267 Fälle von Angriffen auf Polizeibeamte registrierte das Polizeipräsidium Osthessen im vergangenen Jahr.
462 Polizeibeamte wurden dabei Opfer von Straftaten. Im Jahr zuvor waren es noch knapp 200 Beamte weniger. Dunkelziffer unbekannt.
Die Taktik der Begegnung mit Respekt und auf Augenhöhe funktioniere aber eben auch nicht immer und nicht mit jedem Gegenüber. „Die meisten Beleidigungen oder Angriffe im Alltag kommen aus Gruppen junger Männer heraus. Da muss man dann den Rädelsführer identifizieren, klar ansprechen und in letzter Konsequenz zur Not auch herausziehen.“ Es sind Beobachtungen, die auch Sanitäter machen und dabei teilen Polizisten und Helfer eine Einschätzung.
„Wenn Patienten uns gegenüber ausfällig werden, sind häufig Alkohol oder andere Drogen im Spiel“, berichtet Kristina Schmidt und erhält dafür Zustimmung von Phieler. Auch der Sanitäterin, die als Diplom-Sozialpädagogin zudem selbst in der Psychosozialen Notfallversorgung tätig ist, blieben Extremsituationen bislang nicht erspart. Oft sei sie beruhigt, wenn dann Polizeibeamte in der Nähe sein.
Ein solcher Eindruck bestätigt sich häufig im Gerichtssaal, wenn dort Ärzte aus der Notaufnahme aussagen, wie es ihnen mit intoxikierten Personen im Dienst ergeht. Besonders gefährlich, so bestätigten Sanitäterin Schmidt und Polizist Phieler, würden derlei Situationen, wenn das Gegenüber durch Drogen schmerzempfindlich würden und nur noch schwerlich bremsen.
Nicht nur Sicherheits- und Rettungskräfte leiden unter traumatisierenden Ereignissen. Auch die Partner – immerhin wichtige Gesprächspartner – werden oft mit nicht verarbeiteten Erlebnissen konfrontiert und können Folgen davon tragen. Davon geht eine Studie aus, an der Oliver Hochfeld aus Künzell derzeit im Zentrum für Psychiatrie und Psychotraumatologie des Bundeswehrkrankenhauses Berlin arbeitet.
Das Ziel der Erhebung, deren Fragen sich an die Partnerinnen und Partner von Einsatzkräften richten, ist es, Angehörige in der Einschätzung zu unterstützen, ob der Partner an einer einsatzbedingten Störung leidet. „Dadurch soll die Chance erhöht werden, schneller Hilfsangebote anzunehmen, um das im Einsatz Erlebte besser verarbeiten zu können“, erklärt Hochfeld. Noch sucht er Teilnehmer für das Projekt, die bereit sind, zweimal einen Fragebogen auszufüllen, der sich mit Veränderungen im Verhalten und im Umgang mit der Partnerin oder dem Partner beschäftigt.
Aus ihren beiden Tätigkeit weiß sie um die Bedeutung einer guten Betreuung – nicht nur nach direkten Attacken und Extremsituationen, sondern auch nach Großlagen. Dass die richtigen Ansprechpartner zeitnah zur Verfügung stehen, sei entscheidend für eine Stabilisierung von Einsatzkräften. Konfrontationen und Belastungen bleiben nicht in der Uniform oder Dienstkleidung stecken.
„Es wäre schön, wenn sich das so einfach ablegen ließe“, meint Phieler. Ganz wichtig seien das Gespräch und auch der Mut der Einsatzkräfte selbst, Hilfe zu suchen, ergänzt Malteserin Schmidt. Ohne Reflexion und Supervision – die Erkenntnis hat sich gerade in den vergangenen Jahren bestätigt – geht es in psychisch anstrengenden Berufen nicht. Es sei wichtig, dass Einsatzkräfte wüssten an wen sie sich vertrauensvoll wenden können. Das reiche von unkomplizierten niederschwelligen Angeboten, über bewusste Auszeiten bis hin zu temporären oder dauerhaften Aufgabenwechseln in weniger belastenden Feldern.
Mario Phieler, und Kristina Schmidt und Sven Steffes-Holländer diskutierten im Herbst bei einer Podiumsdiskussion der Friedrich Naumann Stiftung im Bonifatiushaus über das Thema „Gewalt gegen Helfer – verroht unsere Gesellschaft?“