„Jede Misere bietet eine Chance“ - Fuldaer Autor André Lothar Thuns über sein neues Buch

Wie kann ich mit meinem Schicksal besser umgehen? Diese und andere Fragen beantwortet der in Fulda geborenen André Lothar Thuns (43) in seinem ersten Buch „Hamingja. Selbst geschöpftes Schicksal“. Dazu haben wir ihn interviewt.
Wie kamen Sie auf die Idee, einen Ratgeber zu schreiben?
André Lothar Thuns: Ich wollte ursprünglich einen Wegweiser, einen Wegbereiter schreiben. Mich hat inspiriert, dass es ganz viele Ratgeber gibt, die auf den buddhistischen oder indigenen Kulturen basieren. Im Bereich Europa habe ich eine Vakanz ausgemacht. Wir haben unsere christliche Kultur, aber auch eine Kultur davor.
Mir war es wichtig, in diesem Bereich zu forschen und Parallelen beispielsweise zur fernöstlichen Mythologie und anderen Glaubensrichtungen zu finden. Ich glaube einfach, dass bei uns verschiedene Wahrheiten und Wirklichkeiten verloren gegangen sind, dass aber Mythen und Archetypen in uns vorhanden sind und auch noch in uns wirken. Den Bezug dazu möchte ich einfach aufzeigen.
Wie kamen Sie an Material für die Teile des Buchs, die aus der indogermanischen Kultur stammen?
Das ist tatsächlich schwierig, da es unterschiedlichste Quellen gibt. Letztendlich stößt man bei der Internetsuche immer wieder auf Wikipedia. Ich habe viele Bücher gelesen, die sich mit dem europäischen Kulturraum und mit Psychologie und Philosophie beschäftigen. Außerdem befasse ich mich persönlich schon lange mit anderen Themen wie der Quantenphilosophie und habe dann diese Themen übereinandergelegt. Das war für mich das Ausschlaggebende.
Wirkt Ihr Beruf als Offizier auch ein bisschen hinein in die Überlegung, wie Schicksal auf mich und meine Umwelt wirkt?
Grundsätzlich hat die Idee, das Buch zu schreiben, nichts damit zu tun, dass ich Soldat bin. Aber ich glaube schon, dass das ein Beruf ist, in dem man eine andere Perspektive auf Tod, Leiden und Sterben hat. Also muss ich sagen, dass es einen Einfluss hatte, weil es immer präsent in meinem Leben war. Zum Beispiel erneuert man immer, wenn man in einen Einsatz geht, sein Testament und wird unwiderruflich mit dem eigenen Sterben konfrontiert. Durch diese Konfrontation wird das, was so salopp in jedem Ratgeber steht – lebe jeden Tag, als ob es dein letzter wäre –, viel präsenter.
Fulda: Interview mit Buchautor André Lothar Thuns
Also geht es auch um eine andere Perspektive auf das Leben?
Ja, die Perspektive des Soldaten auf das Leben, ist eine andere. Diese ständige Konfrontation mit dem Tod regt zum Nachdenken an und dazu, das Leben wirklich so zu leben, als wenn es der letzte Tag wäre. Es fordert auf, sich jeden Tag zu fragen, ob ich für heute alles geregelt habe, was ich regeln kann, ob ich alles gesagt habe, was ich sagen wollte, und ob ich mit meinen Liebsten reinen Tisch gemacht habe.
Also animiert das Buch mehr, nachzudenken über das, was man für sich selbst tun kann, und es geht weniger darum, jemanden auf einen bestimmten Weg zu schieben?
Genau. Letzteres finde ich wirklich bedenklich, weil ich der Meinung bin, dass jeder für sich selbst einen Weg finden muss. Selbsterkenntnis von innen bringt Wahrhaftigkeit, keine Belehrungen von außen. Letztendlich bereitet einem das Schicksal immer wieder Wege, Dinge zu erkennen. Entweder erkenne ich diese Dinge oder stehe wieder vor derselben Aufgabe. (Lesen Sie hier: Aus „Kerber“ wird multifunktionales Stadtquartier: Fulda erhält 2,63 Millionen Euro vom Bund)
Soll Ihr Buch anregen, die eigene Person zu hinterfragen?
