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„Ökologisch und effektiv“ oder vor allem „profitabel“? Zukunft des Kalibergs erhitzt weiter die Gemüter

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Von: Volker Nies

Kaliberg in Neuhof
Die Zukunft des Kalibergs dominiert die kommunalpolitischen Diskussionen in Neuhof. © Charlie Rolff

Kali und Salz (K+S) will den 190 Meter hohen Kaliberg abdecken und begrünen – mit Millionen Tonnen Erde und Bauschutt. Viele Neuhofer sehen diese Pläne mit Sorge. Zu einem Infoabend der Jagdgenossenschaft Neuhof-Ellers begrüßte Vorsitzender Ralf Enders unlängst 200 Zuhörer.

Neuhof - „Das Vorhaben wird jeden in Neuhof über einen sehr langen Zeitraum betreffen, daher sprechen wir von einer ‚historischen Zäsur für Neuhof‘“, sagte Referent Dr. Karl-Ludwig Ruppel. „Ich stehe hier, weil ich mir Sorgen mache“, fügte der zweite Referent, Jörg Burkard, an. Sie fragten: Ist die von K+S geplante Dickschichtabdeckung „ökologisch und effektiv“, wie es K+S erklärt, oder vor allem „profitabel“ für das Unternehmen? Und: Welche Folgen wird dieses Vorhaben für die Bürger von Neuhof (Kreis Fulda) haben?

Fulda: Große Sorge um geplante Abdeckung des Kalibergs

Die Referenten merkten an, dass mit der von K+S bevorzugten Dickschichtabdeckung das „politisch angestrebte Ziel, die Einleitung von Salzabwässern in Werra und Weser bis 2075 weitgehend zu vermeiden“ nicht erreicht werde. „Bei gleichzeitig fortschreitender Aufhaldung aus laufender Produktion wird in den ersten Jahrzehnten keine effektive Reduzierung der Haldenabwässer erreichbar sein. Im Gegenteil könnten sie zunächst sogar zunehmen.“

Nach der aktuellen Planung werde es 105 Jahre dauern, bis die Halde vollständig mit den 89 Millionen Tonnen Erde und Bauschutt abgedeckt wäre: „Damit verlässt K+S den Rahmen der politischen Absprachen in der Flussgebietsgemeinschaft Weser, die Ende 2021 einen Abschluss der Maßnahmen bis 2075 vorausgesetzt hatte“, bemerkte Ruppel.

Infoveranstaltung der Jagdgenossenschaft
Das Gemeindezentrum war bei der Infoveranstaltung der Jagdgenossen voll besetzt. © Jagdgenossenschaft

Dass die Planung „beispiellos aus der Zeit gefallen“ sei, begründete Burkard mit den zu erwartenden Eingriffen in die Natur. K+S wolle eine 10,2 Hektar große Recycling- und Steinbrecheranlage am Wanderparkplatz nahe dem Schacht II anlegen und die Landstraße nach Giesel verlegen. 100 Hektar Wald würden abgeholzt, darunter ökologisch hochwertige Flächen um die Halde. Auf die Bewohner von Neuhof komme über Generationen eine enorme Belastung durch Schwerlastverkehr, Lärm, Staub und weitere Emissionen zu.

Das größte Risiko für Mensch, Umwelt und Grundwasser könnte nach ihrer Ansicht in den Schadstoffen liegen, die in dem bis zur Schadstoffklasse LAGA Z2 klassifizierten Bodenaushub und Bauschutt enthalten sein werden. Offen sei insbesondere, was mit den schadstoffbelasteten Abwässern passieren solle, die an und unter der in weiten Teilen nicht abgedichteten Halde entstehen werden.

Auf die Bewohner von Neuhof kommt über Generationen eine enorme Belastung zu.

Karl-Ludwig Ruppel, Referent an dem Info-Abend

„Wir haben am Ende schlimmstenfalls nicht nur die Ewigkeitslast für eine Kalirückstandshalde, sondern noch eine weitere Ewigkeitslast für eine Abfall-Deponie gigantischen Ausmaßes“, warnten die Referenten. Die Auswirkungen werde jeder in Neuhof spüren, vor allem aber seien die folgenden Generationen von dem „Jahrhundertprojekt“ betroffen.

Neuhof verliere an Lebensqualität. Die Referenten warnten: „Die Immobilienpreise werden fallen, wenn Umwelteinflüsse in diesem Umfang über einen so langen Zeitraum auf eine Gemeinde einwirken.“ Es müsse eine Lösung für die Zukunft der Halde gefunden werden. K+S konzentriere sich aber nur auf ein einziges Konzept, die Dickschichtabdeckung. „Dieses Verfahren hat den größten wirtschaftlichen Anreiz für K+S“. Nach vorsichtiger Schätzung dürfe K+S allein für die Ablagerung belasteten Abdeckmaterials mit Umsätzen um drei Milliarden Euro rechnen.

Zuerst aber müsse dringend dem rasanten Wachstum des „Monte Kali“ begegnet werden. K+S habe dazu inzwischen technische Möglichkeiten entwickelt, die Produktionsrückstände direkt unter Tage in die leeren Stollen zu versetzen. Schließlich appellierten sie an die Verantwortung bei K+S, Alternativkonzepte zu prüfen und eine Planung zu entwickeln, die für die Bewohner von Neuhof und die Natur verträglich ist.

Geplante Abdeckung des Kalibergs: 200 Zuhörer bei Info-Abend der Jagdgenossen

Bürgermeister Heiko Stolz (CDU) sagte, dass Alternativen geprüft werden müssten. Es müsse letztlich der „Spagat zwischen Arbeit, Umwelt und Lebensqualität gelöst werden – möglichst im Konsens zwischen K+S, der Gemeinde, der Landespolitik und den Bürgern“. Die Gemeinde stelle Geld bereit, um die Planung des Konzerns professionell begleiten zu können.

In der Diskussionen meldeten sich viele Bürger – ausnahmslos ablehnend. Anwohner äußerten die Sorge, dass in Neuhof „die größte Abfalldeponie bundesweit“ entstehen könnte. Die SPD-Landtagsabgeordnete Sabine Waschke sagte: „Mit 300 LKW-Bewegungen am Tag und einer Brecheranlage mit einem Volumen von 4000 Tonnen am Tag, da kommt eine Belastung auf uns zu, von der wir gar keine Vorstellung haben.“ Sie appellierte an die Verantwortung der K+S-Verantwortlichen. „Werden Sie der Verantwortung gerecht, die Sie auch für die Bürger von Neuhof haben!“

Eine Anwohnerin erklärte: „Grün wird die Halde erst in 105 Jahren sein. Jetzt gehören Lärm und das Klappern vom Förderband zu Neuhof dazu. Wenn das Vorhaben kommt, was will man dann noch hier? Da kann ich für mich nur sagen – ich ziehe hier weg.“ Enders äußerte die Hoffnung, dass in Neuhof eine Bürgerinitiative entsteht.

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