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Obst für jedermann: Warum in Petersberg gelbe Bänder an Bäumen hängen sollen

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Von: Andreas Ungermann

Obst auf fremden Wiesen abernten, ohne dass man dabei straffällig wird – das soll in Petersberg möglich werden. Wer Äpfel, Birnen, Pflaumen und ähnliches pflücken will, muss dabei allerdings eine Markierung beachten.

Fulda - „Viele Obstbäume in Petersberg werden nicht oder nur teilweise abgeerntet. Zur Erntezeit sieht man oft Bäume an den Wegesrändern stehen, an denen einwandfreies Obst verfault, anstatt verwertet zu werden.“ Das stellen die Petersberger Grünen in einem Antrag fest, mit dem sie den Beitritt zur „Ernteaktion Gelbes Band“ forcierten – und bei einstimmigem Votum der Gemeindevertreter erreichten.

Fulda: Gemeinde Petersberg beteiligt sich an Ernteaktion Gelbes Band

Das Gelbe Band ist eine Aktion des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Dabei können Obstbaumbesitzerinnen und -besitzer ihre Bäume durch ein gelbes Band kennzeichnen und damit signalisieren: „Hier darf kostenlos und ohne Rücksprache geerntet werden. Verbraucherinnen und Verbraucher können so für den Eigenbedarf kostenlos Obst in ihrer Umgebung ernten und verwenden. Dadurch werden die wertvollen Früchte doch noch verwertet“, heißt es auf der Internetseite des Ministeriums.

Dieses berichtet, darüber hinaus, dass „jährlich in Deutschland entlang der gesamten Lebensmittelversorgungskette circa elf Millionen Tonnen Lebensmittel in der Tonne landen – ein Großteil davon macht Obst und Gemüse aus.“ Die Ernteaktion verbinde die Obstbaumbesitzerinnen und -besitzer mit Verbraucherinnen und Verbrauchern und lenke den Blick auf regionales und saisonal verfügbares Obst.

Aktion „Gelbes Band“
Bei der Aktion „Gelbes Band“ können Obstbaumbesitzer – wie hier im Kreis Esslingen – ihre Bäume markieren und zum Pflücken freigeben. Die Aktion erhielt 2020 den Bundespreis „Deutschland rettet Lebensmittel“. © Jens Häussler

Durch das eigene Abernten und Auflesen des Obstes bekämen die Verbraucherinnen und Verbraucher einen direkten Bezug zu diesen Lebensmitteln und würden für einen bewussteren, wertschätzenden Umgang mit Lebensmitteln sensibilisiert. (Lesen Sie hier: Rhöner Rangerinnen und Ranger laden ein: Aktionstag und Führungen am World Ranger Day)

Hohe Kosten sollen auf die Gemeinde durch die Teilnahme an der Aktion jedoch nicht zukommen. „Die meisten Gemeinden starten die Aktion mit zwei 75-Meter-Rollen, was einem Anschaffungspreis von circa 10 Euro entspricht“, erläuterte Grünen-Fraktionschefin Kerstin Hüsemann zu ihren Recherchen.

Obst pflücken für jedermann? Drei Fragen an Rechtsanwalt Knut Hillebrand

Wo darf man im öffentlichen Raum Obst ungestraft pflücken?

„Obstwiesen stehen meist im Eigentum von jemandem oder sind verpachtet. Damit steht die Nutzung der Bäume und damit auch der Früchte dem Eigentümer oder Pächter zu. Das gilt ebenfalls für Früchte, die an Ästen hängen, die über das Grundstück ragen. Ein sogenannter Überhang greift also nicht. Insofern geschieht das Pflücken nahezu immer widerrechtlich. Sollten Obstbäume doch als freigegeben markiert sein, gilt: Nur so viel pflücken, wie der Anstand gebietet.“

Inwiefern macht man sich beim Pflücken von Obst strafbar?

„Bis Mitte der 1970er Jahre gab es den eigenen Straftatbestand der Verbrauchsmittelentwendung. Inzwischen greift hier aber der Paragraf 242 Strafgesetzbuch, Diebstahl. Zu berücksichtigen ist jedoch Paragraf 248a Strafgesetzbuch, der Diebstahl geringwertiger Sachen. Dieser greift, wenn der Wert der entwendeten Sache unter 25 Euro liegt, was beim Diebstahl von Obst zumeist der Fall sein sollte.“

Welche Strafen drohen beim Mundraub?

