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Nach 50 Jahren als Puppenspieler: Andreas Wahler tritt heute zum letzten Mal auf

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Von: Volker Nies

Nach 50 Jahren als Puppenspieler gibt Andreas Wahler aus Fulda. Er tritt am 26. September zum letzten Mal auf. In einem Kindergarten. Ein Leben für Kinder.
Nach 50 Jahren als Puppenspieler gibt Andreas Wahler aus Fulda. Er tritt am 26. September zum letzten Mal auf. In einem Kindergarten. Ein Leben für Kinder. © Volker Nies

Entweder ein Künstler hat sie, oder er hat sie nicht, die Ausstrahlung, mit der er ein Publikum in seinen Bann schlägt. Der Puppenspieler Andreas Wahler (72) besitzt diese Gabe. Dabei macht er die kleinen Zuschauer ganz groß. Heute tritt er das letzte Mal auf.

Fulda/Hünfeld - Man mag es ihm nicht glauben, aber Andreas Wahler aus Fulda hat noch immer Lampenfieber, wenn er vor seine Zuschauer tritt. „Jeder Auftritt ist mir unglaublich wichtig“, sagt er. So wird es auch am Montag (26. September) sein, in einem Kindergarten in Hünfeld, wenn er mit seinen Handpuppen auftritt. Es ist seine letzte Vorstellung.

„Danach hänge ich meine komplette Theatertätigkeit an den berühmten Nagel. Ich wollte gehen, so lange alle sagen, ‚das kann doch nicht sein‘, und will nicht warten, bis ich mitleidig gefragt werde, ob ich immer noch spiele.“ Auf den Tag genau 50 Jahre zuvor war er am gleichen Ort zum ersten Mal mit Kasper Andy, der Prinzessin und anderen Puppen aufgetreten.

Fulda: Abschied nach 50 Jahren - letzter Auftritt von Puppenspieler Andreas Wahler

Danach waren die Kindergartenleiterin Marita Dux, Gruppenleiterin Gerda Körbel und ihre Erzieherinnen so begeistert, dass sie Andreas Wahler weiterempfahlen. „Zufällig bekam ich mit, wie sehr die Erzieherinnen mich lobten. Vor meinem ersten Auftritt war ich natürlich voller Selbstzweifel. Aber dieses Lob, das ja gar nicht für meine Ohren bestimmt war, hat mir gezeigt:Als Puppenspieler bin ich auf dem richtigen Weg.“

Wahler konnte von seiner Kunst leben. Die Erzieherinnen der ersten Stunde, Marita Dux und Gerda Körbel, hat er ausfindig gemacht. Sie sind immer noch Kasper-Andy-Fans und werden bei der letzten Vorstellung dabei sein. Von Anfang an hatte sein Kasper einen Namen – Andy. Damit wurde er unverwechselbar.

Die Kinder erinnerten sich nicht an „einen Puppenspieler mit Kasperlefiguren“, sondern an „den Puppenspieler mit Kasper Andy“. Mit diesen Puppen spielt er bis heute. Weitere Figuren kamen hinzu. Generationen von Kindern hat Wahler fasziniert. Der Künstler hat sie nicht gezählt, aber vermutlich sind es mehrere Zehntausend Kinder und einige Tausend Erwachsene, die er mit seinen kleinen, fröhlichen Erzählungen erfreut hat.

Busweise kamen die Gruppen in sein Traumtheater in Kleinsassen, das er von 1994 bis 2018 unterhielt. Bis heute wird er immer wieder von Erwachsenen angesprochen, die ihm erzählen, wie toll sie in ihrer Kindheit seine Vorstellungen fanden .Wahler spielte aber nicht nur in Osthessen. Seine Engagements brachten ihn durch ganz Deutschland.

Nach 50 Jahren als Puppenspieler gibt Andreas Wahler aus Fulda. Er tritt am 26. September zum letzten Mal auf. In einem Kindergarten. Ein Leben für Kinder.
Nach 50 Jahren als Puppenspieler gibt Andreas Wahler aus Fulda. Er tritt am 26. September zum letzten Mal auf. In einem Kindergarten. Ein Leben für Kinder. © privat

International war er für Erwachsene mit der Solomarionette „Elisabeth, der strickenden Großmutter“ und als „Maskenfrau Theofine“ unter anderem in Wien, Luzern, Barcelona, Reykjavik, San Francisco und mehrfach in Sydney unterwegs. Andreas Wahler nimmt sein Publikum ernst. Das spüren die Kinder. Und sie können mit Wahlers Figuren wachsen.

Seine Puppen haben ganz unterschiedliche Charaktere, aber eine Eigenschaft ist vermutlich dominant:Sie treten erst mit großer Klappe vor die Kinder. Dann lassen sie sich von den Jungen und Mädchen dabei ertappen, wie sie doch ganz schön ängstlich oder schüchtern sind. Stück für Stück kommen die Puppen und ihr Publikum schließlich darauf, dass es gar keinen Grund zur Angst gibt.

Nach 50 Jahren als Puppenspieler gibt Andreas Wahler aus Fulda. Er tritt am 26. September zum letzten Mal auf. In einem Kindergarten. Ein Leben für Kinder.
Nach 50 Jahren als Puppenspieler gibt Andreas Wahler aus Fulda. Er tritt am 26. September zum letzten Mal auf. In einem Kindergarten. Ein Leben für Kinder. © Volker Nies

Dass Andreas Wahler so gut mit Kindern umgehen kann, obwohl er keine eigenen Kinder hat, das hat vermutlich viel mit seiner Lebensgeschichte zu tun. Mit 13 Geschwistern – sieben Schwestern, sechs Brüdern – wuchs Andreas Wahler auf. Stundenlang las die Mutter ihnen Märchen vor. Als das siebte Kind lernte er, kleine Kinder zu begeistern.

Jungen und Mädchen altersgerecht scheinbar mühelos da abholen, wo sie mit ihrer Vorstellungswelt gerade sind, das ist Wahlers große Kunst. Der Fuldaer hatte Industriekaufmann gelernt und war Büroleiter bei der Firma Dworzak, als ihn ein Zauberer fragte, ob er nicht sein Manager werden wollte.

Video: Von der Bühne in die Kiste - Puppen werden digitalisiert

„Ich war 22 und dachte: ,Wenn ich jetzt nichts ändere, dann mache ich es nie mehr.‘“ Er ging mit dem Zauberer nach Kaufbeuren, machte einen Kurs zum Puppenspieler und spielte eigene Geschichten (lesen Sie auch hier: Musical „Robin Hood“: Marke von 100.000 Besuchern geknackt).

Mit seinen liebevollen Erzählungen schafft er es bis heute, kleine und große Zuschauer binnen Augenblicken in seinen Bann zu ziehen. Sobald eine seiner Puppen die Bühne betritt, wird es still, und es richten sich alle Blicke auf diese Figur. Kaspar, Prinzessin, Ritter Furchtlos – ab nächsten Montag sollen sie für immer in Taschen und Koffern bleiben.

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