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Ernüchterung nach erster Begeisterung: Gemeindevertreter geben trotzdem Go für Smart-City

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Von: Volker Nies

Bei einem Unfall mit seinem E-Bike verletzte sich ein Senior tödlich.
In Mobilitätsstationen sollen E-Bikes angesiedelt werden, die sich die Bürger ausleihen können. (Symbolbild) © Stefan Sauer/dpa/Symbolbild

Elf Millionen Euro Fördermittel für eine digitalere Gemeinde erhält Eichenzell in den nächsten Jahren vom Bund. In welche Vorhaben das Geld fließen soll, haben die Gemeindevertreter jetzt einstimmig beschlossen. Dennoch ist bei ihnen die erste Begeisterung einer Ernüchterung gewichen.

Eichenzell - „Der Elan ist verpufft, weil Smart City ein Experiment ist“, sagte SPD-Fraktionschef Lutz Köhler in der jüngsten Sitzung der Gemeindevertreter. „Der Bund will, dass wir uns die Handlungsfelder selbst aussuchen. Das bedeutet aber, dass wir erst einmal nur große Überschriften haben“, bedauerte Köhler. Die Einzelprojekte seien sinnvoll.

Eichenzell wird Smart City: Gemeindevertreter beschließen konkrete Investitionen

Sehr kritisch äußerte sich FDP-Fraktionschef Claus-Dieter Schad. Viele Teilideen seien „exotisch oder experimentell“. Schad monierte: „Schaut man sich die 180 Seiten der Eichenzeller Smart City Strategie näher an, stellt man fest, dass diese Papiere von verbalem Prosa geradezu überschwemmt sind.“

Aus dem Eichenzeller Schlösschen heißt es dazu nur lapidar: „Das will der Fördermittelgeber so.“ Man dürfe nicht vergessen, dass Eichenzell 35 Prozent Eigenanteil tragen müsse. „Brauchen wir wirklich für viel Geld Bodensensoren auf dem Parkplatz, um in einer App zukünftig abfragen zu können, ob ein Parkplatz frei ist? Brauchen wir in allen Ortsteilen Mobilitätsstationen mit Sitzgelegenheit, Paketstation und Getränkeautomat?“ Alle Teilprojekte der Gemeinde im Landkreis Fulda müssten überprüft werden.

Projekte

Mehr als 30 Projekte sieht die Umsetzungsstrategie der Gemeinde vor. Alle haben das Ziel, die Lebensqualität der Eichenzeller Bürger zu verbessern.

Mit dem Starkregenfrühwarnsystem soll bereits frühzeitig erkannt werden, wo und wann es zu starkem Niederschlag und Gefahrensituationen kommt. Dies erfolgt durch Sensoren, die an ausgewählten Orten in der ganzen Gemeinde angebracht werden.

In Mobilitätsstationen sollen E-Bikes angesiedelt werden, die sich die Bürger ausleihen können. In jedem der zehn Ortsteile soll eine Station entstehen, um problemlos vom Auto auf Fahrrad, Bus oder Bahn umzusteigen.

Ein weiteres Mobilitätsangebot ist das Eichenzell-Shuttle. Wer von A nach B kommen will, kann sich das Shuttle ähnlich wie ein Taxi bestellen und Route und Fahrgäste werden flexibel abgestimmt.

Damit jeder die neuen Angebote nutzen kann, werden Digitalisierungskurse angeboten. Für dieses Jahr sind bereits alle Kurse ausgebucht

Schon jetzt sehr gefragt ist die Eichenzell App. Smart City-Projekte wie das Eichenzell-Shuttle oder das Starkregenfrühwarnsystem und Behördenangebote werden über die App einsehbar und steuerbar sein.

CWE-Fraktionschef Alfons Schäfer hingegen lobte, die Projekte würden die Lebensqualität der Eichenzeller verbessern. Zudem werde durch die Projekte die Umwelt geschont und die Sicherheit der Bürger erhöht.

Positiv sah auch CDU-Fraktionschef Julian Rudolf das Vorhaben. Die Arbeit sei mit dem Beschluss des Smart-City-Strategie aber nicht beendet. Nach Auffassung der CDU-Fraktion sei das volle Potential des Programms aber noch nicht ausgeschöpft. Es sei deshalb gut, dass die Gemeindevertreter beschlossen, dass sich ein Ausschuss der Gemeindevertretung in Zukunft intensiv mit dem Smart-City-Projekt befasse.

Eichenzell: Ausschuss soll sich mit Smart City Millionen-Projekt befassen

Die Bürgerliste stimmte für die Strategie, doch Fraktionschef Joachim Weber verließ die Smart-City-Kommission aus Protest. Er sagte nach der Sitzung: „Die Smart-City-Kommission ist ein Rechtfertigungsgremium des Bürgermeisters. Ein kritisches Hinterfragen und Diskutieren von Inhalten ist nicht wirklich erwünscht. Wesentliche Entscheidungen finden ohne die Kommission statt.“

Die ganze Ausrichtung des Projekts ist aus seiner Sicht mangelhaft: „Die Smart City ist in einer Schieflage, bevor sie begonnen hat.“ Im Bereich Wirtschaft seien keine umsetzbaren Ideen übriggeblieben, ein 3,4-Millionen-Euro-Auftrag sei fehlerhaft vergeben worden, die Beschreibungen zu Teilprojekten seien „teilweise ohne jeglichen Realitätssinn und Bodenhaftung“, äußert Weber. Daher sei es gut, dass jetzt ein Ausschuss der Gemeindevertretung alle wesentlichen Entscheidungen treffe.

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