kundgebung oder einen Demonstrationszug einhergehen kann, zu umgehen beziehungsweise auszuhebeln.“

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