Insbesondere das Motiv für die Tat gab dem Gericht Rätsel auf. Offenbar hatte die Frau Heimweh und wollte nach Peru zurückkehren – jedoch nicht ohne den gemeinsamen Sohn, erklärte Müller. „Es war für sie ein unlösbarer Konflikt: auf der einen Seite die Sehnsucht nach der Heimat, auf der anderen die fehlende Bereitschaft, den Verlust des Kindes zu akzeptieren.“
Die Tat war in höchstem Maß hinterlistig und heimtückisch.
Weil sie vermutlich Zweifel hatte, dass ihr das Sorgerecht zugesprochen werden könnte, fasste sie einen Plan: Sie betäubte ihren Mann in dessen Wohnung, um in der Zwischenzeit den Pass des Jungen zu nehmen, Flüge zu buchen und zu verschwinden. Doch der Geschädigte bewegte sich im Schlaf immer wieder.
Aus Angst, dass das Medikament nicht wirkt, änderte sie ihr Vorhaben – und täuschte nun einen Suizidversuch ihres Mannes vor. Damit habe sie gehofft, ihn später als psychisch kranken Menschen stigmatisieren und ihre eigene Situation in einem Sorgerechtsverfahren erheblich verbessern zu können. Dafür habe sie die „Lebensgefährdung“ ihres Mannes in Kauf genommen. „Die Tat war in höchstem Maß hinterlistig und heimtückisch“, sagte der Richter. „Dabei hätte man die Situation anders lösen können – im Guten.“ Ihr Mann sei kein Tyrann, sondern ein „anständiger Ehemann“.
Müller verurteilte die Frau, die die deutsche Staatsbürgerschaft hat, zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Dennoch ist sie nun ein freier Mensch, da mehr als zwei Drittel ihrer Haftstrafe als verbüßt gelten. Das liegt an den Bedingungen der achtmonatigen Auslieferungshaft im peruanischen Gefängnis, die am Montag zur Sprache kamen.
Sie und ihre in der Haft geborene Tochter hätten unter anderem auf Betonpritschen schlafen müssen, erklärte Verteidiger Christian Celsen. Dadurch habe sich der Schädel des Babys verformt, das überdies nur eine einzige notwendige Impfung erhalten habe. Auch Staatsanwalt Hofmann erklärte, dass Gefängnisse in Peru laut Angaben des Auswärtigen Amtes keineswegs europäischem Standard entsprechen. Daher wird die dortige Haft mit dem Anrechnungsfaktor 3 berechnet. Das heißt: Jeder Tag, an dem die Frau in Peru inhaftiert war, wird ihr so angerechnet, als wären es in Deutschland drei Tage gewesen.
Weil sie auch in Frankfurt bereits zwei Monate in U-Haft saß und ein weiterer Monat aufgrund von „Verfahrensverzögerungen“ abgezogen wird, bliebe lediglich eine kleine Restlaufzeit übrig. Diese wird, so Richter Müller, vermutlich zur Bewährung ausgesetzt.
Der Richter war mit dem Urteil der Forderung des Staatsanwalts gefolgt. Verteidiger Celsen hatte zwei Jahre und fünf Monate als ausreichend betrachtet. Andreas Scheja, der den geschädigten Ehemann vertrat, hatte hingegen eine „empfindliche Freiheitsstrafe“ angemahnt. Aus seiner Sicht sei die Beschuldigte „eiskalt berechnend“, der 49-Jährige Ehemann leide bis heute körperlich und psychisch an den Verletzungen. Die Angeklagte entschuldigte sich mit tränenerstickter Stimme bei ihrem Ehemann.