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Nierenzentrum in Fulda auf der Kippe - Klinikum wehrt sich gegen Krankenkassen

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Von: Andreas Ungermann

Zwei Ärzte (Mitte) arbeiten in einem Transplantationszentrum in Leipzig bei einer Operation. In Fulda steht dessen Fortbestand aktuell auf der Kippe (Symbolfoto).
Zwei Ärzte (Mitte) arbeiten in einem Transplantationszentrum bei einer Operation. In Fulda steht dessen Fortbestand aktuell auf der Kippe (Symbolfoto). © Waltraud Grubitzsch/dpa

Der Fortbestand des Nierentransplantationszentrums am Klinikum Fulda steht auf der Kippe – aus statistischen Gründen. Die Stadtverordneten beschäftigen sich mit einer Resolution zum Erhalt des Klinik-Zentrums.

Fulda - Seit mehr als 20 Jahren versorgt das Nierentransplantationszentrum Klinikum Fulda-Kassel Patientinnen und Patienten in Ost- und Nordhessen. Nach dem Willen der Krankenkassen in Hessen soll damit nun Schluss sein. Sie verweigern die Zustimmung zur Weiterführung des Zentrums.

Dazu führen sie die jüngsten Operationszahlen an, bestätigt der Vorstandssprecher des Klinikums, Privatdozent Dr. Thomas Menzel, auf Anfrage. In der „Mindestmengenregelung“ hat der Gemeinsame Bundesausschuss – das höchste Gremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen – 25 Transplantationen jährlich festgelegt.

Fulda: Krankenkassen wollen Nierentransplantationszentrum schließen - Klinikum wehrt sich

Diese Zahl hat das Klinikum Fulda in den Vor-Corona-Jahren erreicht: 26 Transplantationen waren es 2018, im Jahr darauf immerhin 24. Bis September 2020 waren zum 20-jährigen Bestehen insgesamt 282 Operationen erfasst.  „Die Zahl der Nierentransplantationen im Klinikum hat in den vergangenen Jahren einen positiven Verlauf genommen“, konstatiert Menzel.

Dann jedoch kam die Covid-Pandemie. Mit dieser ging die Zahl an Nierentransplantationen weltweit deutlich zurück. Auch in Fulda waren Rückläufe zu verzeichnen – in den Jahren 2020 und 2021 auf je 15 und 2022 auf 8 Operationen. Schließlich zählen Transplantations-Patienten im Zusammenhang mit Corona als besonders gefährdete Personen.

Die vergangenen drei Jahre, während denen planbare Operationen verschoben wurden, um die Krankenhäuser zu entlasten, seien somit nicht repräsentativ. Genau das führt das Klinikum als einen von drei wesentlichen Gründen an, warum man sich in Fulda mit der Entscheidung und der Begründung der Krankenkassen nicht abfinden will.

So habe zudem die rückläufige Zahl an Nierenspendern zu weniger Transplantationen geführt. Die dritte Argumentationsgrundlage des Klinikums bildet die im Jahr 2016 vereinbarte Zusammenarbeit mit dem Klinikum Kassel. In diesem Jahr sollte in die notwendige Infrastruktur investiert werden.

Aufgrund dieser Verständigung zwischen Menzel und dem Vorstand der des kommunalen Klinikverbunds Gesundheit NordHessen, Dr. Michael Knapp, Ende 2022 sei mit deutlich mehr Patienten aus den nordhessischen Raum zu rechnen, heißt es aus der Pacelliallee. Denn: Operiert wird in Fulda in dem von Professor Dr. Tilman Kälble, der laut einem „Stern“-Ranking zu „Deutschlands besten Ärzten“ gehört, und Professor Dr. Marion Haubitz geleiteten Zentrum.

Für nordhessische Patienten erfolgen Vor- und Nachsorge in Kassel. „Dem Klinikum Fulda und vor allem den Patientinnen und Patienten der Region jetzt das Nierentransplantationszentrum zu nehmen, ist nicht gerechtfertigt. Der Rückgang der Fälle während der Corona-Pandemie hat die gute Entwicklung des Zentrums zurückgeworfen“, erklärt Menzel.

„Wir können nicht nachvollziehen, warum diese Ausnahmesituation ignoriert wird. Zumal die Qualität der Nierentransplantationen in Fulda nachweislich überdurchschnittlich hoch ist“, führt Menzel aus, und er rechnet vor: Sollten in Fulda, wo 2000 das vierte Nierentransplantationszentrum Hessens ausgewiesen wurde, derlei Operationen nicht mehr durchgeführt werden, müssten Patienten deutlich längere Wege in Kauf nehmen – circa 100 Kilometer.

Die Online-Plattform Klinikradar weist in Hessen noch die Zentren des Universitätsklinikums Gießen und Marburg (UKGM) mit seinen Standorten in den beiden Universitätsstädten sowie des Universitätsklinikums Frankfurt aus. In Bayern ist das nächste Zentrum für die Uni-Klinik in Würzburg gelistet, für Thüringen gar kein Krankenhaus.

Nierenzentrum: Fuldaer Stadtpolitik unterstützt Klinikum

Unterstützung erhält das Klinikum Fulda, das nach gescheiterten Verhandlungen mit den Kassen nun juristisch gegen die Ablehnung vorgeht und eine Ausnahmegenehmigung beim Hessischen Sozialministerium beantragt hat, unterdessen nun aus der Stadtpolitik. Als erster Punkt steht am Montag eine Resolution zum Erhalt des Nierentransplantationszentrums auf der Tagesordnung der Fuldaer Stadtverordneten.

„Das Nierentransplantationszentrum leistet seit 2000 eine qualitativ hervorragende Arbeit und sichert die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung in der gesamten Region Nord-/Osthessen ab. Zahlreichen schwerkranken Patientinnen und Patienten konnten so schon weite Wege erspart und beste medizinische Versorgung und Nachbetreuung gesichert werden. Daher unterstützen wir als hauptamtlicher Magistrat diese Resolution ausdrücklich“, erklären Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld und Bürgermeister Dag Wehner (beide CDU).

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