Der Gaspreis explodiert: Droht ein teurer Winter? Das sagen Energie-Versorger aus der Region

Die Gaspreise gehen seit Monaten steil nach oben. Gleichzeitig werden Rufe nach einer Reaktion der EU lauter. Das sagen Versorger aus der Region zu der heiklen Situation.
Fulda - Die Preisexplosion auf den Energiemärkten in Europa ruft die Politik auf den Plan. Frankreich kündigte eine Deckelung der Tarife für Gas und Strom über die Wintermonate hinweg an. Die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten wollen das Thema bei einem Gipfel am 21. und 22. Oktober besprechen.
Ratspräsident Charles Michel habe den Punkt angesichts des dramatischen Preisanstiegs auf die Agenda gesetzt, hatte ein Sprecher des Europäischen Rates am Donnerstagabend mitgeteilt. Mitgliedstaaten wie Spanien fordern ein gemeinsames Vorgehen auf EU-Ebene, um den Anstieg zu dämpfen. (Lesen Sie auch: Materialknappheit belastet Wirtschaft - So ist die Situation bei den Unternehmen)
Fulda: Gaspreis explodiert - Das sagen Versorger aus der Region
Der Preis für Erdgas war in den vergangenen Monaten drastisch gestiegen. Die Gaspreise hätten „historische Höchststände“ erreicht, sagte der Chef von Deutschlands größtem Gasimporteur Uniper, Klaus-Dieter Maubach, vor Journalisten in Düsseldorf. Im Großhandel koste eine Megawattstunde Gas zur Lieferung im ersten Quartal kommenden Jahres inzwischen über 90 Euro, vor einem Jahr habe der Preis noch weniger als 10 Euro betragen. Ähnlich sei die Entwicklung beim Strom.
Es sei damit zur rechnen, dass die Energiepreise wegen der großen Nachfrage auf den Weltmärkten länger auf dem hohen Niveau blieben. „Die Gaspreise, die wir derzeit haben, sind ein Ergebnis einer gewissen Sorge, dass es im Winter knapp werden könnte“, sagte Maubach mit Blick auf die unterdurchschnittlich gefüllten Gasspeicher in Deutschland und Europa.
Der Uniper-Chef nahm den russischen Energiekonzern Gazprom gegen Vorwürfe in Schutz, er habe mit einer Verknappung seiner Lieferungen den Preisanstieg verursacht. „Die Russen liefern wie in den letzten 50 Jahren zuverlässig.“ Alle Verträge würden eingehalten. Allerdings liefere Gazprom wohl nicht über die vereinbarten Mengen hinaus.
Uniper ist der größte Gazprom-Kunde und Mitfinanzier der Gaspipeline Nord Stream 2. Maubach rechnet nicht damit, dass die ausstehenden Genehmigungen für die Ostseeleitung so schnell kommen, dass sie noch in diesem Winter helfen könnte, die Situation zu entspannen.
Bei der RhönEnergie in Fulda sorgt die Situation für Unbehagen: „Die in Europa auf breiter Front ansteigenden Einkaufspreise für Erdgas verfolgen wir mit Sorge: Seit Jahresbeginn hat sich der Gaspreis im Großhandel mehr als verdreifacht. Welche Auswirkungen diese besondere Dynamik auf unsere Energiepreise für 2022 haben wird, prüfen wir derzeit noch.“
Im Main-Kinzig-Kreis bleiben Verbraucher zunächst verschont. „Aufgrund der regionalen Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern und Kunden, stehen wir für eine solide und langfristige Erdgasbeschaffung, die sich jetzt auszahlt. Somit sind auch wir nicht immun gegenüber der aktuellen Marktentwicklung, jedoch nur unmittelbar von den aktuellen Spotmarktpreisen betroffen“, berichtet Tamara Remahne, Leiterin Vertrieb- und Unternehmenskommunikation bei Main-Kinzig-Gas in Gelnhausen.
Energiepreise schießen in die Höhe: Rufe nach einer Reaktion der EU werden lauter
Sie fügt hinzu: „Die aktuelle Erdgassituation auf dem Weltmarkt und die damit einhergehende Preissteigerung seit Jahresbeginn von über 350 Prozent werden unsere Kunden definitiv nicht erfahren.“ (Lesen Sie hier: „Kaufentscheidung beeinflussen“: Plakat an Tankstellen zeigt Preise von anderen Antrieben)
Vorerst sicher sind auch die Vorräte in Reckrod bei Eiterfeld (Hessen). Rainer Vogt, Geschäftsführer der MET Speicher GmbH aus Frankfurt, die dort einen Erdgasspeicher betreibt, betont: „Unser Speicher ist derzeit zum Glück zu 80 Prozent gefüllt, sodass wir zumindest erst einmal nicht von den Preisspitzen betroffen sind.“
Gleichzeitig räumt er ein: „Das Erdgas in Reckrod wird allerdings nicht alleine für die Versorgung in der Region benötigt, sondern puffert vor allem eine Ferngasleistung ab, die von vielen verschiedenen Quellen gespeist wird. Das in Reckrod gespeichterte Gas reicht auf jeden Fall noch eine Weile aus – im Extremfall würde es 20 Tage dauern, bis der Speicher bei voller Last geleert wäre.“
Im ersten Halbjahr 2021 sind die Privathaushalte in Deutschland bei den Energiekosten nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes noch vergleichsweise glimpflich davon gekommen. Für Strom und Gas mussten sie jeweils 4,7 Prozent mehr zahlen als in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres. Der Durchschnittspreis für Strom stieg um 1,46 Cent auf 32,62 Cent je Kilowattstunde, Gas verteuerte sich um 0,29 Cent auf 6,41 Cent je Kilowattstunde, teilte die Wiesbadener Behörde am Freitag mit.
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Hauptgrund für den Anstieg ist nach Angaben der Statistiker die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf den ursprünglichen Satz von 19 Prozent zu Jahresbeginn. Um den Konsum in der Corona-Krise anzukurbeln, hatte der Bund die Mehrwertsteuer befristet vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 auf 16 Prozent gesenkt. Beim Erdgas habe der zu Jahresbeginn eingeführte CO2-Preis die Kosten zusätzlich nach oben getrieben. Auch im Vergleich zum ersten Halbjahr 2020 stiegen die ermittelten Durchschnittspreise.
Inzwischen hat sich der Preisauftrieb in Deutschland nach Angaben von Marktbeobachtern beschleunigt. Bis zum Beginn der Heizsaison hätten 58 Gasgrundversorger bereits ihre Preise erhöht oder Preiserhöhungen angekündigt, berichtete das Vergleichsportal Check24. Im Durchschnitt betrügen die Preiserhöhungen 11,5 Prozent und beträfen gut 330.000 Haushalte. Für einen Musterhaushalt mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden bedeute das zusätzliche Kosten von durchschnittlich 172 Euro pro Jahr. In diesem Winter sei mit einer Welle von Gaspreiserhöhungen zu rechnen.
In Frankreich soll der Gaspreis den Winter über bis zum April nicht die nach einer Erhöhung ab Anfang Oktober geltenden Tarife übersteigen. Bis zum Jahresende werde auch der Strompreis nicht erhöht, ab Anfang 2022 dann höchstens um vier Prozent, hatte Premierminister Jean Castex am Donnerstagabend angekündigt. (dpa, dk)