Aus gesundheitlichen Gründen hat der 72-Jährige vor zwei Jahren mit dem Heilfasten aufgehört. Er fastet in diesem Jahr stattdessen Süßigkeiten und möchte das Essen allgemein etwas reduzieren. „Unabhängig von Meditation und Besinnung hilft das Fasten ja auch beim Abnehmen“, sagt der Diakon.
„Die Fastenzeit ist eine Konzentrationszeit“, erklärt Pfarrerin Anke Haendler-Kläsener. Gerade in Krisenzeiten solle man verzichten, um sich auf das Wichtige zu fokussieren. „Es geht nicht ums Beuteln und Bestrafen. Ich besinne mich darauf, wer mich durch solch schwere Zeiten trägt und mein Leben in der Hand hat. Dass ich mich an Gott wenden kann, gibt mir Kraft und spendet Trost“, erklärt die Pfarrerin aus Flieden. (Lesen Sie hier: Früher Pfarrer, heute verheiratet: Jan Kremer über Zölibat und sein neues Leben)
Sie selbst faste „ziemlich klassisch“ Alkohol und Süßigkeiten und baue außerdem Ruhe- und Gebetspausen in ihren Alltag ein. „Ich gestalte mein Leben in der Fastenzeit bewusst anders. Zum Beispiel nutze ich einen Fastenkalender, der täglich von Aschermittwoch bis Ostermontag geistliche Impulse enthält“, beschreibt Haendler-Kläsener ihr derzeitiges Morgenritual.
Auch für Carsten Noll, Pfarrer in Eckweisbach, geht das Fasten über blanken Verzicht hinaus. „Fasten bedeutet ein „Mehr“ – mehr Raum im eigenen Leben für Gott zu schaffen“, erläutert er. Die von Pandemiegeschehen und Ukrainekonflikt geprägte gegenwärtige Lage ziehe den Menschen fast gänzlich den Boden unter den Füßen weg und hinterlasse ein Gefühl der Machtlosigkeit.
„Daher ist es gerade jetzt notwendig, dass wir uns unserer Verantwortung gegenüber Gott bewusst werden. Wir müssen die Würde des Menschen schützen und erhalten“, führt Pfarrer Noll fort. Der Verzicht sei in diesem Zusammenhang ein Einsatz, den man in Verbindung mit dem Gebet zugunsten der eigenen seelischen Gesundheit erbringe. „Wir können zum lieben Gott flüchten. Er kann Köpfe und Herzen der Menschen bewegen“, erklärt der Pfarrer.
Durch das Fasten trainiere man außerdem den eigenen Willen und die Selbstbeherrschung. „Man lässt die Dinge nicht einfach laufen, sondern kontrolliert und reflektiert das eigene Handeln“, sagt Carsten Noll. Er selbst versuche, in den kommenden Wochen auf das Glas Wein am Abend zu verzichten und den eigenen Fleischkonsum etwas einzuschränken.
„Außerdem räume ich dem Gebet und dem Lesen in der Bibel mehr Zeit ein. Die Bibel ermöglicht die Kommunikation mit Gott – wenn mich eine Stelle besonders berührt, dann will er mir damit etwas mitteilen“, ergänzt Carsten Noll.
Alle drei sind sich einig – gerade in Krisenzeiten ist das christliche Fasten von hoher Bedeutung und bietet die Gelegenheit, innezuhalten und sich auf die wichtigen Dinge im Leben zu besinnen. Es geht dabei um mehr als Verzicht und schon gar nicht um Bestrafung. Vor allem soll man zur Ruhe kommen und bewusst Zeit für Reflexion im sonst so flüchtigen Alltag schaffen. (Von Sophie Brosch)
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