Prostituierte haben in der Corona-Krise quasi ein Beschäftigungsverbot

17 angemeldete Bordelle gibt es in Stadt und Landkreis Fulda. Die Corona-Krise trifft die Prostituierten hart. Ihrer Arbeit nachgehen und Geld verdienen können sie momentan nicht. Abstandsgebot und Hygieneregeln - das lässt sich kaum mit ihrer Tätigkeit vereinbaren. Doch wo sind all die Frauen (und Männer)? Wovon leben sie? Und wie ergeht es ihnen?
- Sexarbeiter können wegen der Corona-Krise nicht arbeiten - auch in Fulda nicht, wo es 17 angemeldete Bordelle gibt.
- Experten schildern: Die Probleme der Prostituierten verschärfen sich in der Krise.
- Sexarbeiter sind in der Corona-Krise dazu gezwungen, sich gesetzeswidrig zu verhalten.
Region - Das Rotlichtmilieu ist etwas, mit dem die meisten Osthessen wahrscheinlich kaum in Berührung kommen. Eine Parallelwelt. Verborgen, aber trotzdem da. Im Internet sind die Adressen der Bordelle zu finden. Allesamt mit dem Zusatz „Vorübergehend geschlossen“. Zur Situation äußern will sich niemand. Aus dem Saunaclub „5. Element“ heißt es: „Kein Kommentar“. Die Anrufe bei allen anderen bleiben unbeantwortet.
Insider erklärt: Sexarbeiter gehen in die Heimat
Während in der Corona-Krise die Probleme von Gastronomen, Friseuren und vielen anderen Berufsgruppen immer wieder in den Fokus gerückt werden, erfahren Sexarbeiter wenig Öffentlichkeit – auch weil sie selbst so wenig greifbar sind. Viele von ihnen kämen aus dem Ausland und seien zurück in die Heimat, erklärt ein Insider, der seinen Namen nicht öffentlich nennen möchte.
Beim Arbeitsamt gemeldet hat sich niemand, obwohl Prostituierte – wie alle anderen Arbeitnehmer auch – einen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Allerdings gibt es im Landkreis Fulda offenbar nur Prostituierte, die freiberuflich tätig und damit nicht angestellt sind. Der Pressesprecherin der Arbeitsagentur Fulda-Hersfeld, Luzia Kremser, zufolge wies dieser Beruf in den Jahren 2018 bis Herbst 2019 weder sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, geringfügig oder kurzfristig Beschäftigte auf. Und auch in der Corona-Krise habe sich keine Prostituierte als arbeitssuchend gemeldet.
Bezahlter Sex wird weiterhin angeboten - Pandemie verschärft Probleme
Bleibt die Frage: Wovon leben die Prostituierten momentan? Die Direktorin der Kölner Gemeinnützigen Stiftung Sexualität und Gesundheit, Harriet Langanke, befürchtet ein Abdriften in die Kriminalität. Der Deutschen Presse-Agentur erklärt sie: „Es wird weiterhin bezahlter Sex angeboten – da müssen wir uns nichts vormachen.“ In dieser dramatischen Situation seien Frauen gezwungen, sich gesetzeswidrig zu verhalten.
Auch die Mannheimer Sozialarbeiterin Julia Wege erklärt: „Zum Teil geht die Prostitution im Verborgenen weiter, etwa in Fahrzeugen oder im Freien. Viele sitzen auch bei Freiern fest und müssen für einen Platz im Bett oder auf der Couch mit ihrem Körper zahlen.“ Als „katastrophal“ beschreibt der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen die Situation: „Die Pandemie verschärft Probleme wie Armut, mangelnden Gesundheitsschutz und Wohnungslosigkeit“, sagt Sprecherin Susanne Bleier-Wilp.
Landkreis bietet „Gesundheitliche Beratung für Prostituierte“
Klar ist nun, dass Bordelle in Hessen mindestens bis 5. Juli geschlossen bleiben. Hessens oberstes Verwaltungsgericht hat das gestern entschieden und den Eilantrag einer Offenbacher Bordellbetreiberin gegen die Beschränkungen des Landes abgelehnt.
Deutschlandweit sind 33.000 Prostituierte angemeldet. Die Dunkelziffer dürfte aber deutlich höher sein, Schätzungen liegen bei 400.000. Wie viele Personen in der Region als Prostituierte gemeldet sind, kann Lisa Laibach, Pressesprecherin beim Landkreis Fulda, nicht beziffern. „Prostituierte haben zwar eine grundsätzliche Meldepflicht bei der zuständigen Ordnungsbehörde, um ihre Tätigkeit anzumelden. Eine Meldepflicht, wie viele tatsächlich im jeweiligen Landkreis arbeiten, besteht aber nicht. Daher ist uns die Zahl nicht bekannt.“ In dem Bereich gebe es eine hohe Fluktuation. Der Landkreis bietet am Gesundheitsamt eine „Gesundheitliche Beratung für Prostituierte“ an. Dort können sich Sexarbeiter hinwenden, um im geschützten Raum Information und gegebenenfalls Hilfe zu erhalten. Wie hart die Krise die Prostituierten trifft und wo sie sich aufhalten, könne der Landkreis nicht sagen. „Zum Schutz der Frauen soll auch keine Aussage dazu getroffen werden, wie viele sich bei der Beratungsstelle gemeldet haben“, erklärt Laibach.