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Wie gefährlich ist Fulda für Radfahrer? Hitziger Streit im Stadtparlament

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Von: Sabrina Mehler

Fahrrad Fulda Leipziger Straße Fahrradklimatest
Beim Thema Radverkehr reiben sich in der Stadt die Gemüter. (Archivfoto) © Hanna Wiehe

Fulda hat kürzlich beim Fahrrad-Klimatest des ADFC erneut miserabel abgeschnitten. In der jüngsten Stadtverordnetenversammlung ist nun eine leidenschaftliche Debatte darüber entbrannt, wie komfortabel beziehungsweise wie gefährlich die Stadt für Radfahrer ist.

Fulda - Beim Thema Radverkehr bricht im Fuldaer Stadtparlament die Leidenschaft durch. Fünf Fragen zogen sich am Montagabend wie ein roter Faden durch die Debatte zum Radverkehr: Was ist nötig, damit die Fuldaer vermehrt vom Auto aufs Rad umsatteln? Wie gefährlich ist Fulda für Radler? Kann der motorisierte Verkehr nicht langsamer rollen? Wer hat Schuld an Rad-Unfällen? Und warum wird Bundes-FDP-Chef Christian Lindner eigentlich nie auf einem Drahtesel gesehen?

Fulda: Wie gefährlich ist Radfahren in der Stadt?

Ja, während der Sitzung der Stadtverordneten wurde fast jede mögliche und unmögliche Frage gestellt – Vorwürfe an den politischen Gegner inklusive. Zweimal brandete die Debatte an diesem Abend auf; zweimal stellte ein Stadtverordneter einen offiziellen Antrag auf Beendigung der ausufernden Diskussion.

Und einmal sah sich Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld (CDU) zu einem Machtwort veranlasst und griff zu einem biblischen Zitat: „Wer ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein.“ Die Debatte werde allzu emotional, befand er. Man müsse respektvoll miteinander umgehen – zumal man in der Sache gar nicht allzu weit auseinanderliege.

Die Stadtverordneten in Wallung haben eine Vorgeschichte: Vor rund vier Wochen hatte der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) seinen aktuellen Klimatest veröffentlicht und der Stadt Fulda ein schlechtes Zeugnis ausgestellt: Note 4,19. Minuspunkte gab es unter anderem für zu schmale Radwege, ein mangelndes Sicherheitsgefühl und zu viele Rad-Diebstähle.

Die Umfrage veranlasste nun sowohl die CDU-Fraktion als auch Stadtverordnete Ute Riebold (Die Partei), Anfragen an den Magistrat zu stellen: Die Union erkundigte sich nach Maßnahmen in die Infrastruktur sowie Aktivitäten, die Radfahren „ins Bewusstsein der Menschen bringen“. Riebold fragte unter anderem, ob Tempo 30 die Sicherheit für Radfahrende erhöhen könnte.

Auch wenn der OB feststellte, dass der Radverkehr „keine Frage der Fraktionszugehörigkeit, sondern eine Frage der individuellen Freiheit“ sei, ließ sich eine Konfliktlinie durch die Wählergruppierungen erkennen. Die Koalitionsfraktionen CDU, FDP, CWE behielten auch den motorisierten Verkehr im Blick, die Opposition drang auf mehr Bemühen um den Radverkehr, selbst wenn dies zu Lasten des Autoverkehrs geht.

Folgende Maßnahmen zur Verbesserung des Radverkehrs sind laut Stadtbaurat Daniel Schreiner derzeit in Bearbeitung:

• Künzeller Straße zwischen Heidelsteinstraße und Michael-Henkel-Straße: Sichere Führung der Radfahrer über das Gelände des Hauptfriedhofs

• Heidelsteinstraße zwischen Mainstraße und Hohenlohestraße: Herstellung von regelkonformen Radverkehrsanlagen (Baubeginn August 2023)

• Galgengraben zwischen Tannenbergstraße und B 27: Ausbau der vorhandenen Wegeverbindung zu einer regelkonformen Radverkehrsanlage

• Herstellung einer Radwegeverbindung zwischen Kohlhaus und Bronnzell (Metzgersau)

• Sanierung des Radweges parallel zur Johannisberger Allee (inklusive Verbreiterung)

• Interkommunale Radschnell-/Raddirektverbindung zwischen Petersberg und Eichenzell (zunächst Machbarkeitsuntersuchung)

• Weitere Fahrradabstellanlagen in der Innenstadt

• E-Bike-Sharing

• Aktion „Stadtradeln“

CDU-Fraktionschefin Patricia Fehrmann etwa stellte fest, dass es in Fulda zwar Verbesserungsmöglichkeiten gebe: „Aber wir haben schon viel erreicht. Das subjektive Bild ist besser als die ADFC-Studie den Anschein erweckt.“ Dr. Albert Post betonte: „Wir müssen alle Verkehrsgruppen – Radfahrer, Autofahrer, Fußgänger – im Blick haben. Und oft haben Fußgänger vor Radfahrern Angst.“

Michael Gehring (CDU) klang ähnlich: Auch Radfahrende verursachten Unfälle: „Es sind nicht immer die bösen Autofahrer.“ Martin Jahn von der CWE machte deutlich: „Fulda ist nicht fahrradunfreundlich, aber einfach auch keine Fahrradstadt wie Münster.“ Michael Grosch, Chef der FDP-Fraktion, schlug leisere Töne an: „Es nutzt nichts, wenn wir uns Vorwürfe machen. Wir müssen Kompromisse finden, um für alle Verkehrsteilnehmer Lösungen zu finden.“

Auf der gegenüberliegenden Seite im Fürstensaal des Stadtschlosses klang das Ganze etwas anders. Hans-Joachim Tritschler (SPD) sagte: „Die Sicherheit im Innenstadtbereich ist nicht gewährleistet. Es gibt Punkte, die verbessert werden müssen.“ Parteikollege Jonathan Wulff ergänzte: „Wenn Autofahrern etwas weggenommen werden soll, wird es gleich kritisch.“ Sie traue sich nicht, in Fulda aufs Rad zu steigen, gab Jutta Hamberger (Grüne) zu. Und Ute Riebold kritisierte: „Einige Stellungnahmen am heutigen Abend sind nicht auf Höhe der Zeit. Mit einer solchen Koalition kann die Rad-Wende nicht gelingen.“

Sowohl Bürgermeister Dag Wehner (CDU) als auch Stadtbaurat Daniel Schreiner (parteilos) machten deutlich, dass zum einen Tempo 30 aus rechtlichen Gründen nicht ohne Weiteres umgesetzt werden könne. Zum anderen müsse der Verkehrsraum stets „für alle Verkehrsteilnehmer gedacht werden“. Beide erklärten, dass beim Thema Radverkehr in der Stadt vieles vorangehe. Ob schnell und ausreichend genug – das dürfte sich am nächsten Fahrrad-Klimatest in zwei Jahren ablesen.

Kürzlich wurde in Fulda ein Radfahrer von einer BMW-Fahrerin erfasst und leicht verletzt. Außerdem befuhr eine 22-jährige Radfahrerin unerlaubt den Weimarer Tunnel, verlor die Kontrolle über ihr Fahrrad und stürzte.

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