„Für Diebstahl sieht das Strafgesetzbuch eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe vor. Da es beim Obst aber um geringwertige Sachen geht, ist zur Strafverfolgung ein Strafantrag durch den Eigentümer oder Pächter notwendig. Wird dieser nicht gestellt, erfolgt im Regelfall keine Strafverfolgung, es sei denn, die Staatsanwaltschaft sieht ausnahmsweise ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung gegeben. Dies ist aber nur selten der Fall.“

Ausgegeben werden soll das aus reißfestem Papier bestehende Band, das in der Forstwirtschaft verwendet wird und binnen ein bis zwei Jahren verwittert, im Rathaus und gegebenenfalls in weiteren Ausgabestellen. Weiterhin sprachen sich die Grünen dafür aus, die Aktion hinreichend publik zu machen und die geltenden Regeln klar zu kommunizieren.

Großen Diskussionsbedarf zu dem Antrag sahen die Petersberger Gemeindevertreter nicht – zumal die Grünen in der Antragsbegründung auch die Bedingungen für das Pflücken noch einmal aufgelistet hatten. Demnach müssen die Grundstücke so hinterlassen werden, wie sie vorgefunden werden. Es dürfen keine Äste abgebrochen oder Bäume beschädigt werden.

Bäume mit gelben Bändern - das Pflücken von Obst geschieht auf eigene Gefahr

Der letzten Zweifel, den Martin Neugebauer (SPD) formulierte, war im Antragstext auch bereits ausgeräumt: „Das Pflücken geschieht auf eigene Gefahr“, heißt es darin. Eine weitere wesentliche Bedingung ist zudem, dass die Ernte ausschließlich für den persönlichen Bedarf gedacht ist und nicht zu kommerziellen Zwecken verwendet werden darf.

Mit diesen Anmerkungen sah Neugebauer zudem bestätigt, dass nur „geeignete Bäume“ durch die Eigentümer zum Abernten freigegeben werden. „Insgesamt überwiegt damit für uns der positive Aspekt.“

Projekt in Schlüchtern

Nicht nur in Petersberg, auch im Kinzigtal laufen aktuell entsprechende Initiativen. Wie Birgit Neumann, Vorsitzende des BUND Schlüchtern-Sinntal-Steinau, berichtet, ist es den Naturschützern ein Anliegen, dem sinnlosen Verschwenden von Lebensmitteln Einhalt zu gebieten.

In Zusammenarbeit mit der Stadt Schlüchtern wurden im gesamten Stadtgebiet Obstbäume kartiert und markiert, an denen Obst hängt, das keine Abnehmer hat beziehungsweise für das es keine Verwendung gibt.

Damit interessierte Bürgerinnen und Bürger wissen, wo es was zu holen gibt, wurden die Bäume mit einer weißen Markierung gekennzeichnet. Eine weiße Markierung am Baum bedeutet somit: Hier darf Obst geerntet werden.

Um die Freude an dem „Freiobst“ möglichst vielen Menschen zu ermöglichen, gibt es ein paar grundsätzliche Regeln zu beachten:

• Die Ernte ist nur für den Eigenbedarf gedacht. Daher soll nur so viel Obst abgepflückt werden, wie auch wirklich selbst verwertet werden kann. Eine kommerzielle Nutzung ist untersagt.

• Von Bäumen dürfen keine Äste abgebrochen oder abgeschnitten werden, und auch Klettern und das Anstellen von Leitern ist untersagt.

• Auf den Wiesen herrscht absolutes Auto- und Zweiradverbot.

• Die Ernte erfolgt auf eigene Gefahr. Eine Haftung bei Unfällen wird weder vom BUND noch von Verpächtern und Pächtern übernommen.

Einen ähnlichen Tenor schlug Ewald Jonas (Linke.Offene Liste) an. Er legte Wert darauf, dass die Bäume nur zum Teil markiert und nicht gänzlich abgeerntet werden. Als Begründung führte er an, dass ansonsten die Vögel, die in der Region überwintern, nicht ausreichend Futter vorfänden.

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