Verdachtsfälle in Fulda: So viele gefälschte Impfpässe entdecken Apotheker

800 Strafverfahren wegen gefälschter Corona-Impfpässe laufen in Hessen. Im Landkreis Fulda hingegen handelt es sich um eine einstellige Zahl an Sachverhalten. Verdachtsfälle bei der Ausstellung des digitales Impfausweises gibt es jedoch oft, berichten Apotheker aus dem Kreis.
Fulda - Ein bis zwei verdächtige Impfpässe fallen Eugenia Engel, Inhaberin der Aschenberg Apotheke in Fulda, pro Tag in die Hände. „Wir sprechen unsere Kunden immer direkt darauf an, wenn uns an ihrem Impfpass etwas nicht ganz logisch erscheint“, sagt Engel und fügt hinzu: „In solchen Verdachtsfällen stellen wir keinen digitalen Impfpass aus.“
Stattdessen würden die Kunde an die Stelle verwiesen, an der sie auch geimpft wurden, damit sie sich dort einen Pass ausstellen lassen. In der Regel reagierten die Menschen verständnisvoll und gingen einfach. Ausnahmen gebe es jedoch immer, berichtet Engel. Ein Fall blieb ihr besonders im Gedächtnis, sagt sie: „Einmal hatten wir einen jungen Mann hier stehen, der dann plötzlich seinen Impfpass schnell zurück haben wollte“, sagt die 37-Jährige.
Fulda: Impfpass-Fälschungen - Apotheken berichten von Verdachtsfällen
Besonders verdächtig sei ein Impfpass dann, wenn er nigelnagelneu sei und nur die Corona-Impfungen vermerkt seien. „Und wir wissen natürlich, wann unser Impfzentrum in Fulda geschlossen hatte – ein Stempel des Impfzentrums nach dessen Schließung ist dann schon sehr verdächtig“, betont die Apothekerin.
Michael Sapper besitzt zwei Apotheken – die St. Bonifatius Apotheke in der Fuldaer Innenstadt und die St. Georg Apotheke in Poppenhausen. „Draußen auf dem Land haben wir damit keine Probleme“, berichtet er. „In der Stadt ist das Publikum bunt gemischt, da haben wir Verdachtsfälle.“ (lesen Sie auch hier mehr: Strengere Corona-Regeln - Gastronomen befürchten mehr gefälschte Impfpässe).
Insgesamt handele es sich jedoch um eine niedrige einstellige Zahl an Fällen in diesem Jahr, bei denen der Verdacht bereits aufgekommen sei. „Es gibt Anhaltspunkte, auf die man achten sollte, wenn man sich einen Impfpass anschaut“, sagt Sapper, möchte aber aus Sicherheitsgründen nicht genauer auf diese eingehen.
Wenn der Verdacht aufkommt, dass der Pass gefälscht sein könnte, werde der Kunde darüber informiert, sagt Sapper. In den Fällen, die in seiner Apotheke vorgekommen seien, hätten sich die Kunden mit einer Überprüfung einverstanden erklärt. „Dummerweise war die Praxis dann jedoch nicht zu erreichen.“ Der Kunde sei dann mit seinem Pass – ohne digitales Zertifikat – wieder gegangen. Überprüft würden der Impfpass und der Personalausweis. Dann würden die Dokumente gescannt.
Impfpass-Fälscher: Wenige Verdachtsfälle bei der Polizei Fulda
Seit Beginn des Jahres 2021 wurden dem Polizeipräsidium Osthessen für den Bereich des Landkreises Fulda bislang Sachverhalte im einstelligen Bereich bekannt, die im Kontext mit möglicherweise gefälschten Impfausweisen beziehungsweise unrechtmäßig ausgestellten Impfnachweisen stehen. Das teilt Polizeisprecher Dominik Möller mit. Hierzu hat die Polizei entsprechende Ermittlungen aufgenommen. Als mögliche Straftatbestände kommen unter anderem die Urkundenfälschung gemäß Paragraf 267 Strafgesetzbuch und das Ausstellen eines falschen Gesundheitszeugnisses gemäß Paragraf 278 Strafgesetzbuch in Betracht. /mal
„Es ist sehr schwer zu erkennen, welche Impfpässe gefälscht sind und welche nicht“, sagt auch Rhea Coester, Inhaberin der Coesterschen Apotheke in Neuhof, und ergänzt: „Da zu uns hauptsächlich Stammkunden aus Neuhof kommen, die wir gut kennen, passiert es selten, dass wir Verdacht schöpfen.“ (lesen Sie auch hier mehr: Polizei stellt bei Durchsuchungen in Unterfranken gefälschte Corona-Impfpässe sicher).
