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„Zeichen gegen Antisemitismus setzen“ - Gedenkfeier anlässlich der Reichspogromnacht von 1938

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Gedenkfeier Fulda
Mehr als 100 Menschen gedachten am Abend des 9. November den Opfern der Reichspogromnacht 1938. © Toni Spangenberg

Mehr als 150 Menschen sind dem Aufruf der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Fulda (CJZ) am Mittwoch (9. November) gefolgt und gedachten den Opfern der Reichspogromnacht 1938.

Fulda - Mit der Gedenkfeier Am Stockhaus, dem Standort der alten Fuldaer Synagoge, setzten die Anwesenden ein Zeichen gegen Antisemitismus. „Noch heute sind Juden für viele die Sündenböcke für alles: Corona, Russlands Überfall auf die Ukraine, das Explodieren der Energiekosten“, kritisiert Wolfgang Hengstler, Vorsitzender der CJZ. „Als vor 84 Jahren die Synagogen in ganz Deutschland brannten und jüdische Mitbürger ausgeraubt, misshandelt und getötet wurden, haben die meisten Deutschen weggeschaut.“

Fulda: Gedenkfeier an Reichsprogromnacht 1938 an Synagoge

„In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden Verantwortliche der Stadt Fulda teilweise sogar selbst zu Tätern“, so Heiko Wingenfeld, Fuldas Oberbürgermeister. Den Brandanschlägen auf Synagogen folgte in den Jahren darauf die Deportation und Ermordung Millionen europäischer Juden. „Die traditionsreiche und starke jüdische Gemeinde mit bis zu 1.300 Mitgliedern, die diese Stadt fast ein Jahrtausend geprägt hat, wurde ausgelöscht.“

Wingenfeld mahnt, die Taten von damals nicht zu vergessen. Die dunklen Kapitel der Stadt sollten nicht verdrängt, sondern in den Fokus gerückt werden. Dabei werde die Aufgabe, das Erinnern an damals zu bewahren, immer bedeutsamer, denn von Jahr zu Jahr gebe es weniger Zeitzeugen.

Die heutige Gesellschaft sei – auch wenn sie keine Schuld für die damaligen Ereignisse trage – in der Verantwortung, Haltung gegen Antisemitismus zu beziehen. „So können wir den Beweis erbringen, dass es uns möglich ist, aus der Geschichte zu lernen.“ Dies sei mit Blick auf die Bundeskriminalstatistik umso wichtiger. Wingenfeld verweist in dem Zusammenhang auf 1555 judenfeindliche Straftaten allein in diesem Jahr. Das entspreche fünf Straftaten pro Tag.

Um Haltung zu zeigen, plane die Stadt, das Areal der alten jüdischen Synagoge „wieder zu einem Ort für Begegnung, Bildung, jüdische Kultur und den interreligiösen Dialog“ zu machen. „In einem Schritt sollen in den nächsten Wochen archäologische Untersuchungen erfolgen, anschließend werden konkrete Konzepte für diesen Ort erarbeitet“, sagt Wingenfeld. So werde das Ziel der Nazis, „das jüdische Leben hier zum Erlöschen zu bringen“, am Ende scheitern.

Gebete sprachen Anke Mölleken, Pfarrerin der Fuldaer Lutherkirche, Fuldas Bischof Michael Gerber und Zafir Ahmad, Imam der Hanauer Ahmadiyya-Gemeinde, in Vertretung für seinen Fuldaer Kollegen Imam Ijaz Janjua. Auch Roman Melamed, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Fulda, gedachte den Opfern des Holocausts. (Lesen Sie hier: Ärger mit Gemeinde: In Speicherz droht die komplette Feuerwehr mit dem Rücktritt)

Den Abschluss des Gedenkabends bildete ein gemeinsames Gebet für den Frieden in der Ukraine und weltweit. (von Toni Spangenberg)

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