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Zwei Wochen in der Wildnis: Künzellerin kümmert sich um verwaiste Nashornbabys

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Von: Sophie Brosch

Katinka Mai hat zwei Wochen lang in Südafrika Nashornbabys und andere Tiere mit der Flasche aufgepäppelt.
Katinka Mai hat zwei Wochen lang in Südafrika Nashornbabys und andere Tiere mit der Flasche aufgepäppelt. © privat

Katinka Mai (47) aus Künzell hat zwei Wochen lang in Südafrika Nashornbabys mit der Flasche aufgezogen. Im Gespräch mit unserer Zeitung berichtet sie vom Projekt, Problemen mit Wilderern und anderen Herausforderungen ihrer Reise.

Künzell/Mbombela - Als Urlaub könnte man die zweiwöchige Südafrika-Reise von Katinka Mai wohl nicht bezeichnen. Vor wenigen Wochen war die 47-Jährige, die mit ihrer Familie in Künzell im Kreis Fulda lebt, nach Mbombela geflogen, um sich dort um verwaiste Nashörner zu kümmern. „Nashörner sind seit jeher meine Lieblingstiere“, erzählt Mai, die in einem Buch auf ein Freiwilligenprogramm von „Care for Wild“gestoßen ist.

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Die Organisation betreibt unweit des Krüger Nationalparks die weltgrößte Nashornwaisen-Auffangstation. Dort werden Jungtiere, deren Eltern meist von Wilderern getötet wurden, aufgezogen und anschließend in geschütztem Rahmen wieder ausgewildert. In Afrika sind das Breitmaul- und das Spitzmaulnashorn zu Hause – beide Arten gelten laut Roter Liste der Weltnaturschutzunion IUCN als gefährdet beziehungsweise vom Aussterben bedroht.

Aus ihrer Liebe zu den Tieren und dem Bedürfnis zu helfen, bewarb Katinka Mai, die hauptberuflich im Marketingbereich arbeitet, sich schließlich als freiwillige Helferin bei „Care for Wild“ – und wurde angenommen. Mitte März begann ihre Reise ins Ungewisse, wie sie erzählt. „Da die genaue Lage des Waisenhauses wegen der Wilderer geheim gehalten wird, wusste ich nicht, wohin die Reise geht.“ Am Flughafen in Südafrika sollte sie von „Duncan“ abgeholt werden, eine Handynummer bekam sie nicht. „Es kam dann auch kein Duncan, sondern eine Frau, die ein Schild mit meinem Namen trug“, erzählt Mai.

Fotos durfte sie vor Ort nur ohne Standortangaben aufnehmen, Kontakt zu ihrem Mann und ihren beiden Söhnen hielt sie telefonisch – sofern es die Internetverbindung zuließ. Auf dem Gelände der Tierschutzorganisation wurde sie in einer Hütte mit eigenem Bad untergebracht. Für Unterkunft und Verpflegung zahlte die 47-Jährige rund 1800 Euro – für ihre Arbeit wurde sie nicht entlohnt. „Es ist eben kein Urlaub, sondern ein freiwilliger Einsatz. Das Geld kommt der Organisation zugute.“

An die erste Nacht erinnert Katinka Mai sich ganz genau: „Da dachte ich, ich mache kein Auge zu“, erzählt sie. Denn nur wenige Meter von ihrer Unterkunft entfernt befand sich ein Gehege mit zwei Löwen. „Die haben die ganze Nacht gebrüllt.“ Und auch tagsüber war kaum an Ruhe zu denken: „Der Wecker ging jeden Morgen um 5.30 Uhr, eine halbe Stunde später haben wir uns mit allen Freiwilligen im Gemeinschaftsraum getroffen.“ Dort wurden kurze Filme und Präsentationen rund um das Thema Nashörner gezeigt. Anschließend wurden die Helferinnen und Helfer nach Aufgaben in Gruppen eingeteilt.

Das Geschäft mit dem Horn

Obwohl der Handel mit Horn von Nashörnern international verboten ist, sind von 2018 bis 2021 nach Angaben der Weltnaturschutzunion (IUCN) mindestens 2707 afrikanische Nashörner Wilderern zum Opfer gefallen. 90 Prozent der Fälle wurden aus Südafrika gemeldet, wo die meisten Nashörner leben.

