Fahrlässiger Drogen-Handel? Anklage gegen Inhaber von Nutzhanf-Firma - Ministerin sagt Besuch ab

Die Staatsanwaltschaft Fulda hat in dem Verfahren gegen die drei Inhaber des Unternehmens „Green Pioneers“, das CBD-Produkte vertreibt, nun Anklage erhoben. Es geht vor dem Amtsgericht Fulda um den Verdacht des fahrlässigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Cannabis).
Fulda - Darüber informierte die Staatsanwaltschaft Fulda am Donnerstagvormittag (21. Juli 2022) in einer Pressemitteilung. „Die Angeschuldigten vertreiben insbesondere Produkte aus EU-zertifizierten Cannabispflanzen, die durch sie selbst im Raum Fulda angebaut werden“, erklärte Oberstaatsanwältin Dr. Christine Seban als Sprecherin des Gerichts.
Produkte mit Cannabidiol (CBD) werden etwa von Menschen mit Gelenks- und Muskelschmerzen oder im Kampf gegen Einschlafstörungen verwendet. Die Staatsanwaltschaft Fulda legt den Angeschuldigten nach eigenen Angaben zur Last, die ihnen bei diesem Vorgehen obliegenden Sorgfaltspflichten verletzt zu haben.
Fulda: Fahrlässiger Drogen-Handel? Anklage gegen Inhaber von Nutzhanf-Firma
Sie sollen – trotz objektiv bestehender Möglichkeit – nicht erkannt haben, dass insgesamt vier der von ihnen vertriebenen Produkte einen zu hohen THC-Gehalt aufgewiesen hätten. Dieser sei dazu geeignet gewesen sei, einen Rauschzustand zu erzeugen. „Ein Missbrauch zu diesem Zweck durch die Käufer“ sei nicht auszuschließen, erklärte die Staatsanwaltschaft.
Hierdurch hätten sich die Angeschuldigten des fahrlässigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln hinreichend verdächtig gemacht. Kurioserweise wollte Europaministerin Lucia Puttrich (CDU) auf ihrer Sommerreise am Montag (25. Juli 2022) das Start-up-Unternehmen „Green Pioneers“ in Fulda besuchen
Hintergrund: THC und CBD - Wo liegt der Unterschied?
Die Cannabinoide Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) sind Substanzen der Cannabispflanze. THC führt zur Ausschüttung von Dopamin und ist deshalb für die berauschende Wirkung von etwa Marihuana verantwortlich.
CBD wiederum zeigt keine psychoaktive Wirkung. Laut eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19. November 2020 gilt es deshalb auch nicht als Betäubungsmittel. CBD wird sogar eine Reihe positiver Eigenschaften zugeschrieben, so wirke es etwa entzündungshemmend und entkrampfend.
Grundsätzlich gelten alle Formen von Cannabis in Deutschland als illegal – eine Ausnahme stellt der sogenannte Nutzhanf dar, welcher mit einer besonderen Lizenz angebaut werden darf. Marihuana und THC fallen jedoch unter das Betäubungsmittelgesetz. Da laut Verbraucherschutzministerium viele CBD-Öle zu hohe THC-Werte (größer 0,2 Prozent) enthalten, rät dieses vom Konsum dringend ab. Die Weltgesundheitsorganisation hingegen stuft CBD als unbedenklich ohne Abhängigkeitspotenzial ein.
Gegen die drei Inhaber von „Green Pioneers“ erhob die Staatsanwaltschaft Fulda die oben genannte Anklage, wie das Unternehmen auf Nachfrage der Fuldaer Zeitung bestätigte. „Das Unternehmen bietet eine umfangreiche Produktpalette aus Nutzhanf an“, schrieb die Hessische Staatskanzlei zu dem Termin mit Hessen-Ministerin Lucia Puttrich.
„Dazu gehören Nahrungs- und Nahrungsergänzungsmittel sowie Kosmetikartikel und Kleidung. Während des Besuches wird sich die Europaministerin einige der Produkte vom Geschäftsführer Philipp Gärtner vorstellen lassen“, heißt es weiter in der Presseinformation der Hessischen Staatskanzlei.
Sofort nachdem die Staatsanwaltschaft über die Erhebung der Anklage informiert hatte, sagte Lucia Puttrich laut „Green Pioneers“ den Besuch bei ihnen ab. Im April 2021 hatten Zivilfahnder der Polizei den Cannabis-Laden in der Stadt durchsucht. Nach der Durchsuchung stellten die Inhaber gegenüber der Fuldaer Zeitung klar, dass sie mit „Drogen nichts am Hut“ hätten. Die Nutzhanf-Produzenten sehen sich als Opfer.
2017 wurde Cannabis für medizinische Zwecke wie Schmerzlinderung bei Schwerkranken erlaubt. Seitdem hat der Stoff in Deutschland einen Boom erlebt. Start-ups haben immer mehr legale Lifestyle-Produkte wie Hanfaufstriche, Hanfsamenöle, Hanftees herausgebracht, Influencer werben für CBD-Öle. Aktuell bereitet die Bundesregierung in Deutschland aber auch die Freigabe von THC vor.
Europaministerin Lucia Puttrich (CDU) sagt Besuch bei „Green Pioneers“ ab
Mit seinen Partnern Kerim Viebrock und Marc Graf gründete Philipp Gärtner das Unternehmen „Green Pioneers“ 2018 in Fulda. Die Unternehmer widmen sich der Produktion und Verarbeitung von Nutzhanf, stellen etwa Hanftee, Speiseöl aus Hanfsamen sowie sogenannte Hanf-Krafttropfen her.
Ausschließlich wegen der Krafttropfen (mit 5 Prozent CBD) steht „Green Pioneers“ nun nach eigenen Angaben im Fokus der Staatsanwaltschaft Fulda. Die Krafttropfen werden als „Kosmetikprodukt zur Anwendung auf der Mundschleimhaut“ oder zur Anwendung auf der Haut angeboten. Das Landgericht argumentierte jedoch, dass ein Konsum als Lebensmittel nicht ausgeschlossen werden könne.
Philipp Gärtner und seine Geschäftspartner fühlten sich schon bei der Durchsuchung zu Unrecht beschuldigt. „Wir lassen unsere Produkte ständig prüfen und achten darauf, dass wir alle rechtlichen Vorgaben einhalten“, betonte Gärtner gegenüber unserer Zeitung. „Wir arbeiten gut mit den zuständigen Behörden zusammen, werden regelmäßig kontrolliert und bisher gab es nie etwas zu beanstanden.“
Video: Hanfplantagen in Deutschland?
„Wir können die Anklage und die Begründung nicht nachvollziehen“, sagt Philipp Gärtner nun gegenüber der Fuldaer Zeitung. Vergangene Woche war das Unternehmen per Brief über die Anklage-Erhebung informiert worden. „Green Pioneers“ legte inzwischen schon Einspruch gegen die Anklage-Erhebung ein.
„Die Anklage ist weder lebensnah noch zielführend“, sagt Philipp Gärtner. „Das geht komplett an der Realität vorbei.“ Der Fuldaer verweist auf viele vergleichbare Fälle in Deutschland. „Wir sehen einer möglichen Hauptverhandlung entspannt entgegen und sind gespannt, wie dann argumentiert wird. Wir sind uns sicher, dass wir dann spätestens alle Zweifel an unser Integrität zerstreuen werden.“