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Zeugen sagen im Mordprozess aus: Opfer und Angeklagter waren „wie Brüder“

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Von: Suria Reiche

Vor Gericht sagte der Bruder des Opfers aus, er sei in der Tatnacht sofort nach Neuenberg gefahren.
Vor Gericht sagte der Bruder des Opfers aus, er sei in der Tatnacht sofort nach Neuenberg gefahren. © Volker Nies

Es ging um Misstrauen, Eifersucht und Ehre: Am dritten Verhandlungstag im Neuenberger Mordprozess in Fulda sagte unter anderem der Bruder des Opfers aus. Er kennt den Angeklagten und dessen Familie gut.

Fulda - Die Tötung hat der 38-jährige Angeklagte vor dem Landgericht Fulda bereits gestanden. In den folgenden acht angesetzten Verhandlungstagen soll es darum gehen, ob er seinen Freund im Februar heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen oder im Affekt erschossen hat. Er behauptet Letzteres. Die Tat sei nicht geplant gewesen.

Um zu klären, ob das stimmt, wurden am dritten Verhandlungstag unter anderem der Vermieter und der Bruder des Opfers gehört. Beide beschrieben den Getöteten als sehr ruhig und freundlich. Über den Angeklagten sagte der Bruder des Getöteten, dass er sich sehr schnell über Kleinigkeiten aufrege. Zu seinem späteren Opfer habe er aber ein sehr gutes Verhältnis gehabt, ihn Bruder genannt – bis er angeblich herausfand, dass er ein Verhältnis mit seiner Frau gehabt haben soll.

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Von diesem Verhältnis habe er dem Bruder des Opfers Anfang vergangenen Jahres unter Tränen erzählt, als dieser ihn in Dorsten in Nordrhein-Westfalen besuchte. „Er hat gesagt, dass er Beweise dafür habe“, sagte der Bruder des Getöteten vor Gericht.

Die Aufnahmen der Kamera, die der Angeklagte in seiner Küche aufgehängt hatte, habe der Zeuge selbst nicht gesehen. „Ich konnte das nicht glauben, die beiden waren nach ihrer gemeinsamen Flucht nach Deutschland wie Brüder“, sagte er und berichtete, dass er zurück in Fulda direkt seinen Bruder gefragt habe, ob es stimmt, was der Angeklagte ihm erzählt hat. Der habe schockiert alles abgestritten, gesagt, die Frau des Angeklagten sei wie seine eigene Schwester, er habe keine Affäre mit ihr.

Der Angeklagte jedoch sei sich sicher gewesen, dass die beiden ein Verhältnis haben, nicht zuletzt wegen der angeblichen Beweise auf der Videokamera. „Er hat zu mir gesagt, dass mein Bruder seine gerechte Strafe dafür bekommen wird. Gott würde ihn schon bestrafen“, berichtete der Zeuge. Seiner Ehefrau gegenüber soll der Angeklagte sogar gewalttätig geworden sein. Er soll sie aufgrund des angeblichen Betrugs geschlagen und eingesperrt haben.

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Am Tattag, dem 15. Februar, ist der 38-Jährige seinem 41-Jährigen Freund in der Straße vor dessen Wohnhaus begegnet. Dieser hatte gegen vier Uhr das Haus verlassen, um zur Arbeit zu fahren. Der Angeklagte hatte in seinem Geständnis gesagt, dass er vor dem Haus auf sein späteres Opfer getroffen sei, ihn zur Rede stellen und ihm mit der Waffe Angst machen wollte. Der 41-Jährige habe aber angefangen, ihn zu beleidigen, sich in sein Auto gesetzt und die Tür verriegelt, an der der Angeklagte gerüttelt und letztendlich zwei Schüsse abgegeben habe.

Von dem Streitgespräch, das also vor dem Abgeben der Schüsse stattgefunden haben soll, haben aber weder der Vermieter des Opfers noch dessen Frau mitbekommen, die selbst angaben, in einem sehr hellhörigen Haus zu leben und in dieser Nacht in Zimmern mit Fenstern direkt zur Straße geschlafen zu haben. Auch die Ehefrau des Erschossenen ließ über Oberstaatsanwältin Dr. Christine Seban verlesen, dass sie einen Streit in jedem Fall gehört hätte, wenn es ihn denn gegeben hätte.

Was den Vermieter und dessen Ehefrau stattdessen geweckt habe, seien die Schüsse gewesen. Zwei Mal habe es einen extrem lauten Knall gegeben und erst danach Schreie. Sie kamen von der Frau des Opfers und dessen Kindern, die herausgerannt waren und das Opfer tot im Auto aufgefunden hatten. Der Autoschlüssel steckte im Zündschloss, das Abblendlicht war an.

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Der Vermieter und seine Frau rannten ebenfalls auf die Straße, kümmerten sich um die Angehörigen des Opfers und verständigten nicht nur Polizei und Krankenwagen, sondern auch den Bruder des Opfers. Dieser fuhr sofort nach Neuenberg und fand seinen Bruder im Wagen im abgesperrten Tatort vor. (Lesen Sie auch: Lebenslang für Ärztin-Mörder)

Im Gerichtsaal sprach er davon, dass es seiner ganzen Familie nach dem Mord nicht gut gehe. Der Angeklagte, der ansonsten sehr still und ohne viel Mimik die Verhandlung verfolgte, zeigte hier erstmals eine Geste: Er richtete den Blick nach unten und legte den Kopf in seine Hände.

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