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DLRG warnt vor „Generation Nichtschwimmer“ - Fulda als positives Beispiel

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Wollen das Thema Sicherheit beim Schwimmen gemeinsam weiter voranbringen (von links): Erster Kreisbeigeordneter Frederik Schmitt, Peter Bolz, Michael Lipus, René Kohl, Florian Habersack und Julius Ax.
Wollen das Thema Sicherheit beim Schwimmen gemeinsam weiter voranbringen (von links): Erster Kreisbeigeordneter Frederik Schmitt, Peter Bolz, Michael Lipus, René Kohl, Florian Habersack und Julius Ax. © Lisa Laibach

Schwimmen zu können, kann Leben retten - doch auch bei den hessischen Kindern wächst die Zahl der Nichtschwimmer. Die DLRG fordert verstärkte Anstrengungen von Schulen und Kommunen - und macht in Fulda zusammen mit einem Bäderbetreiber vor, wie es gehen kann.

Fulda/Wiesbaden - Urlaub am Meer und Ausflüge an den Badesee gehören für viele Menschen fest zum Sommer. Doch auch in Hessen können immer weniger Kinder sicher schwimmen, das bereitet nicht nur der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) Sorgen.

Mit Hochdruck versucht sie, zusätzliche Kursangebote zu schaffen, um eine „Generation Nichtschwimmer“ abzuwenden. Dabei gilt es, viele Hürden zu überwinden. Fehlende oder veraltete Schwimmbäder erschweren die Aufgabe, ebenso Personalmangel in Schulen und Bädern gerade nach den zwei Corona-Jahren sowie zuletzt auch die steigenden Energiekosten, die den Unterhalt der Schwimmbäder verteuern.

Fulda: DLRG warnt vor „Generation Nichtschwimmer“ - Ansturm auf Kurse

Der Fuldaer Bäderbetreiber RhönEnergie und der DLRG-Bezirk Fulda-Osthessen wollen den Kraftakt trotzdem schaffen. Hand in Hand riefen sie vor rund einem Jahr das Programm „Swim4you“ ins Leben, mit dem das Schwimmkurs-Angebot für Kinder im Grundschulalter massiv ausgebaut wurde.

Der Vorteil der Kooperation: Qualifizierte Kursleiter auf der einen Seite und der Zugriff auf die benötigten Wasserflächen auf der anderen Seite. Bei den Eltern stieß das Programm auf enorme Resonanz, wie der DLRG-Bezirksvorsitzende und RhönEnergie-Mitarbeiter Michael Lipus sagt: Das erklärte „Swim4you“-Ziel zum Start, 600 Kindern aus der Region das Schwimmen beizubringen, wurde schon bald auf 1000 Kinder aufgestockt, 739 hätten inzwischen bei den fast 100 in den Fuldaer Bädern angebotenen Kursen mitgemacht.

Für Lipus liegt der große Bedarf auf der Hand: Weil landesweit die Schwimmbäder coronabedingt schließen mussten, brachen der Schwimmunterricht in Schulen, aber auch das Vereinsschwimmen und private Kursangebote für lange Zeit weg. Trotzdem blieb es dabei, dass viele Bürger ihren Urlaub gerne am Wasser verbringen - ob mit Stand-up-Paddling, Kajak-Touren oder einfach vergnügt planschend am Sandstrand. „Und jedes Kind soll ja am Wasser sicher sein und eine schöne Zeit verbringen“, sagt Lipus.

Bei „Swim4you“ habe man allerdings den anfänglichen Anspruch, möglichst viele Jungen und Mädchen mindestens bis zum Seepferdchen zu führen, rasch herunterschrauben müssen - weil vielen Kindern dafür schlicht die körperlichen Voraussetzungen fehlten.

Lipus führt das auf ein verändertes Freizeitverhalten mit mehr Medienkonsum und Bewegungsmangel vor allem während des Lockdowns zurück. Davor hätten nach seiner Schätzung noch rund 80 Prozent der Kinder, die an Schwimmanfängerkursen teilnahmen, die Seepferdchen-Prüfung erfolgreich absolviert - danach nur noch unter 60 Prozent, weil Koordination und Beweglichkeit abnahmen. Das habe auch Ärzte und Gesundheitsämter auf den Plan gerufen.

