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Trotz milder Symptome: Deshalb findet Immunologe Timo Ulrichs das Auftreten der Affenpocken bedenklich

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Immunologe Timo Ulrichs sieht in den Affenpocken den armen Verwandten der richtigen Pocken.
Immunologe Timo Ulrichs sieht in den Affenpocken den armen Verwandten der richtigen Pocken. © Cynthia S. Goldsmith/Russell Regner/dpa; Akkon-Hochschule für Humanwissenschaften

Timo Ulrichs ist Mikrobiologe, Gesundheitswissenschaftler sowie Professor an der Akkon-Hochschule für Humanwissenschaft in Berlin. Der gebürtige Fuldaer geht in einem Gastbeitrag der Frage nach, wie gefährlich die Affenpocken für den Menschen sind:

Fulda - Im Jahr 1980 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Pocken für ausgerottet, und tatsächlich ist bis heute kein einziger Fall der „echten“ Pocken mehr aufgetreten. Ein beispielloser Erfolg der globalen Medizin, der möglich wurde, weil bei dieser Infektionskrankheit drei wichtige Bedingungen erfüllt waren: Jede Infektion führte in jedem Fall auch zu einer Erkrankung – es gab keine symptomlosen Infizierten.

Affenpocken: Wie gefährlich ist das Virus? Immunologe klärt auf

Der Pockenimpfstoff wirkt zu 100 Prozent. Und die WHO konnte ein umfassendes Impfprogramm durchführen, sodass weltweit eine Herdenimmunität erreicht werden konnte. Seit Mitte der 1970er Jahre wurde deshalb die Pockenimpfung eingestellt. (Lesen Sie hier: Immer mehr Affenpocken-Fälle in Deutschland: Auch in Hessen erster Nachweis)

Auch bei anderen Infektionskrankheiten wird die weltweite Ausrottung angestrebt, so bei Poliomyelitis (Kinderlähmung) und bei den Masern. Aber hier sind die oben genannten Voraussetzungen nicht so gut, sodass die WHO-Programme immer noch andauern – in Zeiten der Corona-Pandemie sind sie übrigens wieder weit zurückgeworfen worden.

Das Coronavirus wird sich durch Impfung leider nicht ausrotten lassen, wir können mit den vorhandenen Impfstoffen nur eine bestmögliche Grundimmunität in der Bevölkerung anstreben, sodass in den Herbst-/Wintersaisons zwar noch Fälle auftreten, aber nicht mehr in großen Wellen. Und nun wird – mitten in der Spätphase der Corona-Pandemie – vom Auftreten eines weiteren Erregers berichtet, der es aus dem Tierreservoir in die menschliche Population geschafft hat – die Affenpocken.

Eigentlich ein irreführender Name, denn das ursprüngliche Reservoir sind Nagetiere; Affen und auch Menschen sind sogenannte Fehlwirte. Anders als die echten Pocken verursachen die Affenpocken eher milde Symptome, Hauterscheinungen im Gesicht, Fieber, Kopfschmerz etc. Nur eine in Zentralafrika heimische Variante kann auch einen schwereren Verlauf verursachen.

Die Affenpocken sind also harmlosere Verwandte der richtigen (und viel tödlicheren) Pocken. Und aus der Zeit der flächendeckenden Pockenimpfungen wissen wir, dass der damals verabreichte Impfstoff auch gegen die Affenpocken schützt. Da aber der Übertragungsweg und damit die Ausbreitungsdynamik ganz anders sind als bei dem Coronavirus, ist eine flächendeckende (Pocken-)Impfung nicht notwendig.

Video: RKI: Anzahl der Patienten mit Affenpocken in Deutschland steigt weiter

Affenpocken benötigen für eine Übertragung einen engen Schleimhautkontakt, wie zum Beispiel beim Geschlechtsverkehr. Und hier lassen sich mit den klassischen Maßnahmen zur Verhütung sexuell übertragbarer Erkrankungen Infektionsketten einfach unterbrechen. Die bisher gemeldeten Affenpockenfälle betreffen vor allem (aber nicht nur) Männer, die Sex mit Männern haben. Grundsätzlich können die Affenpocken aber jede(n) infizieren.

Auch wenn die Affenpocken vergleichsweise harmlos daherkommen – dass so kurz nach dem Coronavirus (und auch nach dem Ebola-Ausbruch 2015/16) schon wieder ein Erreger aus dem Tierreservoir zu uns gekommen ist, sollte uns zu denken geben: Wir sollten die Lebensräume von Tieren nicht immer weiter einengen und uns mehr darum bemühen, diese Erreger und ihr Übertreten in die menschliche Population genauer zu verstehen, damit wir uns gegen zukünftige Ausbrüche oder Pandemien besser wappnen können.

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