Die Bürgerinitiative übt Kritik an dem Vorhaben: Sie fordert, dass die ZKW eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung durchführen, in dem beide Vorhaben – die neue Technik und die Steinbrucherweiterung – gemeinsam betrachtet werden. „Eine Gesamtbetrachtung beider Vorhaben ist zwingend erforderlich“, erklärt die BI.
Die geplante Veränderung der Anlage sei als eine neue Anlage und eigenes Bauwerk zu betrachten und müsse deshalb an den strengeren Anforderungen für eine Neuanlage gemessen werden. „Diese Anlage ist weltweit noch nicht in Erprobung gewesen. Daher müssen alle zur Zeit gültigen rechtlichen Grundlagen in den Bereichen Brandschutz, Immissionsschutz, Emissionen und Umweltgrenzwerte ohne zusätzliche Ausnahmegenehmigungen eingehalten werden“, fordert die BI.
Das Unternehmen habe zudem nicht darlegen können, dass die geforderten hohen Temperaturen bei der Verbrennung tatsächlich erreicht werden. „Die Anlage stößt auch mit neuer Filteranlage ‚HGF-SCR Anlage‘ weiter krebserzeugende Stoffe aus. Dadurch wird das schon jetzt erhöhte Krankheitsrisiko in der Region weiter steigen“, befürchtet die BI. Das Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung nehme zu, wenn der Anteil der Ersatzbrennstoffe von 60 auf 100 Prozent steige.
Die BI wehrt sich dagegen, dass das Unternehmen Lärmgrenzwerte anheben wolle. Die Zement- und Kalkwerke missachteten zudem Anforderungen im Schall- und im Brandschutz. Die Angaben des Unternehmens zu den produzierten Mengen seien widersprüchlich.
In dem aktuellen Genehmigungsverfahren geht es nicht um die Pläne der Zement- und Kalkwerke, ihren Kalksteinbruch zu vergrößern. Doch auch für diese Pläne unternimmt das Unternehmen jetzt konkrete Schritte.
Das Regierungspräsidium berichtet unserer Zeitung: „Ein Antrag auf Erweiterung des Steinbruchs liegt uns noch nicht vor. Derzeit finden aber außerhalb des Steinbruchgeländes Bohrarbeiten für eine von zwei Grundwassermessstellen statt, die das Grundwassermonitoring ergänzen sollen. Die Erlaubnis für die Bohrungen hat zuständigkeitshalber die Untere Wasserbehörde beim Landkreis Fulda erteilt.“
Die Überwachung der Grundwasserströme („Grundwassermonitoring“) bildet die Grundlage für das hydrogeologische Gutachten, das wesentlicher Bestandteil der erforderlichen Antragsunterlagen für die Erweiterung der Abbautätigkeiten sein wird, wie das Regierungspräsidium auf Anfrage erläutert.
Die Gemeinde Großenlüder verweigert zu dem Bauvorhaben ihr Einvernehmen, also ihre Zustimmung. „Wir sind als Standortgemeinde nicht per se gegen das Vorhaben. Wir wollen der Antragstellerin – also den ZKW – auch keine unnötigen Steine in den Weg legen“, heißt es in der 15 Seiten langen Stellungnahme der Gemeinde. Weiter schreibt Bürgermeister Florian Fritzsch (SPD): „Jedoch sind wir gegenüber unseren Bürgern verpflichtet, auf die Einhaltung der umweltrechtlichen Rahmenbedingungen zu achten und eine rechtssichere Entscheidung zu ermöglichen.“ Dies sei nicht gewährleistet.
Die Gemeinde zitiert zahlreiche Gerichtsentscheidungen, wonach die Gemeinde das Recht hat, ihr Einvernehmen zu verweigern, wenn sie der Meinung ist, dass ein Bauvorhaben „schädliche Umwelteinwirkungen“ hervorrufen kann. Mit dieser juristischen Argumentation nimmt die Kommune eine Art Vetorecht über das Vorhaben für sich in Anspruch.
Die Gemeinde erklärt in ihrer Stellungnahme weiter, dass die Unterlagen des Unternehmens nicht vollständig seien. Es fehlten aus ihrer Sicht Unterlagen zur Staubentwicklung, zu den möglichen Geruchsemissionen, zum Brandschutz, zum Schallschutz sowie Aussagen zu den Themen Ausfallzeiten, Umgang mit Gefahrstoffen und Stickoxid-Emissionen. Die Gemeinde bemängelt weiter, dass die ZKW zwar eine Vorprüfung der Umweltverträglichkeit vorgenommen habe, doch sei dies durch ein Unternehmen erfolgt, das in diesem Bereich nicht als anerkannter und zugelassener Sachverständiger gelte.