Das Horn der Tiere, das wie menschliche Fingernägel aus Keratin besteht, ist vor allem im asiatischen Raum sehr begehrt. Dort werden ihm aphrodisierende und heilende Kräfte zugeschrieben. „Es heißt, dass man das pulverisierte Horn dort seinen Gästen als Getränk anbietet – oder auf Partys wie Koks einnimmt“, sagt Katinka Mai. Nach der Coronapandemie sei die Nachfrage enorm gestiegen – und damit auch der Preis. „Nashorn ist auf dem Schwarzmarkt mehr wert als Gold“, so Mai. Etwa 2000 Dollar würden Wilderer für ein Horn bekommen.

Im Mittelpunkt stand dabei die Fütterung der Nashörner. „Wir haben die Babys mit der Milchflasche gefüttert. Jedes Tier bekommt eine andere Mischung, die nach dem individuellen Bedarf an Nährstoffen zusammengesetzt ist“, erklärt Mai. In der Natur trinken Nashornbabys etwa bis zum zweiten Lebensjahr Muttermilch. Manche Tiere, die in der Auffangstation von „Care for Wild“ ankommen, sind noch kein Jahr alt.

Volunteer in Südafrika: Künzellerin zieht Nashornwaisen mit der Flasche auf

Die kleinen Nashörner werden durch einen Zaun gefüttert, damit sie sich nicht an die Menschen gewöhnen. Sobald sie alt genug sind, werden sie auf dem Gelände der Organisation ausgewildert. „Die Nashörner leben dann eigenständig, sind aber weiterhin durch Elektrozäune, Kameras und Sicherheitspersonal vor Wilderern geschützt“, sagt Katinka Mai. Die erwachsenen Tiere werden von „Care for Wild“ erforscht und dokumentiert. Mittlerweile hat sogar das erste Nashornpärchen auf dem Areal Nachwuchs bekommen.

Wenn sie nicht gerade Futterzutaten abgewogen, Milchersatz gemischt oder Nashornbabys die Flasche gegeben hat, hat die 47-Jährige in der trockenen Mittagshitze Gehege ausgemistet und Heu gerecht. Die körperliche Arbeit sei schwer gewesen, hinzu kamen psychische Herausforderungen – vor allem die Bedrohung durch Wilderer.

Organisation „Care for Wild“

Das Care For Wild Rhino Sanctuary ist die größte Nashornwaisen-Auffangstation der Welt. Es wurde im Jahr 2001 eröffnet und erstreckt sich über 28 000 Hektar im Greater Barberton Nature Reserve in Mpumalanga, Südafrika. Die gemeinnützige Organisation arbeitet eng mit dem Krüger Nationalpark zusammen, um gefährdete Tierarten wie Spitzmaul- und Breitmaulnashörner zu retten.

„Wilderer arbeiten meist zu dritt: Einer schießt, einer trennt mit einer Axt das Horn ab und der Dritte nimmt das Horn. Sie müssen schnell sein, denn sobald ein Schuss fällt, machen sich Anti-Wilderer-Einheiten auf den Weg. Für Wilderer zählt ein Menschenleben genauso wenig wie das eines Tieres. 2022 sind zahlreiche Ranger von ihnen erschossen worden.“ Aus ihrem Job sei sie zudem mehr Struktur gewohnt. „An der Arbeit plane ich alles bis ins kleinste Detail. In Afrika läuft das anders“, erzählt Mai.

Trotzdem würde sie die Reise wieder machen. „Die Tage waren lang, aber sehr erfüllend. Es war schön, die Fortschritte der Nashornbabys zu beobachten. Man hat das Gefühl, man hilft direkt vor Ort.“ Auch die Gemeinschaft mit den anderen Freiwilligen habe sie sehr genossen. „Wir alle haben aber festgestellt, dass wir zu Hause in Sachen Tierschutz auch genug zu tun hätten.“

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Mai bleibt als Tierpatin weiter mit der Organisation in Verbindung. Sie möchte mehr Menschen auf das Problem aufmerksam machen und andere zum Helfen inspirieren.

Übrigens: Ihr Fernweh und Interesse für fremde Länder und Kulturen scheint Katinka Mai an ihren Sohn Marlon Osterod vererbt zu haben: Der heute 17-Jährige hatte 2021 ein halbes Jahr Unterricht auf hoher See, als er mit einem Schulschiff über den Atlantik gesegelt ist.

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