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50 Jahre Gemeinde Künzell: Festkommers unternimmt Reise zu den Anfängen - Denkmal enthüllt

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Sie wussten einiges über die Geschichte Künzells zu berichten: Zeitzeugen, interviewt von Sabine Räth (links).
Sie wussten einiges über die Geschichte Künzells zu berichten: Zeitzeugen, interviewt von Sabine Räth (links). ©  Alisa Kim Göbel

Zum Festkommers anlässlich des 50. Gemeindejubiläums kamen 200 geladene Gäste in das Gemeindezentrum nach Künzell. Über einen Livestream konnten alle Interessierten den Abend im heimischen Wohnzimmer verfolgen.

Künzell - Bürgermeister Timo Zentgraf (parteilos) hat sich zusammen mit dem Organisationsteam durch das Gemeindearchiv gearbeitet und ist tief in die Künzeller Geschichte eingetaucht. Schätze aus dem Archiv wurden digitalisiert, aufgearbeitet und strukturiert, um sie allen zugänglich zu machen. Um am Kommersabend das Resultat in einer Präsentation zeigen zu können, hatte das Orga-Team zuvor aus allen Ortsteilen Zeitzeugen befragt. Am Freitag war die Gemeinde in der neuen Mitte ins Festwochenende gestartet.

Der Dreh- und Angelpunkt für das Gemeindejubiläum ist die Gebietsreform. Für die Großgemeinde Künzell war den Name „Florenberg“ vorgesehen. Doch dieser Entscheidung hätten alle zustimmen müssen. In Edelzell wurden Bürgerbefragungen gestartet und Zettel verteilt, die die Angebote und Versprechungen der Stadt Fulda und der Gemeinde Künzell gegenüberstellten.

„Ich glaube, und berufe mich dabei auf viele Formulierungen aus den Unterlagen, die ich eingesehen habe: Wäre Edelzell zur Gemeinde hinzugekommen, hätten sich die Künzeller nicht mehr gegen den Namen Florenberg wehren können“, so Zentgraf.

50 Jahre Gemeinde Künzell - Zeitzeugen berichten von den Anfängen

Die formale Gründung der Großgemeinde Künzell war mit Wirkung zum 31. Dezember 1971 beziehungsweise zum 1. April 1972 abgeschlossen. Endgültig gehörten die ehemals selbständigen Gemeinden Dassen, Dietershausen, Keulos, Wissels und im zweiten Schritt Dirlos, Pilgerzell und Engelhelms dazu.

Kleine Besonderheiten sorgten beim Durchsehen der vielen Dokumente auch für Amusement: Die Grenzänderungsverträge waren teilweise sehr übersichtlich, doch im Keuloser Investitionsplan war vermerkt: Die Unkrautspritze bleibt im Ort.

Moderatorin Sabine Räth interviewte dann die ehemaligen Bürgermeister Hermann Brück (1986 – 2003) und Peter Meinecke (2003 – 2015). „Die Egoismen müssen verdrängt werden und wir brauchen eine Region, die sich gegenseitig stärkt“, so Brück zum Zusammenleben der Kommunen im Kreis.

Nach den Daten und Fakten war die Zeit für Emotionen gekommen. In einer 25-minütigen Diashow wurden über 300 Fotos aus den letzten 50 Jahren Künzell gezeigt, wobei viele für Lacher sorgten. Schließlich wurden die Menschen auf die Bühne gebeten, die als Zeitzeugen die Gebietsreform miterlebt haben.

Große Diashow und Anekdoten aus den Anfangsjahren

Allen voran Thomas Grünkorn, Ortsvorsteher von Pilgerzell und Urgestein der Künzeller Kommunalpolitik, der die Stimmung nach der Gebietsreform zusammenfasste: „Kleinere Orte mussten ihre Straßennamen abgeben, das frustrierte. Hinzu kam die Postreform, wobei die Ortsteilnamen verschwanden, die Leute hatten das Gefühl, sie kommen in der neuen Gemeinde nicht richtig an und sind Bürger zweiten Grades.“

Wenig hilfreich war da das Ereignis am 31. März 1972, als ein Unwetter über das Gemeindegebiet zog. „Es war ein Tag vor der Eingliederung, und da fiel in Pilgerzell die alte Dorflinde um. Da wollte selbst die Linde nicht zu Künzell gehören“, witzelte Grünkorn.

Video: 50 Jahre Künzell - Enthüllung der Denkmäler

Josef Kremer, Alfred Klüber und der „Rebell“ Norbert Maierhof aus Dietershausen erzählten von der Unterschriftenaktion, mit der sie verhindern wollten, künftig zu Weyhers zu gehören. Warum man zum Telefonieren zum Bürgermeister gehen musste, erzählte Helmut Vogler aus Dassen.

Oskar Leitsch aus Wissels erinnerte sich, dass man einst zu Dipperz gehören sollte, da die Kinder dort in den Kindergarten gingen: „Als Dipperz gemerkt hat, dass wir da nicht hinwollen, haben sie uns die Kindergartengebühr hochgesetzt. Wir haben uns vergeblich beim Landrat beschwert, darum haben wir unsere Kinder dann aus dem Kindergarten rausgenommen.“

Margitta Möller und Karin Schultheis aus Bachrain plauderten ebenso wie Eberhard Meffert und Herbert Ritz aus Engelhelms aus dem Nähkästchen. Bernhard Schickling und Walter Schreck aus Keulos haben auch positive Entwicklungen beobachtet. Grünkorn fasste zusammen: „1972 war es eher eine Zwangsehe, aus heutiger Sicht eine Vernunftehe und in 50 Jahren wahrscheinlich eine Liebesheirat.“

Für den Bundestagsabgeordneten Michael Brand (CDU) als Engelhelmser ist es wichtig, dass die Ortsteile und ihre Vereine stark zusammenstehen. Auch Landrat Bernd Woide (CDU) gratulierte zum Jubiläum. (von Alisa Kim Göbel)

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