Armenhof zum Beispiel wollte zur Gemeinde Petersberg und nicht zu Dipperz. Reulbach und Thaiden bändelten mit Hilders an und wollten von Ehrenberg zunächst wenig wissen. Bad Salzschlirf drohte an den Vogelsberg verloren zu gehen. Malkes forcierte die Liebesheirat mit Bimbach, ehelichte dann aber den Nachbarn Fulda.
Die Träume von einer Gemeinde „Rhönbergen“ mit Dalherda, Gichenbach, Hettenhausen, Ried, Thalau und Schmalnau platzten ebenso wie von einer Gemeinde namens „Florenberg“. Weidenau ging an Freiensteinau verloren, dafür kamen Uttrichshausen, Heubach und Oberkalbach vom Altkreis Schlüchtern zur neuen Gemeinde Kalbach.
Auch auf Kreisebene standen mehrere Varianten in der Diskussion: Die Eingliederung des Kreises Lauterbach oder wenigstens des Schlitzerlands wurde zwischenzeitlich ebenso gefordert wie der Zusammenschluss von Lauterbach, Fulda, Hünfeld und auch noch Hersfeld. Auch aus der von vielen gewünschten Fusion von Hünfeld und Fulda zu einem „Rhönkreis“ wurde nichts.
Dass das Hünfelder Land letzten Endes vom Kreis Fulda schlichtweg geschluckt wurde und Orte wie Mansbach und Neukirchen auch noch an Hersfeld-Rotenburg abgeben musste, das können viele Hünfelder ihrem damaligen Landrat Heinrich Beck bis heute nicht verzeihen. Fuldas Landrat Eduard Stieler schien hingegen einigermaßen zufrieden. (Lesen Sie hier: Der Kampf um „HÜN“: Kreisverwaltung stemmte sich gegen altes Kfz-Kennzeichen)
Freude und Trauer gleichermaßen zeigten die Verantwortlichen der Stadt Fulda. Die war nämlich seit 1927 kreisfrei und ging nun im Zuge der Reform ebenfalls auf Brautschau. Bei 24 Nachbargemeinden von Bernhards bis Zirkenbach war sie erfolgreich – sehr zum Verdruss von Landrat Stieler, der über die Werbetour des seit 1970 amtierenden Oberbürgermeisters Dr. Wolfgang Hamberger nicht sonderlich erfreut war. Im August 1972 wuchs die Fuldaer Gesamtbevölkerung dennoch von 44.845 auf 60.293 Einwohner.
Die Integration der neuen Stadtteile lief weitgehend reibungslos. Bitteres blieb Fulda in den folgenden Jahren allerdings nicht erspart: Die Stadt verlor am 1. Juli 1974 ihre Kreisfreiheit. 1979 wurde ihr immerhin ein Sonderstatus zuerkannt; sie erhielt dadurch mehr Aufgaben und Rechte als andere kreisangehörige Städte.
Für viele Bürger und Bürgerinnen im neuen Kreis Fulda änderte sich viel: Wo früher nicht selten in der Wohnstube des Bürgermeisters Entscheidungen gefällt wurden und wo Beglaubigungen und Abschriften vor Ort abgeholt werden konnten, wo das Standesamt wie das Ortsgericht vor der Haustür waren, mussten die Einwohner nun weit fahren. Der „kleine Dienstweg“ gehörte der Vergangenheit an. Im Laufe der Jahre konzentrierten sich Schulen, Geschäfte, Banken, Arztpraxen und Sporteinrichtungen in den Kernorten.
Noch heute wird an manchem Stammtisch über die Reform geschimpft und bei Erlassen des Landes wie dem viel kritisierten Landesentwicklungsplan von 2020 sorgt man sich hierzulande, dass die kommunale Selbstverwaltung wieder beschnitten werden könnte.
Trotzdem bestehen längst neue Zusammenschlüsse: Im Altkreis Hünfeld etwa gibt es eine gut funktionierende interkommunale Zusammenarbeit in vielen Bereichen. Ehrenberg, Hilders und Tann arbeiten in einem Verwaltungsverband. Und Vorstellungen von einer Großstadt Fulda mit Künzell und Petersberg gären weiter. Die Gebietsreform von 1972, sie wird möglicherweise nicht die letzte gewesen sein.