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Bilanz der Justiz: Dieselprozesse belasten Fuldaer Gerichte - Mehr als 200 Klagen im vergangenen Jahr

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Von: Volker Nies

Ulrich Jahn (von links), Jochen Müller und Patrick Krug zogen gestern für das Amts- und das Landgericht eine Bilanz des Jahres 2020.
Ulrich Jahn (von links), Jochen Müller und Patrick Krug zogen gestern für das Amts- und das Landgericht eine Bilanz des Jahres 2020. © Volker Nies

Trotz der Belastungen der Corona-Pandemie haben das Amts- und das Landgericht Fulda 2020 ähnlich viele Fälle wie in den Vorjahren erledigt. Zu einer enormen Last entwickeln sich aber die so genannten Dieselverfahren. 

Fulda - „Rein rechnerisch sind eineinhalb Richter mit nichts anderem als Klagen von Autofahrern gegen Hersteller wegen angeblich manipulierter Dieselmotoren beschäftigt“, berichtete Dr. Jochen Müller, Präsident des Landgerichts Fulda. Gemeinsam mit Patrick Krug, Sprecher des Landgerichts, und Ulrich Jahn, stellvertretender Direktor und Sprecher des Amtsgerichts, stellte er am Montag vor, wie sich die Zahlen der beiden Gerichte entwickelt haben.

Im vergangenen Jahr gingen beim Landgericht Fulda 210 neue Klagen gegen Fahrzeughersteller aus dem VW-Konzern und 60 Verfahren gegen die Daimler AG ein. „Seit 2018 waren deutlich mehr als 800 Klagen, deren Gegenstand der so genannte Dieselskandal war, am Landgericht anhängig“, berichtete Müller. Fast immer gehen die Urteile des Fuldaer Landgerichts in Dieselsachen in die Revision vor das Oberlandesgericht und werden dort fast immer durch einen Vergleich geklärt, weil die Autohersteller rechtskräftige Urteile gegen sich verhindern wollen. Insgesamt sind 2018 und 2019 jeweils rund 1250 Klagen vor den Zivilkammern des Landgerichts Fulda erhoben worden. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl auf 1350 Fälle. (Lesen Sie hier: Überraschendes Urteil im Fall von Buchenau - Richter sieht Notwehr nicht gegeben)

Eine Entlastung insbesondere für die Rechtsanwälte bedeutet die Tatsache, dass Dieselverfahren immer öfter per Videokonferenz durchgeführt werden, die Verfahrensbeteiligten müssen also nicht im Gericht erscheinen.

Fulda: Dieselprozesse belasten Amts- und Landgericht massiv

Bei Strafsachen gingen 32 Verfahren beim Landgericht ein. Hinzukamen 101 Fälle, in denen das Landgericht über Berufungen gegen Urteile des Amtsgerichts urteilen muss. Die Zahlen sind gegenüber den Vorjahren konstant.

Mit 830 Fällen ist die Zahl der neuen Verfahren vor den Strafrichtern des Amtsgerichts Fulda gegenüber den Vorjahren leicht angestiegen. 2018 lag die Zahl der neuen Strafverfahren bei 780, 2019 lag sie bei 790.

Stark gestiegen ist die Zahl der Bußgeldsachen am Amtsgericht. „Die Zahl nahm gegenüber dem Vorjahr um rund 50 Prozent auf knapp 700 zu“, erklärte Ulrich Jahn. Hauptgrund ist die Zunahme an Verkehrsordnungswidrigkeiten. Die Polizei setzt verstärkt „Enforcement Trailer“ ein, also Blitz-Anhänger, bei deren Betrieb kein Personal vor Ort präsent sein muss.

Bußgeldverfahren steigen stark an - Zunahme bei Verkehrsordnungswidrigkeiten

„Wenn nach dem Blitzen der Führerschein eingezogen werden soll, setzen viele Autofahrer alle Hebel in Bewegung – bis hier zur Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Richter“, berichtete Müller.

Beim Amtsgericht gingen auch knapp 40 Verfahren ein, bei denen es um Bußgelder wegen Verstößen gegen Corona-Auflagen ging. Hier erwartet Krug im kommenden Jahr einen weiteren Anstieg.

Beim Amtsgericht arbeiten 16 Richter, 92 nichtrichterliche Bedienstete und 43 Azubis, beim Landgericht sind es 20 Richter, 40 nichtrichterliche Mitarbeiter und elf Bewährungshelfer.

Müller berichtete, dass es schwerer werde, junge Juristen für eine Beschäftigung als Richter zu gewinnen, denn der Staatsdienst werde als wenig attraktiv angesehen: Die Arbeitsbelastung sei hoch und die Bezahlung, gemessen an den Gehältern großer Kanzleien, relativ gering.

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