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„Ich will dem Bund auf die Finger hauen“ - Jürgen Lenders will nach 13 Jahren im Landtag in den Bundestag

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Von: Volker Nies

 Jürgen Lenders
Jürgen Lenders steht auf der FDP-Landesliste auf Platz fünf. Er hat gute Chancen, dem neuen Bundestag, der in zehn Tagen gewählt wird, anzugehören. ©  Volker Nies

Jürgen Lenders (55) hat schon auf vielen politischen Ebenen gearbeitet: Er war Stadtverordneter in Fulda, Kreis- und Bezirksvorsitzender der FDP. Seit 2008 ist er Landtagsabgeordneter. Jetzt will er Abgeordneter bleiben – aber von Wiesbaden nach Berlin wechseln.

Fulda - Sein Wort hat Gewicht in der hessischen FDP und in der Landespolitik: Er ist stellvertretender Vorsitzender der hessischen Liberalen. In der FDP-Landtagsfraktion ist er als Parlamentarischer Geschäftsführer gemeinsam mit Fraktionschef René Rock dafür verantwortlich, dass die Arbeit der Fraktion rund läuft. Ein Journalist hat ausgerechnet, dass in dieser Wahlperiode niemand mehr Reden im Landtag gehalten hat als er.

Jürgen Lenders hat sich viel aufgebaut in Wiesbaden. Würde er am 26. September in den Bundestag gewählt, dann müsste er sich in der FDP-Bundestagsfraktion hinten anstellen. Warum also will Lenders nach Berlin? „Es geht mir bei dieser Frage nicht um Selbstverwirklichung. Vielmehr habe ich festgestellt, dass viele Fragen, die für die Region wichtig sind, nicht im Landtag, sondern im Bundestag entschieden werden.“

Fulda: Jürgen Lenders will nach 13 Jahren im Landtag in den Bundestag

Als Beispiele nennt Lenders den Tourismus und die Energiepolitik, Forschung und Wohnungsbau, Wirtschaft und Flugverkehr. Aber er räumt auch ein, dass es ihn jetzt reize, etwas Neues anzupacken. Nach 13 Jahren im Landtag werde man „ein Stück betriebsblind“. „Vor allem will ich in Berlin dem Bund auf die Finger hauen, wenn er Dinge regeln will, die auf den unteren Ebenen viel besser – nämlich klüger und bürgernäher – zu regeln sind: Das reicht von der Corona-Politik bis zum Straßenbau, vom Ausbau des schnellen Internets bis zum Bau der Übertragungsstromnetze.“

Dass der Bund etwa im Fall der Starkstromtrasse Suedlink das letzte Wort bei der Planung an sich gerissen habe, sei ebenso falsch wie die Gründung der Autobahn GmbH durch den Bund, die den Ländern die Zuständigkeit für den Bau und die Reparatur von Autobahnen abgenommen hat. Lenders wehrt sich auch gegen Bestrebungen, die Bildungspolitik bundesweit zu vereinheitlichen. „Eine Vereinheitlichung führt zwangsläufig zum Verlust an Qualität. Schulpolitik sollte deshalb in der Zuständigkeit der Länder bleiben.“ Lenders will auch wirtschaftlichen Sachverstand in den Bundestag bringen. Denn Unternehmer gebe es in den Parlamenten immer weniger.

Serie zur Bundestagswahl

In einer Serie zur Bundestagswahl 2021 stellt die Redaktion die Direktkandidatinnen und Direktkandidaten im Wahlkreis Fulda (174) vor. Heute: Jürgen Lenders. In Teil eins ist Michael Brand (CDU) porträtiert worden, in Teil zwei Birgit Kömpel (SPD).

Dass der Fuldaer einmal Berufspolitiker wird, war ihm nicht in die Wiege gelegt. Er ist in Krefeld geboren und am Niederrhein aufgewachsen. Nach dem Realschulabschluss absolvierte er eine Ausbildung zum Kaufmann im Elektrohandwerk. Nach dem Wehrdienst arbeitete er wieder in seinem Ausbildungsbetrieb und dann in einer Firma für Ladenbau als Einkaufsleiter. (Lesen Sie hier: Welche Partei soll ich wählen? Wahl-O-Mat zur Bundestagswahl 2021 ist online)

1994 kam er nach Fulda. Er gründete die Firma Licht + Concept, deren Inhaber und Geschäftsführer er bis heute ist. Die Arbeit als Unternehmer schärfte seinen Sinn für die Politik. Ein Jahr später trat er der FDP bei – und er engagierte sich für Fuldas Innenstadt. 1998 bis 2011 war er Vorsitzender des City Marketing.

Lenders wurde Stadtverordneter, Chef der FDP-Fraktion in Fulda und 1997 FDP-Kreisvorsitzender. Zweimal kandidierte er vergeblich für den Landtag, doch 2008 klappte es dann: Lenders stand auf Platz 10 der Landesliste, elf Mandate erhielt die FDP. Lenders wurde Landtagsabgeordneter. Er erlebte zweimal hautnah mit, wie die FDP Koalitionsgespräche führte, und dann, wie eine Fraktion in der Regierungsverantwortung arbeitet – zwei intensive Erfahrungen, die nicht viele Mitglieder der neuen FDP-Bundestagsfraktion mitbringen werden.

Lenders: „In Berlin will ich dem Bund auf die Finger hauen“

Die Chancen, dass Lenders dem neuen Bundestag angehören wird, stehen nicht schlecht. Auf Platz 5 der Landesliste ist er gut abgesichert. Schon heute entsendet die hessische FDP sechs Abgeordnete nach Berlin. 2017 hatte die FDP 10,7 Prozent bekommen. Aktuelle Umfragen deuten darauf hin, dass die FDP jetzt eher stärker als vor vier Jahren werden könnte. Erreicht die FDP mehr als zehn Prozent, zieht Lenders in den Bundestag ein.

Als Beisitzer im Bundesvorstand der Liberalen Schwulen und Lesben und Leiter des Arbeitskreises Wirtschaft, Mittelstand und Tourismus der FDP-Fraktionsvorsitzendenkonferenz der Länder hat Lenders schon viele Kontakte auf Bundesebene geknüpft. Dem FDP-Kandidaten wurde übrigens vorgeworfen, Wahlkampf auf Kosten der Steuerzahler zu betreiben. Diese Vorwürfe stritt er jedoch ab.

Große Wahlveranstaltungen führt die FDP im Wahlkreis Fulda-Lauterbach nicht durch. Zu groß war die Unsicherheit über die Entwicklung der Corona-Lage. Aber auch ohne große Events, davon ist Lenders überzeugt, hat die FDP Rückenwind: „Es gibt, gerade unter jungen Leuten, viele Menschen, die offen, optimistisch und chancensuchend auf die Welt blicken. Beim Thema Klimaschutz etwa streben sie nach Innovationen und technischen Lösungen und nicht nach Verboten.“

Nach den aktuellen Umfragen gäbe es mehrere Konstellationen, in denen die FDP in Zukunft mitregieren würde. „Viel spricht dafür, dass auch die Grünen dabei ein Partner sein werden. Klar ist: Die FDP und ihre Politik müssen dabei deutlich sichtbar sein.“

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