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Personalmangel und Krankheitswelle: Kinderkliniken sind am Limit

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Von: Marah Naumann, Volker Nies, Hanns-Georg Szczepanek, Tim Bachmann

Derzeit trifft es die Kleinsten besonders heftig: Dutzende Kinder erkranken an dem RS-Virus oder an der Influenza. Und das in Zeiten, in denen Kliniken und Praxen ohnehin schon gebeutelt sind.

Fulda - Engpässe bei der Versorgung von Kindern mit Atemwegsinfekten liegen nach Einschätzung von Kinderärzten nicht an einer höheren Zahl von Betroffenen, sondern an weniger Kapazitäten in Praxen und Krankenhäusern.

„Die Praxen und die Kliniken sind am Limit“, sagte der Landesvorsitzende des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte in Hessen, der Bad Homburger Kinderarzt Ralf Moebus, der Deutschen Presse-Agentur. „Wir gehen personell am Stock.“

Fulda: Krankheitswelle und Personalmangel - Kliniken am Limit

Dass es sehr viel mehr Fälle von Kindern mit Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) gibt als in früheren Jahren, kann der Berufsverband zumindest für Hessen nicht bestätigen. „Wir haben keine andere Infekt-Situation als sonst, aber wir können weniger an Versorgung leisten“, sagte Moebus.

Das Robert Koch-Institut (RKI) hatte vergangene Woche bundesweit von einer starken Zunahme von RSV-Infektionen berichtet. Besonders Kinder bis vier Jahre würden immer häufiger deswegen in Krankenhäusern behandelt. Zahlen für einzelne Bundesländer hat das RKI nicht.

Auch das Klinikum Fulda hat aktuell alle Hände voll zu tun. In den letzten zehn Novembertagen haben Kinderklinik-Chef Professor Dr. Reinald Repp und sein Team 84 Kinder stationär behandelt – in 32 Fällen wegen des RS-Virus, in 52 Fällen wegen der Influenza.

„Die Infektionszahlen gingen im November steil nach oben und waren in den letzten Tagen mehr als doppelt so hoch wie noch vor zwei Wochen“, beschreibt Repp. Der „Ansturm“ an kleinen Patienten könne derzeit nur bewältigt werden, weil alle im Team extrem engagiert seien und durchgehend an der Belastungsgrenze arbeiteten, so Repp.

Doch um alle aufnehmen zu können, müsse jeder freie Raum genutzt werden: So würden selbst die Untersuchungszimmer rund um die Uhr mit Patienten belegt. Doch: In dieser Woche habe auch das nicht mehr ausgereicht. So mussten Betten genutzt werden, die eigentlich für OP-Patienten zur Verfügung stehen, was dazu geführt hat, dass „viele geplante, aber nicht akut lebensnotwendige Operationen abgesagt werden mussten“, schildert Kinderklinik-Chef Repp die Situation.

Kinderklinik
Ein Arzt untersucht ein Kind in einem Krankenhaus. © Sebastian Gollnow/dpa/Symbolbild

Auch in den Praxen arbeitet das Personal zunehmend am Limit, erklärt die Wiesbadener Kinderärztin Dr. Soraya Seyyedi. Sie ist Sprecherin der hessischen Kinder- und Jugendärzte. Ihr Kollege Professor Dr. Jens-Oliver Steiß aus Fulda bestätigt das Bild. Die Zahl der Atemwegserkrankungen und auch die der RS-Infektionen sei in diesem Jahr höher als sonst, sagt Steiß, der mit der Kinderärztin Dr. Cornelia Langner in einer Gemeinschaftspraxis in Fulda arbeitet. Bereits seit Ende September beobachte man eine steigende Zahl von Fällen.

Doch warum erkranken derzeit so viele Kinder? Verbandssprecherin Dr. Seyyedi nennt die Pandemie als Grund: „Da die Kinder sich die vergangenen beiden Jahre aufgrund von Corona nicht mit dem Virus immunisieren konnten, erkranken zur Zeit mehr von ihnen am RS-Virus.“ Zu den üblichen grippalen Infekten und Magen-Darm-Viren kämen neben der jahreszeitlich zu früh auftretenden Influenza-Welle nun auch noch Infektionen mit dem RS-Virus.

Auch Kinderarzt Steiß vermutet, dass die fehlende Immunisierung die RS-Virus-Welle verstärkt. Die Erkrankung an sich sei nicht neu, aber die Intensität und das parallel laufende Erkältungsgeschehen wirke sich massiv auf den Praxis-Alltag aus: „Die Situation ist für uns alle im Praxis-Team wirklich belastend“, unterstreicht er.

Verbandssprecherin Seyyedi bemängelt grundsätzlich, dass es durch Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen in den Praxen und in den Kliniken aufgrund von Personalmangel und Bettenabbau in den vergangenen Jahre zu Engpässen in der Versorgung komme. Es gebe zu wenig Betten – und von den vorhandenen könnten nicht alle belegt werden, weil das Personal fehle. (Lesen Sie auch: Kritik an Sparmaßnahmen: Mehr als 200 Teilnehmer bei Ärzte-Demo in Fulda)

Personalmangel macht auch Praxen im Main-Kinzig-Kreis zu schaffen

Die „Hausärzte MKK“, die Praxen für Allgemeinmedizin in Bad Soden-Salmünster, Langenselbold und Schlüchtern betreiben, verzeichnen derzeit ebenfalls viele Patientinnen und Patienten mit Erkältungssymptomen. „Allerdings sind es nicht signifikant mehr als in den Vorjahren, sondern die für die kalte Jahreszeit durchaus übliche Anzahl“, teilt ein Sprecher dieser Praxen im Main-Kinzig-Kreis auf Nachfrage mit.

Er beschreibt die Thematik aus einer anderen Perspektive: „Ein Grund für diese Wahrnehmung könnte eher der Personalmangel in der Gesundheitsbranche sein.“ Will sagen: Es seien nicht mehr Patientinnen und Patienten da, sondern weniger Mediziner und Fachangestellte, die sich um die Kranken kümmern könnten. (mit dpa-Material)

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