Denn aus dem „nebenbei Nägel herstellen“ ist ein Betrieb mit 22 Mitarbeitern geworden. Die Schiebelhuts haben sich über die Jahrzehnte mit viel Erfahrung von einem Zulieferer der Abtsrodaer Palettenfabrikation zu einem der bundesweit wichtigsten Betriebe der Branche entwickelt: Rund 60 Prozent der hierzulande hergestellten Palettennägel kommen aus dem Einhundert-Einwohner-Dorf Dietges.
Wer meint, dass Nägel ein Allerweltsartikel sind, den sozusagen jeder herstellen kann, liegt falsch. Denn auch wenn die Anfänge der Produktion in einer ungenutzten Scheune liegen: Das Produkt verlangt Präzision im Zehntelmillimeterbereich. Denn die Paletten, ob in Abtsroda, Amberg oder jenseits von Anklam, werden ja nicht von unterarmstarken Männern Stück für Stück zusammengenagelt, sondern werden hochgradig automatisiert gefertigt. „Wenn ein Nagel auch nur minimal krumm wäre oder der Kopf nicht exakt in der Mitte es Stifts säße, gäbe es eine Störung – und das wäre verflixt teuer.“ Dirk Schiebelhut ist stolz darauf, dass seine „Nagelbude“ dafür gerade steht, dass die Produktion störungsfrei läuft.
Damit das so ist, haben sich die Schiebelhuts schon vor Längerem entschieden, den „Nagel-Rohstoff“ – gezogener Draht – selbst herzustellen. Dazu gibt es im Untergeschoss der Produktionshalle eine Anlage, in der das Ausgangsprodukt, der sogenannte Walzdraht von fünf Millimetern Durchmesser, gereinigt und dann durch genau auf Maß eingestellte „Ziehsteine“ hindurchgezogen wird. Dabei wird das Material – wie ein Teig beim Ausrollen – immer dünner, bis er am Ende den gewünschten Nageldurchmesser erreicht hat.
Mit diesem auf Zehntelmillimeter exakt vorgearbeiteten Material werden die Nagelmaschinen „gefüttert“. Viele von ihnen sind Schiebelhut’sche Eigenentwicklungen oder für den Betrieb passend verfeinerte Geräte, die bis zu 1000 Nägeln pro Minute herstellen können. Der Draht wird zunächst zu Stiften geschnitten. Danach erhalten die Spitzen ihren Schliff und zu guter Letzt wird der Kopf durch einen genau dosierten Schlag auf die stumpfe Seite des Stifts erzeugt – mit der bereits erwähnten Akkuratesse. Ganz nebenbei wird in die Stifte während der Arbeitsschritte noch ein tannenbaumförmiges Gewinde gewalzt. Dies sorgt dafür, dass der Nagel optimalen Halt im Holz der Palettenelemente findet.
Die Firma Krenzer mit einer Produktion von zehn Millionen Paletten im Jahr ist nach wie vor ein sehr wichtiger, aber längst nicht mehr der einzige Abnehmer der Produktion: Rund 25 Prozent der Ware gehen nach Abtsroda, der Rest wird an Palettenbauer zwischen Bodensee und Ostseeküste geliefert. Rund 10.000 Tonnen Walzdraht werden die Dietgeser Nagelmacher in diesem Jahr verarbeiten. (Lesen Sie auch: Windel-Hersteller will Standort schließen: 160 Angestellte betroffen)
Dirk Schiebelhut hält, anders als andere Unternehmerkollegen, eine Menge von Vorratshaltung. So stapeln sich auf dem Gelände die Walzdraht-Rollen. Um dafür und am liebsten auch für eine zweite Drahtzieh-Maschine Platz zu haben, möchte er den Betrieb erweitern. Und zwar gerne direkt am Standort – auch, um weiterhin Vorteile wie den Solarstrom und die Biogas-Wärme aus den Betrieben seiner Brüder nutzen zu können. So kam es zu der Bauanfrage an die Gemeinde, die jetzt die Kommunalpolitiker positiv beschieden.
Doch die aktuelle Energiepreisentwicklung überlagert derzeit alle anderen Fragen: „Unser Stromverbrauch liegt bei 1,25 Gigawattstunden im Jahr“, sagt Dirk Schiebelhut. Das macht deutlich, dass ein Preisanstieg um nahezu 900 Prozent(!), wie ihn sein Lieferant, das Überlandwerk Rhön, vor wenigen Wochen angekündigt hatte, den Betrieb die Existenz kosten könnte. Derzeit seien die Angebote zwar wieder etwas moderater, auch ein Preis von 50, 60 Cent pro Kilowattstunde sei kaum zu verkraften. Denn nicht bloß in Dietges wird der Strom teurer: Die Stahlhersteller verlangen das Vielfache für ihren Walzdraht – wenn sie nicht schon mit einem vorläufigen Produktionsstopp auf die neue Lage reagiert haben. (Lesen Sie auch: Energiekosten zu hoch: Metec GmbH muss schließen - 28 Mitarbeiter gekündigt)
So schaut Schiebelhut wie viele seiner Unternehmerkollegen gleichermaßen gebannt auf die Strompreis-Sprünge – und auf die Signale aus der Politik, wie man die angekündigten Hilfen für energieintensive Betriebe umsetzen will. Nur so viel ist klar: Konkrete Erweiterungspläne will man in Dietges gerade nicht umsetzen. Aber immerhin: Sie werden im Kontakt mit Planern und Architekten ausgearbeitet, um sie eines Tages fertig aus der Schublade ziehen zu können.