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Tötung mit 33 Stichen - Angeklagter ist laut Ärztin nicht schuldfähig

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Von: Sabrina Mehler

Am Abend des 2. Mai ist in der Weserstraße in Fulda ein 45-jähriger Mann getötet worden. Nur wenige Stunden später wurde der damals 26 Jahre alte Tatverdächtige festgenommen.
Am Abend des 2. Mai ist in der Weserstraße in Fulda ein 45-jähriger Mann getötet worden. Nur wenige Stunden später wurde der damals 26 Jahre alte Tatverdächtige festgenommen. © Suria Reiche

Mit 33 Stichen soll der Angeklagte einen Bekannten in der Weserstraße in Fulda getötet haben. Doch der 27-Jährige leidet an paranoider Schizophrenie, fühlt sich verfolgt, hört immer wieder Stimmen. Ist er angesichts dieser Diagnose überhaupt schuldfähig?

Fulda - Eine Ärztin und Gutachterin hat dazu eine eindeutige Meinung. Der Prozess um das Tötungsdelikt vom Mai 2022 nähert sich seinem Ende. Der junge Mann ist wegen Totschlags angeklagt; in einem Mehrfamilienhaus in der Weserstraße in Fulda soll er einen 45-Jährigen, den er möglicherweise über Drogengeschäfte kennengelernt hatte, erstochen haben.

Schon im Verlauf der Verhandlung, die Anfang Dezember begonnen hatte, wurde schnell klar, dass der Angeklagte psychisch krank ist. Er sprach vor Gericht von „komischen Wahrnehmungen“ und „bösen Teufelsstimmen“, die ihn völlig beherrschen. Hinzu kommt: Er konsumierte immer wieder Drogen, darunter Amphetamine. Und zur Tatzeit nahm er seine Medikamente längst nicht mehr regelmäßig ein. 

Fulda: Tötung mit 33 Stichen - Angeklagter ist laut Ärztin nicht schuldfähig 

Vladlena Manakova, Ärztin in der forensischen Psychiatrie, trug am Donnerstag (19. Januar) ihr Gutachten vor und diagnostizierte bei ihm – wie auch schon Ärzte zuvor, bei denen der Angeklagte in Behandlung war – eine paranoide Schizophrenie. Zur Tatzeit habe er eine akute Psychose gehabt.

„Sein Handeln, Fühlen, Denken war beeinträchtigt. Er litt unter völligem Realitätsverlust.“ Er habe wohl gedacht, sich selbst verteidigen müssen, weil er sich selbst und auch seine Familie vom späteren Opfer bedroht gefühlt habe, erläuterte Manakova. Ihr Fazit: „Der Angeklagte war zur Tatzeit nicht einsichts- und steuerungsfähig. Wir müssen von einer Schuldunfähigkeit ausgehen.“ 

Am Dienstag begann in Fulda der Prozess gegen einen 27-Jährigen, der einen 45-Jährigen mit einem Messer getötet haben soll.
In Fulda läuft aktuell ein Prozess gegen einen 27-Jährigen, der einen 45-Jährigen mit einem Messer getötet haben soll. © Sabrina Mehler

Eine Frage, die bereits während des gesamten Prozesses eine Rolle spielte, beantwortete die Fachärztin ebenfalls: Inwieweit trägt der 27-Jährige trotzdem eine Schuld – denn hätte er nicht wissen müssen, welche schwerwiegenden Folgen es haben kann, wenn er seine Medikamente nicht mehr nimmt?

Das Absetzen der Arznei sei zwar für Außenstehende nicht nachvollziehbar, es entspreche aber dem Krankheitsbild, machte Manakova klar. Sie ließ auch keinen Zweifel daran, dass die Krankheit des Angeklagten „sehr sehr schwer zu behandeln“ ist. Seine Prognose falle ungünstig aus, man müsse stets damit rechnen, dass er gefährlich werden könnte.

Es besteht eine Wahrscheinlichkeit für wesensgleiche Delikte

Vladlena Manakova, Ärztin in der forensischen Psychiatrie

„Es besteht eine Wahrscheinlichkeit für wesensgleiche Delikte“, so formulierte sie. Das heißt: Dass er wieder einen Menschen töten könnte, ist nicht ausgeschlossen. Rechtsanwalt Rudolf Karras, der die Kinder des Opfers in der Nebenklage vertritt, sprach aus, was das im extremsten Fall bedeuten könnte: lebenslängliche Unterbringung des 27-Jährigen in einem psychiatrischen Krankenhaus – „und zwar lebenslänglich bis zum Tod“. 

Neben Manakova sprach ein weiterer Gutachter: Elmar Hofmann vom Institut für Rechtsmedizin in Gießen. Er berichtete, dass das 45 Jahre alte Opfer infolge der 33 Stichverletzungen verblutet war. Die Stiche in Brustkorb, Bauch, Rücken und Auge gingen teilweise so tief, dass sie Herz, Lungenschlagader, Darm und Magen trafen. 

Nach dem Fund einer leblosen Person fand in der Weserstraße in Fulda ein größerer Polizeieinsatz statt.
Der Angeklagte soll seinen Bekannten Anfang Mai 2022 in dessen Haus in der Weserstraße erstochen haben. © Fuldamedia

Zudem waren am Donnerstag drei weitere Zeugen geladen: Eine Ärztin für Psychiatrie vom Klinikum in Fulda, wo der Angeklagte im Sommer 2021 mehrere Wochen in stationärer Behandlung war, berichtete von den Medikamenten, die ihm verschrieben wurden. Zwei weitere Zeugen, die zum Angeklagten 2022 Kontakt hatten, konnten zur weiteren Aufklärung wenig beitragen. 

Die Plädoyers von Verteidiger Egon Schütz, Staatsanwalt Andreas Hellmich sowie den Anwälten Rudolf Karras und Knut Hillebrand, der die Schwester des Opfers als Nebenklägerin vertritt, werden am Donnerstag, 26. Januar, ab 9.30 Uhr gehalten. Mit dem Urteil wird für Montag, 30. Januar, gerechnet. 

Hatte der 27-Jährige, der wegen Totschlags angeklagt ist, eine sexuelle Beziehung zu seinem Opfer? Diese Vermutung war am vorherigen Verhandlungstag am Landgericht laut geworden. Auch das Verlangen des psychisch kranken Angeklagten, Blut trinken zu wollen, war Thema. „Dann werde ich zum Vampir“, hatte er ausgesagt.

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