Gastro-Gäste in Fulda zeigen wenig Verständnis für die strengen Hygieneregeln

Seit einer Woche dürfen Gastronomiebetriebe in Hessen wieder öffnen. Doch die strengen Regeln sorgen bei vielen Gästen für Unmut. Was wiederum die Wirte in die Bredouille bringt. In einem gemeinsamen Warnruf appellieren jetzt vier heimische Wirte stellvertretend für die Branche an die Gäste: „Bitte habt Verständnis und haltet euch an die Auflagen.“
- Seit dem 15. Mai dürfen Gastro-Betriebe wieder öffnen. In Fulda löste das zunächst Freude aus.
- Die Wirte müssen wegen des Coronavirus allerdings strenge Auflagen erfüllen. So arrangierten sie sich mit der Situation.
- Weil viele Gäste sich nicht an die Corona-Regeln halten wollen, fordern Wirte aus Fulda jetzt mehr Verständnis.
Fulda - Viele Wirte in Fulda trauten in den vergangenen Tagen ihren Augen nicht, als in den sozialen Netzwerken ein Shitstorm über die Branche hereinbrach: Halsabschneiderei, Abzocke und sogar das Füllen von Schwarzgeldkassen wurde so manchem Gastronomen vorgeworfen. Konkret ging es um die „Sonderpauschale“ von 2,50 Euro pro Gast, die viele Wirte seit der Wiederöffnung erheben, um die strengen Hygieneauflagen wegen des Coronavirus erfüllen zu können. „Vielen von uns steht das Wasser bis zum Hals. Wir machen das doch nicht aus Jux und Dollerei“, halten Gastronomen den Kritikern entgegen.
Doch es geht noch um mehr: Abstandsregeln werden in Restaurants und Kneipen nur unzureichend eingehalten, Hände nicht desinfiziert, ein Mund-Nasen-Schutz wird beim Betreten der Betriebe nicht aufgesetzt – und auch bei der vorgeschriebenen Erfassung der persönlichen Daten der Gäste, die notwendig ist, um im Fall der Fälle mögliche Infektionsketten zurückzuverfolgen, wird gemeckert.
Gastronomen in Fulda: „Das wäre für viele Betriebe der Todesstoß“
Viele Wirte in Fulda sind ob der Situation alarmiert. Stellvertretend für die Branche richten Carolin Zuspann (Praforst Hünfeld), Andreas Rau (Fuldaer Haus), Felix Wessling und Paul Pawlowski-Rothenbücher (beide Heimat) einen Appell an Gäste und Politik: „So kann es nicht weitergehen. Wir brauchen mehr Aufklärung – und die Gäste müssen bereit sein, sich an die Regeln, die sich die Wirte ja nicht ausgedacht haben, zu halten.“
Die Gastronomen seien sich ihrer Verantwortung bewusst. Denn wenn es zu einer zweiten Welle von Corona-Fällen mit einem erneuten Lockdown komme, dann werde es die Vielfalt an Betrieben, wie wir sie in der Region kennen und schätzen, nicht mehr geben. „Das wäre für viele Betriebe der Todesstoß“, sagt Andreas Rau, der zu den Spitzenköchen der Region gehört und Vorsitzender der Wirtevereinigung „Rhöner Charme“ ist.
Carolin Zuspann schätzt, dass bis zu 50 Prozent der Gäste Probleme mit den Regeln haben – teilweise herrsche Unverständnis, aber auch viel Unkenntnis. „Manches kann man den Gästen nicht vorwerfen, sie kennen die strengen Auflagen, an die wir gebunden sind, gar nicht. Da müssen wir Wirte auch noch Aufklärungsarbeit leisten“, sagt die Gastronomin. Und Pawlowski-Rothenbücher ergänzt: „Die Gäste können uns zu allen Regeln fragen – das ist besser, als sich hinterher über etwas zu ärgern.“
Gastronomie in Fulda: Nur noch 15 statt 50 Gästen
Aber: Manchmal sei es schon im eigenen Familienkreis schwer zu vermitteln, dass maximal Mitglieder zweier Haushalte an einem Tisch sitzen dürfen oder dass nur ein Gast pro fünf Quadratmeter Fläche bewirtet werden dürfe, wie Zuspann erklärt. Letzteres führt dazu, dass in einem Restaurant mit normalerweise 50 Plätzen nun vielleicht nur noch 10 oder maximal 15 Leute sitzen dürfen. „Und dann kommen Stammgäste und sagen: Stellt euch nicht so an, für uns habt ihr ja wohl noch Platz.“ In Hünfeld habe es schon Kontrollen gegeben, und die ersten Wirte seien wegen Verstößen auch schon zur Kasse gebeten worden.

Deswegen appellieren die Wirte auch an Kollegen, sich unbedingt an die Regeln zu halten – schon um dem Gast nicht das Gefühl zu geben, es gebe bei der Auslegung der Regeln Spielräume. In der Tat fällt bei einem Gang durch die Fuldaer Fußgängerzone auf: Die Abstände von Tischen und Stühlen sind bei unterschiedlichen Gastronomen unterschiedlich groß. Fakt ist: Hessen ist derzeit das einzige Bundesland, das neben der Abstandsregel von 1,50 Meter zwischen den Tischen zusätzlich auf die Nur-ein-Gast-pro-fünf-Quadratmeter-Fläche-Regel pocht, was Frankfurter Wirte derart auf die Palme bringt, dass sie aus Protest in größerer Zahl ihre Betriebe geschlossen halten. Denn rentabel ist die Öffnung unter diesen Bedingungen für die allermeisten Betriebe nicht.
Gastronomen in Fulda leben von Zufriedenheit der Gäste
Allein die strengen Hygienevorschriften sorgen für hohe Kosten, die früher in der Form nicht anfielen: Desinfektionsmittel und die dazugehörigen Spender kosten Geld. Und natürlich ist für die Umsetzung auch Personal erforderlich. So wird in der Heimat am Fuldaer Buttermarkt im Halbstundenintervall die Toilette gereinigt, und jeder Tisch und Stuhl wird nach Benutzung desinfiziert.
„Auch wenn ich die Gäste verstehen kann, die sich über eine vorübergehende Maßnahme wie die Sonderpauschale aufregen: Die Corona-Regeln kosten uns zusätzliches Geld“, sagt Inhaber Wessling. Nach den negativen Reaktionen im Netz wurde in der Heimat allerdings die „Sonderpauschale“ wieder gestrichen.
Denn letztlich geht es den Wirten darum, Menschen Freude zu bereiten, ein kulinarisches Erlebnis zu bieten, Glücklichsein zu vermitteln und Geselligkeit zu fördern, wie Heimat-Inhaber Felix Wessling und „Rhöner Charme“-Chef Andreas Rau betonen.
Abgesehen von der Notwendigkeit, wirtschaftlich zu arbeiten, brenne man doch als Wirt dafür, den Menschen wieder dieses Gefühl zu geben, um selbst glücklich zu sein. „Wie ein Künstler leben auch wir Gastronomen vom Applaus, also von der Zufriedenheit und Begeisterung der Gäste“, sagt Praforst-Chefin Zuspann.
Lesen Sie hier: Welche Folgen hat die Corona-Krise für Hotels und Gaststätten? Tarek Al-Wazir informiert sich in Fulda