Großenlüder kritisiert weiter, dass das Unternehmen die FFH-Verträglichkeit, also die Auswirkungen auf FFH-Gebiete, nicht richtig geprüft habe. Ein FFH-Gebiet ist ein Schutzgebiet in Natur- und Landschaftsschutz, das von der EU-Richtlinie zum Schutz von Flora, Fauna, Habitat geschützt ist. Auch habe das Unternehmen nicht nachgewiesen, dass sein Vorhaben die Anforderungen des gesetzlichen Biotopschutzes erfüllt. Schließlich bemängelt die Gemeinde, dass das Vorhaben den Zustand des Grundwassers gefährden könnte.
Die Zement- und Kalkwerke kündigen an, gegenüber dem Regierungspräsidium auf die geäußerte Kritik zu antworten. Doch das Unternehmen meldete sich bereits bei unserer Zeitung zu Wort, um seine Position klarzumachen.
„Die bei uns eingesetzten oder für den Einsatz vorgesehenen klimafreundlichen Alternativbrennstoffe weisen im Gegensatz zu fossilen Energieträgern wie Kohle und Gas einen hohen biomassehaltigen Anteil auf“, heißt es in der Stellungnahme der Geschäftsführer Winfried Müller und Dr. Christian Müller. Der Einsatz von Alternativbrennstoffen aus Biomasse helfe, auf fossile Energieträger bei der Zementklinkerproduktion zu verzichten und dadurch C02 zu sparen.
Aufgrund der hohen Temperaturen im Zementwerk könnten die Alternativbrennstoffe rückstandsfrei genutzt werden. Negative Auswirkungen auf Menschen, Tiere, Umwelt, Gesundheit und die Qualität des Zements seien durch den Einsatz der beantragten AIternativbrennstoffe aus Biomasse nicht zu erwarten. Für den laufenden Produktionsbetrieb sei festzuhalten, dass die geltenden Grenzwerte und Bestimmungen eingehalten werden.
„Grundsätzlich ist die Veränderung im Brennstoffmix und die Erhöhung der genehmigten Einsatzrate gegenüber dem Status-Quo erst nach erfolgter Installation und erfolgreicher Inbetriebnahme der geplanten neuen Anlagentechnik beantragt. Die neue Anlagentechnik erhält aufgrund des bedeutenden Beitrags zum innovativen Umweltschutz und zur Energiewende in Deutschland Unterstützung durch zwei Bundesministerien, nämlich die Ministerien für Umwelt sowie für Wirtschaft und Klimaschutz“, stellen die beiden Geschäftsführer heraus. „Die geäußerten Bedenken durch die örtliche Bürgerinitiative werden im Rahmen des Genehmigungsverfahrens detailliert geprüft, erscheinen vor diesem Hintergrund jedoch sachlich unbegründet.“
Die Gemeinde Großenlüder äußerte, die Genehmigungsunterlagen seien aus ihrer Sicht unvollständig, auch im Bereich Schall- und Brandschutz. Dazu erklären die ZKW: „Die Vollständigkeit des vorgelegten Antrags wurde von den zuständigen Fachbehörden geprüft und bestätigt. Die beantragten Anlagenänderungen werden mit allen aktuellen Anforderungen im Bereich Schall- und Brandschutz ausgeführt. Eine Anhebung von Lärmgrenzwerten wurde durch die ZKW Otterbein nicht beantragt.“
Die Gemeinde monierte zudem, dass das Büro, das die Umweltvorprüfung vornahm, für diese Vorprüfung nicht zugelassen sei. Hierzu erwidern die ZKW, sie hätten Fachgutachter beauftragt, die langjährige Erfahrung mit immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren in der Zement- und Kalkindustrie aufwiesen sowie national wie international anerkannt seien.
Derzeit werden die Einwendungen durch das Regierungspräsidium aufbereitet, also anonymisiert und themenbezogen zusammengefasst, und im nächsten Schritt den ZKW Otterbein und den beteiligten Fachbehörden zur Stellungnahme zugeleitet. Das soll in Kürze erfolgen. Bürgermeister Fritzsch geht davon aus, dass das Regierungspräsidium dann zu einem Erörterungstermin einladen wird. Bei einer solchen großen Veranstaltung kommen Vertreter des Regierungspräsidiums, der ZKW Otterbein und die Kritiker des Vorhabens zusammen, um die Einwendungen mündlich zu erörtern.