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Prozess gegen Kalbachs Ex-Bürgermeister: Staatsanwalt fordert Haft, Verteidiger Freispruch

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Von: Volker Nies

Sparkassenfilliale Petersberg
Rund 30 Mal fuhr Florian Hölzer zur Sparkassenfilliale Petersberg, um dort Geld abzuheben. © Max Wenisch

Beim Prozess gegen den früheren Kalbacher Bürgermeister Florian Hölzer rückt der Tatort – eine Bankfiliale – immer mehr in den Mittelpunkt. Rund 30 Mal kam Hölzer mit dem Auto ausgerechnet zur Sparkassenfiliale nach Petersberg, um dort Geld vom Konto eines Rentners zu holen.

Fulda - Die Staatsanwaltschaft wirft Hölzer vor, er habe sich von Januar bis Juni 2020 immer wieder am Konto eines demenzkranken, mittlerweile verstorben 90-Jährigen bedient. In dem Prozess vor dem Landgericht Fulda geht die Anklagebehörde davon aus, dass Hölzer in 34 Fällen jeweils 1000 Euro vom Konto abhob. Auch wenn die Zahl der Taten umstritten ist, so räumt Hölzer doch ein, dass er rund 30 mal 1000 Euro abhob, und zwar deshalb, weil der Senior ihn darum gebeten habe.

Fulda: Prozess gegen Ex-Bürgermeister - Tatort rückt in Mittelpunkt

„Der von mir betreute Mann traute den Banken nicht und wollte seiner Tochter in Amerika Geld schicken. Ich habe das Geld geholt – genau so wie es der Rentner wollte“, erklärte Hölzer. Er habe jeweils drei bis fünf Auszahlungen gesammelt und dann in einer Tüte am Eingang des Altenheims in Petersberg abgegeben, in dem der Rentner lebte. Von Mitarbeitern der Senioreneinrichtung wurde keine Übergabe beobachtet.

Aber wenn Hölzers Erklärung stimmt, warum fuhr er dann vom Rathaus in Kalbach oder seiner Privatwohnung in Sinntal so oft nach Petersberg, um dort das Geld abzuheben, und holte es nicht einfach in Sparkassenfilialen in Sinntal oder Mittelkalbach? Für Staatsanwalt Christoph Wirth ist klar: „Der Angeklagte wollte den Eindruck erwecken, dass der Rentner das Geld selbst abgehoben hatte. Die Tat wäre vielleicht nicht aufgeflogen, wenn der Filialleiter der Sparkasse nicht Verdacht geschöpft hätte“, sagte Wirth.

Verteidiger Rudolf Karras erklärte die häufigen Fahrten seines Mandaten damit, dass Hölzer lange im Petersberger Rathaus gearbeitet habe und sich deshalb in der Filiale in der Propsteistraße gut ausgekannt habe. (Lesen Sie auch: „Der reinste Rufmord“: Kalbachs Ex-Bürgermeister kritisiert Berichte über seine Verurteilung)

Im Januar 2020 hatte Hölzer den Rentner zur Sparkasse begleitet, um dort 40.000 Euro von einem Sparkonto auf das Girokonto umzubuchen, auf das Hölzer Zugriff hatte. Danach wies dieser das Altenheim an, die für den Senior eingehenden Briefe nicht an den Empfänger, sondern an ihn, Hölzer, zu übergeben.

Angeklagter soll sich an Konto von demenzkrankem 90-Jährigen bedient haben

Im Juni bat Hölzer die Sparkasse, 25.000 Euro vom zweiten Sparbuch des Rentners auf das Girokonto zu übertragen. Die Bank kontrollierte die Kontobewegungen und schlug Alarm. Als das Altenheim Hölzer als den Betreuer des 90-Jährigen über die verdächtigen Abhebungen informierte, klärte der Rathauschef den Vorgang nicht aus seiner Sicht auf, sondern sagte, er wisse von nichts.

Hölzer geriet in Verdacht, weil er am Petersberger Geldautomaten fotografiert worden war. Bei den ersten Abhebungen im Januar und Februar wurden die Bilder allerdings nicht archiviert. Verteidiger Karras erklärte am Dienstag, bei fünf Abhebungen, von denen keine Fotos erhalten sind, sei sein Mandant nach Zeugenaussagen bei der Krankengymnastik in Kalbach oder einem 80. Geburtstag in Heubach gewesen.

Der Vorsitzende Richter Dr. Jochen Müller erklärte anhand von Einträgen des Altenheims, dass der Rentner auch nicht am Geldautomat gewesen sein konnte. Karras erwiderte, dass eine ganz andere Person das Geld hätte abheben können, etwa „eine Vertraute“, deren Existenz am Dienstag erstmals zwei Zeugen in den Raum stellten, die Hölzer um eine Aussage gebeten hatte.

Am Ende des Verhandlungstages am Dienstag standen die Plädoyers. Staatsanwalt Wirth beantragte ein Jahr und neun Monate Haft auf Bewährung für Hölzer. „Mein Strafantrag fällt höher aus als in der ersten Instanz vor dem Amtsgericht, weil der Angeklagte versucht hat, Zeugen zu beeinflussen“, sagte Wirth. Zudem habe Hölzer sein Opfer bewusst ausgesucht – dement und ohne Angehörige in Deutschland. „Er nutzte die Gebrechlichkeit des Mannes schamlos aus, und ging davon aus, dass seine Veruntreuung nicht auffallen würde.“ Wirth beantragt auch, dass Hölzer den Erben des Rentners die abgehobenen 34.000 Euro zahlen muss.

Verteidiger Karras beantragte Freispruch. Er stellte in seinem Plädoyer die Vermutung auf, dass der Rentner das Geld wenn nicht an seine Tochter, so doch vielleicht an seine Enkelin geschickt haben könnte. Eine E-Mail an Nebenklage-Anwalt Mark Röder zeigte aber, dass auch die Enkelin nichts erhalten hatte. (Lesen Sie hier: Wo sind die 34.000 Euro? Ex-Rathauschef will in zweiter Instanz Freispruch)

Ex-Bürgermeister in Fulda vor Gericht: Tatort rückt in den Mittelpunkt

Karras sagte, zwei Zeugen hätten eine Geldübergabe am Eingang des Altenheims beobachtet, nämlich die Ehefrau und ein alter Freund Hölzers. Es gebe keinen Grund, warum Staatsanwalt und Gericht diese Aussagen ignorieren sollten. Denkbar sei auch, dass der Rentner das Geld bekommen und dann an einem Ort versteckt habe, wo es nie gefunden wurde. „Es gibt klare Indizien, dass die Darstellung von Herrn Hölzer stimmt“, schloss Karras.

Hölzer sagte in seinem Schlusswort, er hätte den Rentner gar nicht betrügen müssen, um an Geld zu kommen. „Er und ich, wir waren gute Freunde. Hätte ich ihn um Geld gebeten, hätte er es mir gegeben“, beteuerte er. Sein Fehler sei gewesen, dass er sich das übergebene Geld nicht am Altenheim-Eingang habe quittieren lassen. Hölzer schloss: „Ich bin unschuldig. Ausrufezeichen.“

Das Landgericht will am nächsten Montag sein Urteil verkünden.

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