Mehr als 60 Personen machen ihr Schwimmabzeichen in Fulda

Selbst wenn der Nachwuchs ein Abzeichen ergattert, sollten sich die Eltern nicht über die trotzdem noch vorhandenen, potenziell lebensgefährlichen Schwimm-Defizite ihrer Kinder hinwegtäuschen lassen. „Das Seepferdchen heißt ja nichts mehr, als dass das Kind eine Bahn, also 25 Meter in bestem Falle, irgendwie umher schwimmt und ein bisschen tauchen kann.“ Erst ab dem Schwimmabzeichen Bronze - früher dem Freischwimmer - könne die Rede von sicheren Schwimmern sein.

Für ganz Hessen gehen die DLRG und die Landesregierung von mittlerweile noch rund 50.000 Kindern aus, die pandemiebedingt nicht schwimmen lernen konnten. „Wir schieben einen Stau aus Nichtschwimmer-Kindern vor uns her“, sagt ein DLRG-Sprecher. (Lesen Sie hier: Schwimmkurs-Stau hält an - Kinder haben regelrecht Angst vor dem Wasser)

Seit vergangenen Sommer seien rund 10.000 Schwimmabzeichen abgenommen worden, sagt der Präsident des DLRG-Landesververbands Hessen, Michael Hohmann. Um das Thema in den Fokus zu rücken, riefen der DLRG-Landesverband sowie der hessische Schwimm-Verband und die Landesregierung für Sonntag erstmals einen Schwimmabzeichen-Tag aus, an dem sich mehr als 60 Bäder beteiligen wollten.

Im Landkreis Fulda sind beim Schwimmabzeichen-Tag mehr als 60 Schwimmabzeichen abgelegt worden. „Wenn wir den Anteil des Landkreises Fulda auf ganz Hessen umrechnen, haben wir unseren Soll mehr als doppelt erfüllt“, rechnet Erster Kreisbeigeordneter Frederik Schmitt. Laut Schmitt ist der Aktionstag überaus wichtig, um noch weiter auf das Thema Schwimmsicherheit aufmerksam zu machen.

Video: Mehr Nichtschwimmer durch Corona

Insgesamt sieben Bäder haben sich an dem Tag beteiligt: Freibad Landrücken Flieden, Freibad Ehrengrund Gersfeld, Freibad Haselgrund Hünfeld, Freibad Ulsterwelle Hilders, Freibad Waidesgrund Petersberg, Freibad Rosenau Fulda und Stadtbad Esperanto Fulda. Die Ehrenamtlichen der DLRG Ortsvereine, der Wasserfreunde Fulda, des Schwimmsportvereins Hünfeld und von Blau-Gelb Fulda haben die Prüfungen in den Bädern abgenommen.

Die steigende Nachfrage an Schwimmkursen nimmt auch die Bäder Betriebs GmbH der RhönEnergie wahr. „Die Kurstermine sind alle sehr schnell ausgebucht, die Vereine bräuchten eigentlich mehr Platz, um die Nachfrage komplett zu decken. Trotz der schnell ausgebuchten Kurse muss man aber sagen, dass wir im Landkreis Fulda sehr gut mit Schwimmbädern ausgestattet sind“, sagt Peter Bolz von der Bäder Betriebs GmbH.

Man spüre den Schwimmlernmangel deutlich. Vor allem die letzten zwei Corona-Jahre hätten diesen Trend verstärkt. „Wir wollen die Situation verbessern und sind dazu in Gesprächen mit der Stadt Fulda, dem DLRG, Blau-Gelb Fulda, dem Schwimmverein Hünfeld, den Wasserfreunden Fulda, der RhönEnergie Fulda und den Vertretern der Schwimmbäder“, führt der Erste Kreisbeigeordnete weiter aus. (dpa, ah)

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