Bisher habe es nur einen Verdachtsfall gegeben, als ein junger Mann mit einem Impfpass aus dem europäischen Ausland kam. „Die Chargennummern beider Impfungen waren identisch – das ist etwas, was zumindest in Deutschland nicht vorkommt. Normal sind diese Nummern immer unterschiedlich“, erklärt Coester. Nachdem die 45-jährige Apothekerin ihren Verdacht geäußert hatte, sei der Kunde mitsamt seinem Impfpass aus der Apotheke gerannt.
Corona in Fulda: Einschalten der Polizei durch die Apotheken problematisch
Eva Reuß, Inhaberin der Vogelsberg-Apotheke in Hosenfeld, hat bisher keinen Verdachtsfall erlebt, ist aber aufmerksam: „Wir achten darauf, dass wir nur Impfpässe aus der Region ausstellen, dass die Etiketten ein Wasserzeichen haben und der Pass nicht ‚jungfräulich‘ ist, also nur die Corona-Impfungen darin stehen“, erläutert Reuß. Aus datenschutzrechtlichen Gründen dürfe sie als Apothekerin die Impfärztin oder den Impfarzt nicht ohne Zustimmung des Kunden kontaktieren.
„Das Einschalten der Polizei ist problematisch, da Apotheker der Verschwiegenheit nach Paragraf 203 Strafgesetzbuch unterliegen und sich gegebenenfalls strafbar machen können“, erklärt Ulrich Laut, Geschäftsführer der Apothekerkammer Hessen und Rechtsanwalt. In einer Mitgliederinformation teilt die Kammer mit: „In der aktuellen Situation halten wir es für geboten und vertretbar, wenn Apotheken in Fällen, in denen Zweifel an der Echtheit eines Impfnachweises besteht, kein Zertifikat ausstellen, sondern die Person an die Stelle verweisen, an der sie geimpft wurde.“
Dies gelte auch in den Fällen, in denen die Impfung in großer räumlicher Entfernung oder in einem bereits geschlossenen Impfzentrum erfolgt sei. Allerdings, so Laut, werde sich die Situation alsbald vermutlich entspannen, denn es werde eine Verifizierungsmöglichkeit für Apotheken in Aussicht gestellt. Die Polizei hingegen rät, sich mit ihr in Verbindung zu setzen.
Video: Apothekern wird Aufspüren gefälschter Impfpässe erleichtert
Die Polizei in Hessen ermittelt indes aktuell in mehr als 800 Strafverfahren im Zusammenhang mit gefälschten Impfpässen und Impfausweisen. Das teilte das Innenministerium in Wiesbaden der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mit. Pro Verfahren würden teils sehr viele gefälschte Impfpässe sichergestellt. Allein bei einem Fall in Nordhessen seien den Ermittlern 800 Dokumente in die Hand gefallen, die zur Fälschung vorgesehen waren.
„Die Fälle zu gefälschten Impfpässen werden häufig bei Kontrollen, als Zufallsfunde bei anderen Ermittlungsverfahren oder über Anzeigenerstattung durch Bürgerinnen und Bürger erkannt“, teilte Innenminister Peter Beuth (CDU) mit. Die Dunkelziffer von Impf-Fälschungen wird laut Innenministerium als hoch eingeschätzt. Die hessische Polizei warnt die Geimpften davor, auf sozialen Netzwerken ihre Impfdokumente zu posten.