Ich bezweifle, dass die Schüler und Schülerinnen intelligenter geworden sind.
Ähnlich beunruhigt ist auch Markus Bente, Leiter der Wigbertschule: „Mich erschreckt die kontinuierliche Verbesserung der Noten. Wohin soll das noch führen?“ Der 65-Jährige berichtet von seiner eigenen Abiturnote: eine 2,5 im Jahr 1977. „Damals lag ich damit im oberen Drittel. Heute wäre das Loser-Kategorie.“ Nur ein einziger Schüler in seinem Abiturjahrgang habe eine Eins vor dem Komma gehabt. Doch weder sei das Abitur seitdem leichter noch die Schüler intelligenter geworden, sagt Bente.
Der Schulleiter hat andere Erklärungsansätze: So seien die Aufgabenstellungen in Mathematik und naturwissenschaftlichen Fächern berechenbarer als in geisteswissenschaftlichen Disziplinen; Lehrer könnten ihre Schüler hier besser auf die Prüfungen vorbereiten. „Das wissen die Schüler und Schülerinnen und wählen zunehmend naturwissenschaftliche Leistungskurse“, erklärt Bente.
Hinzu komme, dass die steigende Beliebtheit von Mathe, Chemie und Physik eine Umverteilung in der Gesellschaft widerspiegele. Denn diese Disziplinen sicherten später eher den beruflichen Erfolg und Wohlstand als Geisteswissenschaften. „Und Schüler wählen heute das aus, was sie im Leben weiterbringt.“
Ein anderer Aspekt, den Bente als Grund für die guten Abiturnoten anführt: „Der Unterricht ist so effektiv geworden, dass Schüler besser vorbereitet sind und häufig wissen, welche Themen in den Prüfungen abgefragt werden.“ Der Corona-Bonus bei den Abitur-Klausuren, der in diesem Jahr eine längere Bearbeitungszeit garantierte, habe hingegen eher keine Rolle gespielt.
Eine anderslautende Erklärung für die Ergebnisse hat Annette Albrecht, Leiterin der Winfriedschule, an der 41 von 78 jungen Erwachsenen das Gymnasium mit einem Einser-Schnitt verlassen haben: Der herausragende Schnitt sei Zufall gewesen. „Die guten Noten sind auf das Potenzial dieser Schüler und Schülerinnen zurückzuführen.“ Weder der vorherige Jahrgang sei so gut gewesen noch werde der folgende einen so guten Abischnitt haben. „Wir erwarten daher nicht, dass sich die Verbesserung der Abiturergebnisse so fortsetzt.“
Möglicherweise habe sich die Pandemie, anders als von vielen befürchtet, positiv ausgewirkt. „Die Schüler haben es trotz der Einschränkungen besonders gut machen wollen. Sie haben sich darauf eingelassen und waren höchst motiviert.“ Außerdem hätten die Lehrer und Lehrerinnen mit Zusatzunterricht versucht aufzufangen, was in der Corona-Zeit vernachlässigt werden musste. (Lesen Sie hierzu: Corona in Fulda: Warum die Abitur-Prüflinge überraschend viel Positives mitnehmen)
Albrecht verweist auch auf das geänderte Auswahlsystem bei den Prüfungen: Die Schulen erhielten wegen der Einschränkungen in der Oberstufe für jedes Prüfungsfach einen zusätzlichen Aufgabenvorschlag. Die Prüflinge konnten damit aus mehreren Vorschlägen auswählen – ein Vorteil gegenüber früheren Jahren.