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Angst um die Existenz: Mittelstand sorgt sich um explodierende Energiepreise

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Stromkosten
Die Mittelständler in Fulda und im Main-Kinzig-Kreis sind besorgt: Die explodierenden Energiekosten könnten ihre Existenz bedrohen. © Sina Schuldt/dpa

Die stark gestiegenen Energiekosten stellen zahlreiche Betriebe der Region vor große Herausforderungen. Die erwartete Mehrbelastung beträgt teilweise mehrere Millionen Euro. 

Fulda/Schlüchtern - „Die galoppierenden Energiepreise haben ein Niveau erreicht, das für viele Unternehmen existenzbedrohend ist“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Michael Konow. Dadurch würden immer mehr Betriebe ihre Produktion in Deutschland aufgeben oder ihren Geschäftsbetrieb einschränken.

Ein Beispiel dafür ist die Firma Metec, die jüngst bekannt gegeben hat, das Werk in Schlüchtern zu schließen – und damit 28 Mitarbeiter zu entlassen. Wie sehr das Thema die Betriebe beschäftigt, zeigt eine Umfrage des Bundesverbands Der Mittelstand (BVMW). Demnach leiden rund 72 Prozent der kleinen und mittleren Betriebe unter den explodierenden Energiepreisen.

Existenzangst: Mittelstand sorgt sich um explodierende Energiepreise

Nicht zuletzt deshalb fordert die MIT Mittelstands- und Wirtschaftsunion eine Abschaffung der beschlossenen Gasumlage sowie eine Senkung bei Steuern auf Gas, Strom und Öl. Allein bei Strom seien die Belastungen in Deutschland für Unternehmen 40-mal so hoch wie diese laut EU-Vorgaben sein müssten, so die MIT.

Die IHK in Fulda und Schlüchtern (Main-Kinzig-Kreis) haben unterdessen eine Befragung gestartet, um regionale, branchenübergreifende Daten zu erheben, die im weiteren Dialog mit den politischen Vertretern nötig seien.

Wäscherei Diener: Jürgen Diener, Inhaber der Wäscherei Diener in Schmalnau, weiß noch nicht, was im kommenden Jahr auf seinen Betrieb zukommen wird. Bislang steht nur fest, dass ihm sein Versorger seinen Gaspreis bis Jahresende garantiert hat. Angebote für die Zeit danach gibt es derzeit für ihn nicht.

Kollegenbetriebe, die keine gültigen Gaslieferverträge haben, zahlen derzeit das Sechsfache. Daher geht Diener davon aus, dass sich der Preis für sein Gas im kommenden Jahr von rund 600 000 auf 3,6 Millionen Euro erhöhen wir. Rund 14 Millionen Kilowattstunden Gas verbrauchen seine Betriebe.

Wie er die erhöhten Energiekosten wieder reinholen soll? Dafür fehlt Diener derzeit die Fantasie. „An die Kunden durchreichen kann ich sie jedenfalls nicht.“ Bislang hätten sie Preiserhöhungen zwar akzeptiert, weil ihnen die Zuverlässigkeit der Wäscherei wichtig sei. „Aber irgendwann ist eine Grenze erreicht“, ist Diener überzeugt.

Zudem hat sich das Öl, mit dem er seinen Betrieb in Koblenz betreibt, auch in der jüngsten Vergangenheit um 250 Prozent verteuert. Möglichkeiten, Energie einzusparen, sieht Jürgen Diener kaum. „Wir haben in den vergangenen Jahren Millionen in die Modernisierung unserer Betriebe gesteckt“, sagt er – „und dabei voll auf die hocheffiziente Gas-Technologie gesetzt“.

Bildungsunternehmen Dr. Jordan hofft auf Erhöhung der staatlichen Privatschul-Zuschüsse

Bildungsunternehmen Dr. Jordan: Professor Dr. Lothar Jordan hat derzeit praktisch nur ein Thema: Wie er die voraussichtlich fast verdreifachten Kosten für Energie verkraften soll. Seine Berechnungen ergeben, dass sich beim privaten Bildungsunternehmen die Aufwendungen von 54.000 auf 142.000 Euro pro Jahr erhöhen werden.

Um dies zu kompensieren, müsste er jedem Schüler der Privatschule das Schulgeld von durchschnittlich 183 auf 225 Euro erhöhen. Sein Problem: Selbst wenn er diesen Schritt gehen wollte, würde ihm das ein sogenanntes Sonderungsverbot untersagen, das im Grundgesetz steht und vermeiden soll, dass Kinder entsprechend der wirtschaftlichen Situation der Eltern an Privatschulen besser oder schlechter gestellt werden.

Das hat zur Folge, dass er um maximal rund 10 bis 15 Euro erhöhen könnte, was sein Problem nicht löst. Denn: Träger der Schule ist ein gemeinnütziger Schulverein, der quasi keine Rücklagen hat, da keine Gewinne erwirtschaftet werden dürfen. Die einzige Möglichkeit sehen Jordan und Direktor Professor Dr. Wolfgang Dippel in der Erhöhung der staatlichen Privatschul-Zuschüsse. „Letztlich haben wir aber noch Plan B, nämlich temporär zu schließen oder im Winter teilweise auf Distance-Learning umzusteigen“, sagt Jordan.

