Seinen letzten Gottesdienst hat er mit 100 Jahren gefeiert, mit 102 hat er Kranke besucht. Er hört nicht mehr gut, dafür funktionieren die Augen und der Geist. „Ich vermisse, dass ich nicht mehr gut hören kann. Ich finde es schade, dass ich so schwach auf den Beinen bin. Mit den Aktivitäten ist inzwischen Schluss“, meint er.
Bruno Kant wurde am 26. Februar 1916 in Werblin/Westpreußen geboren. Mit 18 Jahren, 1934, machte er sein Abitur in Danzig und wollte Pfarrer werden. Er begann in Braunsberg und Freiburg mit dem Studium, musste dies aber abbrechen.
1943 wurde er von der Wehrmacht eingezogen und kämpfte im Zweiten Weltkrieg. Danach kam er drei Jahre in russische Gefangenschaft.
Als er 1948 entlassen wurde, zog es ihn nach Fulda, wo er 1950 zum Priester geweiht wurde. Anschließend arbeitete er als Kaplan in Blankenau und Schwarzbach. Über eine Station in Kassel war er ab 1960 bis 1991 Pfarrer in Petersberg-Marbach.
Seit 1991 lebt er nun im Pfarrhaus in Löschenrod neben der Kirche. Mit 100 Jahren hatte er seinen letzten Gottesdienst gefeiert.
Kant betet täglich eineinhalb Stunden. Dazu kommt ein eigenes, „privates Gebet, um jeden Tag im Austausch mit Gott zu sein. Der Herrgott hat mich bis heute durch alle Schwierigkeiten geführt“, sagt der Pfarrer. Er hält sich mit dem Lösen von Sudokus und dem Lesen unserer Zeitung fit.
Kant blickt auf eine erfüllte und zugleich „schwierige Lebensgeschichte“ zurück, wie er es beschreibt. 1916 wurde er im westpreußischen Werblin geboren – im Ersten Weltkrieg. Nach dem Krieg wurde das Gebiet polnisch, er musste mit der Familie – dazu zählen sieben Geschwister (drei weitere sind nach der Geburt gestorben) – nach Danzig ziehen. Ein Bruder lebt noch in Gelnhausen, er ist 105 Jahre alt. Mit 18 hat Kant in Danzig sein Abitur gemacht, er wollte Priester werden und begann mit dem Studium. Nach einer Krankheit musste er aussetzen, dann wurde er von einem Bekannten überredet und „verführt, zur Eisenbahn zu gehen“.
Auch dort blieb er nicht lange, da er mit Beginn des Zweiten Weltkriegs von der Wehrmacht eingezogen wurde. „Ich kam nach Russland und musste den Krieg ertragen“, blickt Kant zurück. Das Wort „ertragen“ nennt er bewusst. Er betont, kein Nazi gewesen zu sein. „Ich bin als katholischer Christ erzogen worden.“
Pfarrer Kant ist ein ganz besonderer Mensch. Jeder liebt ihn, er ist immer da, wenn man eine Frage hat.
Einen Teil des Rückzugs aus Russland hat er miterlebt – „Kameraden, vorwärts, es geht zurück“, wurde gerufen. Nach dem Krieg kam er bis 1948 in russische Gefangenschaft – erst auf der Krim, dann im Donezk-Gebiet. „Ich habe Stahlplatten gewalzt.“ Nach der Entlassung hat er aus Russland einen Brief an seine Schwester geschrieben. Er dachte, sie arbeite in einem Berliner Krankenhaus. Dem war nicht so – der Brief war unzustellbar.
Pfarrer Kant ist so wie ein Herz. Man sieht es nicht, weiß aber, dass es da ist. Er ist sozusagen der Schatz in unserem Ort.
Dennoch kam er mit seiner Familie zusammen: Eine Postbotin hat wohl Nachforschungen angestellt, vermutet Kant. Sie hat herausgefunden, dass die Schwester in Düren wohnte. „Ich habe von ihr einen Brief bekommen, das war der erste Kontakt mit meiner Verwandtschaft“, erzählt der 107-Jährige. Inzwischen wohnte ein Teil der Familie in Gelnhausen (Main-Kinzig-Kreis). Nach einem Vierteljahr und Stationen in Russland und Berlin schloss er seine Mutter endlich wieder in die Arme. „Ich bin der Postbotin sehr dankbar.“
Er stand dann vor der Wahl, ob er bei der Eisenbahn oder als Pfarrer arbeitet. „Bei beiden Berufen geht es darum, die Menschen ans Ziel zu führen. Dann habe ich mich entschieden, Pfarrer zu werden“, erklärt er mit klarer Stimme. 1950 folgte die Priesterweihe. Er arbeitete als Kaplan, ehe er 1960 nach Petersberg-Marbach ging, wo er bis zu seinem 75. Geburtstag Pfarrer war.
Über Umwege kam er nach Löschenrod. Eigentlich hatte der Rommerzer Pfarrer das Pfarrhaus gebaut und wollte einziehen. Er blieb aber in Rommerz, und so lebt Kant seit 1991 in Löschenrod. „Hier wohnen nette Leute, ich fühle mich wohl“, sagt er. Keine Entscheidung in seinem Leben bereut er. „Ich wüsste nicht, was ich hätte anders machen sollen. Ich muss zufrieden sein mit dem, was ist und was noch kommt.“
Im Fabruar 2023 feierte ein weitere Geistlicher einen runden Geburtstag: 17 Jahre lang war Heinz Josef Algermissen Bischof von Fulda. Seinen 80. Geburtstag feierte er mit Familie, Freunde und Weggefährten.