Neue Forschungsergebnisse: Frühe Geschichte der Juden in Fulda reicht bis ins 12. Jahrhundert zurück

Lange Jahre nach dem Ende des Naziregimes blieb die jüdische Geschichte Fuldas wenig beachtet. Das hat sich geändert. Auch durch die Forschungsarbeiten und Kontakte des Pädagogen Dr. Michael Imhof, der jetzt neue und bekannte Forschungsergebnisse zur Baugeschichte der Synagoge am Stockhaus veröffentlicht hat.
Fulda - Die Arbeit Imhofs ist für eine Online-Dokumentation unter dem Titel „Synagogen in Hessen“ des hessischen Landesamtes für Denkmalpflege vorgesehen. Sie bezieht Informationen ein, die durch eine von der Stadt Fulda finanzierte Digitalisierungsaktion von Dokumenten aus den „Central Archives for the History of Jewish People“ zugänglich wurden.
Ist manchen Bürgern Fuldas vermutlich der Brandanschlag auf die Synagoge im November 1938 noch bekannt, ist die frühe Geschichte der Juden in Fulda noch nicht gänzlich erforscht. Sie reicht mindestens bis ins 12. Jahrhundert zurück. Wie Imhof schreibt, war der Anlass für eine der ersten urkundlichen Erwähnungen der Synagoge von Fulda deren Verwüstung im Jahre 1517.
Fulda: Neue Forschungsergebnisse - frühe Geschichte der Juden reicht weit zurück
Damals wurde die Fuldaer Bürgerschaft vor dem Reichskammergericht angeklagt, die Synagoge und das Haus der Juden geplündert und die Thorarollen zerrissen zu haben, die seit Menschengedenken „in derselben sinagog gewesen“ (lesen Sie auch hier: Stolpersteine für Holocaust-Opfer: Nachfahren erzählen die ergreifenden Geschichten).
Eine detailgenaue Beschreibung des Ortes, auf dem die Synagoge in Fulda stand, enthielt einige Jahre später der „Lehnsbrief über die Judenschule“ von 1575. „Schul“ steht im Jiddischen, der Alltagssprache der Juden, für Synagoge. Sie befand sich neben dem „Stockhaus“, dem städtischen Gefängnis, und zwischen den Gassen „Am Judenberg“ und „Hinter der Treppe“, „wo sie schon immer ihren Platz hatte“.
An diesem Ort standen die Synagogen von Fulda bis zu ihrer Vernichtung 1938. Als jährliche Pacht wurde 1575 von dem kirchlichen Grundbesitzer, der Dechanei Neuenberg, eine Tonne Heringe (1040 Stück) Kaufmannsgut, festgesetzt.
In dem Grundriss der Synagoge vor 1796, den der Fuldaer Kulturamtsleiter Thomas Heiler erst kürzlich im Jerusalemer Zentralarchiv für die Geschichte des Judentums (CAHIP) entdeckte, sind diese Räumlichkeiten mit „Männerschul“, „Weiberschul“ und „Nebenschul“ benannt. Hinzu kommen das „Rabinerhaus“, ein „Judenbad“ (Mikwe), eine Loca (Toilette) und weitere „Zimmer und Kammern“.
Fulda: Neubau der Synagoge entstand im Stil des orientalischen Historismus
Die gleichen Bezeichnungen haben die Synagogenteile des Entwurfs für einen Synagogenneubau von 1797, den Michael Imhof im Staatsarchiv Marburg fand. Das in Fachwerkbauweise über zwei Stockwerke geplante Ensemble weist die gleichen Strukturen von „Schul“, „Weiberschul“ und „gemeiner Stub“ auf.
Um Mitte des 19. Jahrhunderts Platz für eine neue Synagoge an gleicher Stelle zu schaffen, wurden vorherigen Bauteile abgetragen. Die Bauphase dauerte von 1856 bis 1859. Die neue Synagoge wurde – wie in der damaligen Zeit oft – im Stil des orientalischen Historismus entworfen. Der Hauptraum war dreischiffig angelegt, mit Säulen, Rundbögen und hohen Bogenfenstern nach Süden und Osten.
Notwendige baulicher Sanierungsmaßnahmen und die Zunahme der jüdischen Bevölkerung waren der Grund für eine Erweiterungsplanung in 1889/1899 zusammen mit dem Bau eines angegliederten Gemeindehauses. Um eine Ensemblewirkung zu erreichen, gestalteten Baumeister und Architekt Karl Wegener und Friedrich Schott die Fassade des Gemeindehauses und die Erweiterung der Synagoge ebenfalls im Stil des orientalischen Historismus.
Das in seiner Grundstruktur noch erhaltene Gemeindegebäude aus dem Jahre 1903 umfasste in den oberen Stockwerken großzügige Versammlungsräume für die Gemeinde, eine koschere Küche, und große Schulräume für die Jeshiwa, die traditionelle Thoraschule. Im Erdgeschoss befand sich die über zwei gegenläufige Treppen begehbare Mikwe mit den beiden Tauchbecken. Kürzlich wurde die Mikwe freigelegt.
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Die Pläne für die Synagogenerweiterung wurden zunächst zurückgestellt. Durch den Ersten Weltkrieg kam es zu weiteren Verzögerungen. Erst in den 1926/27 wurde die Erweiterung nach den Plänen von 1899 umgesetzt. Dabei wurde die Zahl der Sitzplätze auf 730 erhöht.
Nun umfasste sie neben einem Versammlungsraum im Keller den Gottesdienstraum für die Männer im Erdgeschoss, eine Zwischenempore für den Chor und eine Emporengalerie für die Frauen. Das Innere wurde vom Fuldaer Kunstmaler Hugo Pfister ausgemalt. An dem Bau waren christliche und jüdische Gewerke aus Fulda beteiligt.
Nachdem die Stadt Fulda das Gelände, auf dem die Synagoge stand, erworben hat, steht jetzt die archäologische Sicherung bevor. Dann soll dort eine kultur-religiöse Begegnungsstätte entstehen. Derzeit dient es noch als Parkplatz. An der Außenseite der Ummauerung sind seit 2010 die Namen der aus Fulda deportieren und ermordeten Juden auf einer „Wand der Erinnerung“ zu lesen.