Dr. Lothar Jordan (links) und Professor Wolfgang Dippel machen sich Gedanken, wie sie mit den hohen Energiekosten umgehen können.
Dr. Lothar Jordan (links) und Professor Wolfgang Dippel machen sich Gedanken, wie sie mit den hohen Energiekosten umgehen können. © Tobias Farnung

Andere relevante Einsparpotenziale, so Jordan und Dippel, seien schon länger lokalisiert – aber im Verhältnis der Gesamtsteigerung der Energiekosten gering. Die komplette Beleuchtung wurde in den vergangenen zwei Jahren für rund 100 000 Euro auf LED umgestellt. „Kostensensibel waren wir immer schon. Aber nun läuft nachts nur noch die Alarmanlage und die IT. Es könnte die Existenz bedrohen, aber zum Optimismus gibt es keine Alternative“, sagt Jordan.

Parzeller Print&Media: Christian Matthiesen hat derzeit „Bauchschmerzen“, wenn er an das nächste Jahr denkt. Der Geschäftsführer der Druckerei Parzeller Print & Media kauft die Energie für die gesamte Fuldaer Mediengruppe Parzeller ein. Rund 500.000 Euro gibt das Unternehmen pro Jahr allein für Gas aus.

Damit werden das Medienzentrum und die Produktionshallen geheizt sowie Warmwasser bereitet, ein eigenes Blockheizkraftwerk betrieben und in der Druckerei Druckprodukte getrocknet sowie in einem weiteren Schritt die dabei freigesetzten Lösungsmittel thermisch nachverbrannt.

Gaspreise explodieren: Unternehmen befürchten Verdrei- bis Versechsfachung der Kosten

Würde er derzeit Gas an der Börse einkaufen, wäre der Preis etwa dreimal so hoch wie noch vor sechs Monaten – aus 500.000 Euro würden dann rund 1,5 Millionen Euro werden. „Diese Mehrkosten an die Kunden weiterzugeben, ist sehr schwierig“, sagt er. Einsparpotenziale sieht er etwa im Abschalten des Blockheizkraftwerks und der Optimierung der Laufzeiten der Maschinen.

Vorstellbar wäre für ihn auch, in der thermischen Nachverbrennung Gas einzusparen. „Dazu müsste aber der Gesetzgeber die Grenzwerte verändern.“ Zudem könnte sich Matthiesen vorstellen, in einem nächsten Schritt die Heizung mit alternativen Energieträgern zu betreiben.

Gersfelder Metallwaren: Maximilian Pfeiffer, geschäftsführender Gesellschafter der Gersfelder Metallwaren, hat vor allem ein Problem mit den gestiegenen Stromkosten. Statt bislang rund 30.000 Euro pro Monat zahlt er aktuell schon mehr als 90.000 – was im Jahr einer Mehrbelastung von rund einer Dreiviertelmillion Euro entspricht.

Für nächstes Jahr hat er zwar einen Festpreis vereinbaren können, der leicht unter dem aktuellen Tarif liegt. Trotzdem belasten die Mehrkosten sein Unternehmen enorm, da sich der Automobil-Zulieferer jeden Tag im Wettbewerb mit Firmen unter anderem in Asien oder Osteuropa behaupten muss.

„Daher ist eine Weitergabe der Mehrkosten an unsere Kunden nur sehr schwierig umsetzbar“, so Pfeiffer, der das Unternehmen in dritter Generation führt. Enttäuscht ist der Unternehmer vor allem von der Zögerlichkeit innerhalb der Bundesregierung. „Es wird zu langsam entschieden und gehandelt, das ist für ein mittelständisches Unternehmen wie unseres unzumutbar.“

Um sich ein wenig unabhängiger zu machen, hat die Gersfelder Metallwaren bereits die gesamte Beleuchtung in der Produktion auf LED umgestellt. Zudem investiert die Firma rund 500.000 Euro in eine eigene Photovoltaik-Anlage.

Klinikum Fulda: Das Klinikum Fulda verbraucht pro Jahr durchschnittlich rund 55 Millionen Kilowattstunden Energie – hauptsächlich Gas. Besonders energieintensiv sind dabei laut Peter Neidhardt, der den Geschäftsbereich Bau und Technik am Klinikum verantwortet, die 14 Operationssäle sowie die Aufbereitungseinheit für Medizinprodukte.

Mithilfe einer Kraft-Wärme-Kopplung produziert das Klinikum mittlerweile rund 84 Prozent der elektrischen Energie selbst – und nutzt die Abwärme zum Heizen sowie zum Kühlen der Gebäude. Der durchgängig heiße Sommer hat Neidhardt zufolge bereits in diesem Jahr zu einem um 40 Prozent gestiegenen Energiebedarf geführt.

Video: Europäische Strompreise brechen Rekorde, während sich die Energiekrise verschärft

Für das aktuelle und auch das kommende Jahr rechnen die Verantwortlichen des Klinikums jeweils mit einer Verdopplung der Energiekosten.

Um den steigenden Kosten entgegenzuwirken, wurde bereits eine Absenkung der Temperaturen in den allgemeinen Bereichen wie Treppenhäusern, Fluren und der Eingangshalle beschlossen sowie eine Reduzierung der Beleuchtung umgesetzt. Der Energiebedarf konnte aufgrund dieser Sofortmaßnahmen bereits um knapp zwölf Prozent verringert werden. (Tobias Farnung)

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