Kinderklinik zu 140 Prozent ausgelastet: Warum sich so viele Kinder mit dem Atemwegs-Virus RS infizieren

Ein Virus macht vielen Kindern, Eltern, der Kinderklinik des Klinikums und vielen Kinderärzten zu schaffen. Es ist nicht das Corona-, sondern das RS-Atemwegsvirus. Die Kinderklinik kam deshalb auf eine Auslastung von 140 Prozent.
Fulda - In den vergangenen Wochen kamen so viele Eltern mit kranken Kindern in die Kinderklinik, dass selbst in Untersuchungsräumen Betten aufgestellt wurden, um kein Kind wegzuschicken – egal, ob es an dem RS-Virus litt oder an einer anderen Krankheit. Darauf ist die Kinderklinik des Klinikums Fulda stolz.
„Dies ist nur möglich durch das sehr hohe Engagement des Teams und ein sehr flexibles Belegungsmanagement“, erklärt Professor Dr. Reinald Repp (64), Chefarzt der Kinderklinik. Wird es richtig eng, dann werden in drei von vier Untersuchungsräumen nachts Betten aufgestellt.
„Nur mit diesen Maßnahmen konnten wir bisher vermeiden, dass Kinder in andere Kliniken weiterverlegt werden mussten. Wir konnten sogar aus dem Rhein-Main-Gebiet zu uns weiterverlegte Kinder zusätzlich aufnehmen“, sagt Repp. (Lesen Sie auch: Corona-Pandemie kostet Klinikum viel Geld)
Fulda: Kinderklinik zu 140 Prozent ausgelastet - So gefährlich ist RS-Virus
Das RS-Virus ist nicht neu. Es gehört zu den Erkältungserkrankungen, die in jedem Herbst und Winter vorkommen. „In einem normalen Winter steckt sich fast jedes kleine Kind mit dem Virus an. Die allermeisten Kinder stecken das weg, doch einige haben einen schweren Verlauf und kommen dann ins Krankenhaus, wo ganz schwere Fälle sogar beatmet werden müssen“, berichtet Repp.
Doch in diesem Jahr hat die Krankheitswelle früher eingesetzt und sie ist stärker als in der Vergangenheit – auch wegen der Corona-Pandemie. „Die meisten Kinder waren im vergangenen Winter im Lockdown. Kitas und Schulen waren lange Zeit geschlossen. Auch private Treffen fanden seltener statt. Zudem trugen viele eine Maske. Die Folge: Es gab kaum Erkältungskrankheiten“, erklärt Repp.
RS-Virus
RS-Virus steht für Respiratorisches-Syncytial-Virus. Es befällt vor allem die Atemwege und verursacht eine laufende Nase, Fieber und Husten. Es kann auch Bronchien und Lunge befallen. Die Ansteckung erfolgt über Tröpfchen, wenn Erkrankte niesen, husten, sich schnäuzen oder laut reden.
Grundsätzlich kann sich jeder Mensch infizieren, doch die Mehrzahl der Erkrankten sind Kinder. Vor allem kleine Kinder stecken sich an: Bis spätestens zum vierten Lebensjahr hatte fast jedes Kind mindestens eine Infektion mit RS-Viren. Nach einer Erkrankung entsteht keine Immunität. Wer einmal infiziert war, kann wieder erkranken, aber dann weniger schwer.
Die meisten Menschen erkranken nur leicht und entwickeln die typischen Erkältungssymptome. Auch die meisten kleineren Kinder überstehen eine Infektion ohne größere Probleme. Gefährlich kann das RS-Virus für Kinder mit einem geringen Immunschutz sein, für Frühgeborene, Säuglinge und Kinder mit Vorerkrankungen, zum Beispiel einem Herzfehler. Es kann zu Atemnot kommen und Sauerstoffmangel im Blut.
Ein Kind vor der Ansteckung schützen, das ist fast unmöglich. RS ist sehr leicht übertragbar. Da RS ein Virus ist, helfen auch Antibiotika nicht. Nur für Risikogruppen wie kranke Frühgeborene gibt es eine Impfung mit einem Medikament, das zwar nicht die Ansteckung verhindert, aber einem schweren Verlauf vorbeugt.
In diesem Jahr gibt es die Kontakte wieder, und das Virus wird wieder übertragen. Es sind nun aber zwei Jahrgänge von Säuglingen und Kleinkindern, die zum ersten Mal auf das Virus treffen – und die in schweren Fällen in Repps Kinderklinik kommen. „Was in der Klinik ankommt, ist dann nur die Spitze des Eisbergs. Dieser Eisberg ist aber jetzt zwei- bis dreimal so groß wie in früheren Jahren.“ Gefährlich werden kann das Virus für Kinder mit Vorerkrankungen am Herzen und an der Lunge und für sehr kleine Frühchen.
Video: Aggressive Erkältungsviren bringen Kinderkliniken an ihre Grenzen
In der Kinderklinik hat derzeit etwa jeder vierte kleine Patient mit dem RS-Virus zu kämpfen. Bis 17. November wurden 150 Säuglinge und Kleinkinder mit dem RS-Virus behandelt. Sechs der 150 Kinder mussten auf der Intensivstation behandelt werden, drei davon beatmet, berichtet Repp. Nach wenigen Tagen können die meisten der betroffenen Kinder wieder entlassen werden.
„Die mittlere Verweildauer der bis Mitte November behandelten 150 Kinder betrug 4,1 Tage. Entlassungen erfolgen bei uns generell so früh wie möglich“, erläutert der Chefarzt. Seit etwa einer Woche steige die Zahl der Patienten mit dem RS-Virus allerdings nicht weiter an, berichtet Repp.