Absolut. Es geht darum, dass Schicksal nicht das ist, was viele Leute denken. Oft sind Menschen der Ansicht, dass sie etwas, das ihnen widerfährt, nicht verhindern können, weil es eben Schicksal war. Stattdessen sollen die Leute erkennen, dass sie selbst für ihr Schicksal verantwortlich sind oder dass ihnen durch das Schicksal eine Entwicklung ermöglicht wird – durch das, was sie gesagt, gedacht und vor allem getan haben. Ich persönlich glaube, dass ich das, was ich tue und erfahre, wieder abgebe – an ein kollektives Bewusstsein.
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Braucht man für diese Selbstreflektion nicht auch eine gewisse Lebenserfahrung?
Ja, und vor allem hat das Schicksal oft einen spürbaren Preis. Dass Leid nichts Schlimmes ist, sondern etwas Gutes, auch das möchte ich vermitteln. Die materielle Welt funktioniert durch Resonanz, also durch Liebe, aber auch Polarität – passend zu dem, was viele sagen, nämlich dass in jeder Krise auch eine Chance steckt.
Jede Misere bietet eine Chance, sich von alten Denkmustern zu lösen und sich einzugestehen, dass etwas eben jetzt nicht mehr so läuft wie vorher und dass nun die Gelegenheit gekommen ist, nochmal neu anzusetzen. Das, was sich bewährt hat, kann man gerne mit in die Zukunft nehmen. Man sollte aber auch Raum lassen für neue Konzepte – als Gesellschaft, aber auch als einzelner Mensch.
Gibt das Buch auch Anstoß an den Leser, anders über manche Sachen nachzudenken?
Unbedingt. Das Buch muss offen sein. Es hat natürlich alles seine Begrenzung, etwa durch Menschenrechte, Freiheit oder Selbstverwirklichung. Aber grundsätzlich ist alles möglich, und das sind ja auch die Erkenntnisse der Quantenphysik, die besagt, dass es ein Meer von Möglichkeiten, ein Hintergrundfeld voll Informationen gibt, die ich aus mir selbst heraus schöpfen kann.
Was sind – ohne zu viel zu verraten – die Eckpunkte, an denen entlang sich der Inhalt Ihres Buchs aufbaut? Oft herrscht ja der Grundgedanke vor, dass Planen und Handeln an linear verbundenen Punkten verläuft.
Das ist eine interessante Frage, denn ich will ja eigentlich mit diesem linearen Denkmuster aufräumen. Ich denke da eher zyklisch – in meiner Denkweise gibt es keine Linien und keine Eckpunkte. Es ist eher ein Kreis oder eine Spirale. Das erinnert mich an den Entscheidungsfindungsprozess der Bundeswehr. Ich stehe vor eine Aufgabe, beurteile diese und gehe sie an.
Je nachdem, ob ich mutig bin und neue Wege gehen kann, werde ich diese Aufgabe lösen können – gehe ich den Weg des geringsten Widerstandes, komme ich wieder genau dort raus, wo ich angefangen habe. Dann muss ich alles neu beurteilen. Ich würde fast sogar so weit gehen zu sagen, dass es noch nie einen Anfang und ein Ende gab, sondern dass schon immer alles ein Kreislauf ist.
Was soll am Ende der Lektüre des Buches hängen bleiben?
Am Ende soll hängen bleiben, dass jeder die Möglichkeit hat, sein eigenes Schicksal zu schöpfen. Hamingja wird oft als Schicksalsfrau dargestellt, aber die indogermanische Denkweise, aus der auch später monotheistische Religionen entstanden sind, sagen, dass das einfach nur Aspekte unseres Selbst sind – unsere Verbindung zur Singularität und zum Universum. Aus dieser Verbindung, aus der Stille und einer inneren Einkehr kann so viel Kraft geschöpft werden, dass ich den Mut und die Kreativität entwickle, alles in mir zu verändern. Alles ist möglich!